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Get Out

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Stay Woke & Get Out

Angsteinflößend, packend und aufrüttelnd - „Get Out“ ist ein Horror-Thriller, den sie in jeder Schule zeigen sollten.

Von Dalia Ahmed

Die einstige Hälfte des Comedyduos Key & Peele, Jordan Peele, ist unter die Regisseure gegangen und liefert mit „Get Out“ einen Horror-Mystery-Thriller, der die vielen kleinen (und großen) Fauxpas’ des White America offenlegt. Peele bohrt in der offenen Wunde des Alltagsrassismus der USA, während er auf beißende Weise die Geschichte des ersten Besuchs des schwarzen Protagonisten bei den vermeintlich „super leftist tree hugging yuppie liberal“ Eltern seiner weißen Freundin erzählt.

Österreich-Filmstart für „Get Out“ ist der 4.5.2017

Ohne allzu viel zu spoilern - auf jeden Fall nicht mehr als der Trailer des Films, der eh schon alles verrät - kann man sagen, dass es in „Get Out“ um den wohl furchtbarsten Besuch bei den Eltern eines Partners geht. Chris Washington, gespielt vom Briten Daniel Kaluuya, ist der ruhige, abgebrühte, Alltagsrassismus gewohnte Held des Films, durch den und mit dem wir die Geschichte erleben. Seine supercharmante, witzige und aus guten Familienverhältnissen stammende Freundin Rose Armitage wird gespielt von Allison Williams, die wir bei HBOs „Girls“ als spießige und eher unsensible Marnie Michaels kennenlernen durften. Rose überredet Chris, übers Wochenende ihre Eltern besuchen zu fahren. Auf die Frage, ob sie denn wüssten, dass er schwarz ist, erwidert Rose, die Eltern seien keine Rassisten, sondern „super leftist tree hugging yuppie liberals“ und genau hier wird „Get Out“ erst richtig interessant.

Jordan Peele verwandelt das Horrorklischee des nagenden „Wir sollten da nicht reingehen“- Verdachts in ein J’accuse. Jedes Mal, wenn sich die Zuschauer/innen ebenjenes „Hau da ab!“ denken, wird deutlich, dass man diese Sorge auch auf Afroamerikaner/innen übertragen sollte, die in den USA tagtäglich mit einer feindseligen Umgebung konfrontiert sind. Seien es Polizist/innen, die ihre Waffen auf sie richten, oder Politiker/innen, die alles daran setzen, sie zu marginalisieren.

Szene aus "Get Out": Tee am Nachmittag

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Doch „Get Out“ behandelt nicht diese greifbarste Form des Rassismus, nicht den offensichtlichen, Kreuze im Garten verbrennenden, weiße Kutten tragenden, „White Power“ schreienden Rassismus, sondern einen subtileren und viel weiter verbreiteten Rassismus. Den Alltagsrassismus, der in weiterer Folge der Nährboden für den schirchen Rassismus ist, bei dem es für jede/n ein Leichtes ist, ihn anzuprangern. Die alltäglichen, kleinen, unkommentierten Hiebe, Stiche und Stöße, die auf Dauer tiefe Wunden hinterlassen, werden von Jordan Peele in Form unangenehmer Smalltalk-Momente hervorgehoben. Zum Beispiel als Roses Vater Chris ganz stolz erzählt, er hätte Obama gewählt. Eine Aussage, die symptomatisch für eine herablassende und gönnerhafte Art zu denken steht. Warum sollte es Chris interessieren, dass der Schwiegervater in spe für einen schwarzen Mann gestimmt hat? Warum erzählt er das Chris überhaupt? Und sollte Chris sich dafür auch noch dankbar zeigen?

Der Horror in „Get Out“ kommt nicht von einem axtschwingenden, teeniesjagenden Serienkiller, sondern von denen, die stets meinen, eh auf der richtigen Seite zu stehen. Das Gruseligste an „Get Out“ sind eben die „super leftist tree hugging yuppie liberals“, die Chris auf seine Hautfarbe reduzieren, und die damit verbundenen Stereotype. Das macht Jordan Peeles Regiedebüt zu einem weitaus gruseligeren Film als jeden Slasher. Auch nach dem Verlassen des Kinosaals sollte „Get Out“ bei einem bleiben. Chance The Rapper glaubte zum Beispiel so stark an die Kraft des Films, Rassismen filmisch hervorzuheben, dass er einen Tag lang in einem Chicagoer Kino allen Besucher/innen des Films das Ticket spendierte.

Und obendrauf, neben all der Wokeness und der wichtigen Message, ist „Get Out“ auch in vielen anderen Bereichen ein großartiger Film. Das Jordan Peele selbst verfasste Drehbuch enthält kein Wort zu viel. Bei jedem anfangs noch so absurd scheinenden Detail wird im Nachhinein klar, dass es Teil des Puzzles war. Auch schön ist, dass „Get Out“ einer der wenigen Horrorfilme mit einem Protagonisten ist, der sich vernünftig verhält. Kein Moment, in dem man sich denkt, man wüsste besser, wie er sich zu verhalten hätte. Ein Held auf Augenhöhe, der nicht alleine rausgeht, um zu schauen, „what that noise was“. Und stellenweise lustig ist der Film auch noch, aber damit war aufgrund von Jordan Peeles Comedyvergangenheit wohl zu rechnen.

„Get Out“ ist ein filmisches Tonikum als Antwort auf Trumps Amerika. Ein Film, der unterschiedlich auf sein Publikum wirken wird. Dem weißen liberalen Bobo-Publikum soll Sensibilität beigebracht werden und das schwarze und POC-Publikum sieht seine alltäglichen Anstrengungen und Anfeindungen anerkannt und soll sich dadurch ermächtigt fühlen. Wie schon der Anfangssong des Films verrät: Stay Woke! (Bleib wachsam!)

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