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Alice Weidel

Michael Kappeler/dpa

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Frauen an der Spitze rechtspopulistischer Parteien

Immer mehr rechte Parteien haben Frauen als Spitzenkandidatinnen. Diese fungieren als das „Gesicht“ ihrer Partei und sollen sie sanfter erscheinen lassen. Sie stehen gleichzeitig für ein emanzipatorisches Frauenbild und für konservative Familienpolitik.

Von Ali Cem Deniz

Alice Weidel ist die neue Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahlen im kommenden Herbst. Sie passt nicht ganz in das stereotype Bild, das man so von einer rechtspopulistischen Partei hat. Vor ihrem Einstieg in die Politik hat sie in China für Goldman and Sachs gearbeitet, hat international Karriere gemacht und sie ist offen lesbisch. Gleichzeitig ist sie aber auch eindeutig rechts, wie sie am Parteitag der AfD mit ihrer Aussage „die politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte“ deutlich machte.

Gestern war Alice Weidel, die neue Spitzenkandidatin der AfD, bei Corinna Milborns Pro und Contra auf Puls4 zu Gast. Ihr gegenüber saß Grünen-Politiker und Rechtsextremismus-Experte Karl Öllinger, der zugab, dass sich die AfD und auch Alice Weidel politisch nicht ganz klar einstufen lassen. Als Beispiel nannte er Weidels Beziehung zu Björn Höcke, der wegen seinen völkischen und anti-semitischen Aussagen immer wieder für Aufregung sorgt. Weidel hatte letztes Jahr für seinen Ausschluss aus der Partei gestimmt, will aber jetzt gemeinsam mit ihm Wahlkampf machen. Alice Weidel konterte geschickt und distanzierte sich von Höckes problematischen Aussagen, aber erklärte gleichzeitig, dass sie in Thüringen mit ihm kooperieren wird, weil er der Fraktionsvorsitzende im dortigen Landtag ist.

Die Grenzen zwischen Rechter Politik, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus verschwimmen und Frauen wie Alice Weidel leisten dabei einen wichtigen Beitrag.

Feminismus und Konservativismus gleichzeitig

Stefanie Mayer arbeitet an der FH Wien und forscht zu rechter Gender-Politik und Anti-Feminismus. Wie Alice Weidel ihre Biografie und die Inhalte der AfD miteinander vereinbaren kann, ist ihr ein Rätsel.
Wie kann sie wirtschaftsliberal sein und gleichzeitig für eine Partei stehen, die den Euroraum verlassen möchte? Wie geht zusammen, dass sie lesbisch ist, während ihre eigene Partei gegen die Homo-Ehe wettert?
Für Stefanie Mayer steht außer Frage, dass die AfD und andere rechtspopulistische Parteien eine anti-feministische Linie vertreten. „Alle diese Parteien haben sehr konservative Familienbilder und Familienpolitik.“
Die AfD zum Beispiel, möchte eine „ausreichende Anzahl von Kindern […] für die demografische Entwicklung und somit den Fortbestand unseres Volkes“. Sie hätten gerne, dass die Vater–Mutter–Kind-Beziehung“ in Schulbüchern positiv dargestellt wird – anstatt „kaum relevante Konstellationen“ - damit meinen sie Regenbogenfamilien. Und sie sind für ein Verbot von Abtreibung.

Frauke Petry wird von Alexander Gauland die Hand geküsst

Michael Kappeler/dpa

Frauke Petry wird von Alexander Gauland die Hand geküsst

Das weibliche Antlitz der Partei

Alice Weidel als Spitzenkandidatin der AfD ist keine Ausnahme: Ihre Parteikolleginnen Frauke Petry und Beatrix von Storch sind seit langem das Gesicht ihrer Partei und sitzen im Bundesvorstand. In Dänemark ist die Dänische Volkspartei die zweitstärkste Kraft im Parlament. Gegründet wurde die Partei, die sich klar anti-muslimisch positioniert und gegen Flüchtlinge Stimmung macht, in den Neunziger Jahren von der Politikerin Pia Kjærsgaard. In Norwegen führt Siv Jensen seit 2006 die rechtspopulistische Fortschrittspartei an. In der Freiheitspartei von Geert Wilders, hat mit Marjolein Faber eine Frau den Fraktionsvorsitz. Und schließlich ist da Marine Le Pen, die zwar die Präsidentschaftswahlen deutlich verloren hat, aber seit Jahren unangefochten an der Spitze des Front National steht. Sie gilt als eine der Gallionsfiguren der Rechtsextremen in ganz Europa.

Feministisch gegen den Islam

Alle diese Politikerinnen haben zum Teil ganz unterschiedliche Lebensläufe. Stefanie Mayer sieht aber auch eine Ähnlichkeit: „Zwischen allen diesen rechten, rechtspopulistischen und rechtsextremen Strömungen gibt es eine große Gemeinsamkeit: der anti-muslimische Rassismus. Gerade hier spielen die Frauen als Aushängeschild eine Symbolfigur.“ Denn dem gemeinsamen Feindbild Islam schreiben die Rechtspopulisten ein besonders rückschrittliches Frauenbild zu. Demgegenüber können sich Parteien wie AfD als fortschrittlich und modern inszenieren. Auf ihren Plakaten sind Niqab-Trägerinnen mit Sprüchen wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ zu sehen, aber auch Sprüche wie „Gender-Mainstreaming ist intellektueller Wohlstandsmüll“ neben AfD Spitzen-Politikerin Beatrix von Storch.

Dass sich rechtspopulistische Parteien wie die AfD sich gleichzeitig selbst für konservative Familienpolitik stark machen, scheint ein Widerspruch zu sein. Auch in diesem Zusammenhang spielen Frauen eine wichtige Rolle. Sie lösen den Widerspruch auf indem sie selbst, als sozusagen „Betroffene“ diese rechten/konservativen Ideen vorbringen. Alice Weidel bekommt auf dem AfD-Perteitag deswegen so viel Applaus über den Politische-Korrektheit-Sager, weil sie eine Frau und weil sie homosexuell ist. Und somit vom Verdacht freigesprochen ist, sexistisch oder homophob zu sein. Eine ähnliche Rolle spielen oft auch PolitikerInnen mit Migrationshintergrund, die sich besonders deutlich für Einwanderungsstopp und Assimilations-Maßnahmen aussprechen.

Mit dieser Kombination aus anti-muslimischer Rhetorik und von Frauen präsentierter rechtskonservativer Politik haben sowohl rechtspopulistische Parteien, als auch ihre Politikerinnen viel Aufwind erhalten. Marine Le Pens deutliche Niederlage hat den Trend vorübergehend gestoppt. Sie hat aber immerhin das beste Ergebnis des Front National seit Bestehen erreicht und stellt damit ihren Vater, der die Partei einst gegründet hatte, in den Schatten.

Frauen in rechtsextremen Parteien und Bewegungen sind nicht nur schmückendes Beiwerk, als Spitzenkandidatinnen machen sie auch selbst beinharte rechte Politik. Und sind damit Teil der politischen Realität.

FM4 Auf Laut – Rechts, extrem und weiblich

Elisabeth Scharang stellt in FM4 Auf Laut die Frage: Verändern Politikerinnen wie Marie Le Pen und Alice Weidel unser Bild von Rechtspopulismus?

Frauen, die derzeit in der AfD, beim Front National und anderen europäischen rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien politische Karriere machen, profitieren vom Feminismus, den sie selbst hart bekämpfen. Kann es also so etwas wie einen Feminismus von rechts geben? Verändern Politikerinnen wie Siv Jensen in Norwegen, Alessandra Mussolini in Italien, Marie Le Pen in Frankreich oder Alice Weidel in Deutschland die Politik rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien und Bewegungen in Europa?

Welche Rolle spielen sie, um rechte Positionen in der Bevölkerung zugänglicher zu machen und wie stabil ist ihr Rückhalt in den eigenen männerdominierten Reihen? Und wie sieht ihr medialer Auftritt aus?

In FM4 Auf Laut werfen wir einen Blick nach Frankreich, Deutschland und Skandinavien und auf den dortigen Einfluss rechtspopulistischer und rechtsextremer Politikerinnen. Elisabeth Scharang spricht im Studio mit der Politikwissenschaftlerin Judith Goetz und mit Hörer_innen.

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