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#AGleaks: Geheime Chatprotokolle werden öffentlich

Eine Woche vor den ÖH-Wahlen erschüttert ein Skandal die Aktionsgemeinschaft Jus am Wiener Juridicum. AG-Mitglieder haben in geschlossenen Chat-Gruppen Judenwitze, Frauenhass und Spott über Behinderte verbreitet.

von Daniela Derntl

Kein guter Tag für die ÖVP. Mittwoch Mittag ist Partei-Chef Reinhold Mitterlehner zurückgetreten und damit einen anderen ÖVP-nahen Skandal etwas überdeckt: Donnerstag Abend wurde bekannt, dass Mitglieder der ÖVP-nahen Studentenorganisation, der Aktionsgemeinschaft des Juridicum Wien, in geschlossenen Chat-Gruppen rassistisches und antisemitisches über Juden, Frauen und Behinderte verbreitet haben.

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Aufgedeckt hat das die Wiener Stadtzeitung FALTER. In der aktuellen Ausgabe sieht man geschmacklose Postings wie Hitler-Memes oder Witze über Anne Frank und Menschen mit Trisomie 21.

Die AG JUS entschuldigt sich in einem Facebook-Statement und spricht vom „schwarzen Humor“ einiger Mitglieder, die zum sofortigen Austritt aufgefordert wurden. Beteiligte der „Jungen ÖVP Wien“ wurden noch gestern von der Partei ausgeschlossen, berichtet Ö1, und der Verfassungsschutz ermittelt bereits, ob es sich bei den Postings um Verhetzung handeln könnte.

Denn auch wenn in einer geschlossenen Chat-Gruppe gepostet wurde, könnten die Postings strafrechtlich relevant sein: Ab einer gewissen Personen-Größe sind auch geschlossene Chat-Gruppen kein rechtsfreier Raum, sondern gelten als Öffentlichkeit, wie Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, im Ö1-Mittagsjournal erklärt:

„Beim Tatbestand der Verhetzung hängt es einerseits davon ab, dass die Tat öffentlich begangen wird, und diese Äußerungen viele Menschen wahrnehmen können. Eine Tat ist dann öffentlich begangen, wenn sie von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann, das sind etwa zehn Personen. Und dass es vielen Menschen bekannt wird oder werden kann, das ist bei einer Anzahl von etwa 30 Personen gegeben.“

Was sagen die Jus-Studierenden zu den #AGleaks?

Doch was sagen die Studierenden des Juridicums zu dem Skandal rund um die AG Jus? Ich war heute Vormittag vor dem Juridicum und habe mich umgehört. (Alle Namen sind geändert)

Judith
„Es erschreckt mich echt! Und ich finde, dass die eigentlich nicht nur aus der AG Jus austreten sollten, sondern dass es da auch ein Disziplinarverfahren geben sollte auf der Uni. Ich finde, das ist Widerbetätigung und einfach menschenverachtend. Auch diese sexistischen Sachen, die sie da reingeschrieben haben. Was mich echt erschreckt hat, war, dass die anscheinend Fotos von Studentinnen gemacht haben und darüber geredet haben, was sie anhaben oder darunter anhaben. Echt arg!“

Ali
„Sie haben mir am Anfang beim Studium geholfen. Sie machen schon gute Vertretungsarbeit, nennen wir es so. Aber wenn man dahinter schaut, dann ist da doch etwas anderes auch da. Aber ich werde nicht alle verteufeln, weil ein paar waren doch nett. Es wird sie natürlich viele Stimmen bei der ÖH-Wahl kosten, aber kategorisch kann ich sie nicht ausschließen, denn ein, zwei kenn ich und da weiß ich, die haben sicher nichts damit zu tun gehabt.“

Alex
„Ich finde es erstens einmal ziemlich dumm. Wenn man schon so einen Chat hat und den dann offiziell zu betiteln mit der Fraktion, der ich angehöre (Anm.: FVJUS Männerkollektiv), das ist für mich schon mal das erste Dumme. Das Zweite ist - ob das jetzt ein privater Chat oder AG Männerkollektiv oder wie das geheißen hat - die müssen sich ihrer Position auch bewusst sein. Und wenn ich in dieser Position bin, muss ich dementsprechend vorsichtig damit umgehen. Ob das jetzt Politiker, Anwälte, Richter et cetera werden, das wird ihnen in der Zukunft einiges verbauen.“

Julian
„Mich hat das schon sehr irritiert, insbesondere in Anbetracht dessen, dass es hier ja um angehende Juristen geht, die da doch ein wenig mehr im Bilde sein sollten, was sie damit anrichten, auch in der öffentlichen Wertung quasi. Ich hab auch viel mit Freunden darüber diskutiert, und wir sind uns alle ziemlich einig, dass das einfach nicht geht, wenn man in einer offiziellen Funktion, auch wenn es in einem privaten Chat ist, dennoch solche Aussagen tätigt. Weil es geht ja darum, dass die AG dafür verantwortlich ist, dass alle Studierenden repräsentiert werden, und wenn sie dann in privater Form so über Minderheiten, Frauen und Geistig Behinderte schreibt, ist es in Wahrheit kein schwarzer Humor mehr. Das geht viel zu weit hinaus.“

„Schwarzer Humor“

Die AG Jus hat, wie schon erwähnt, in einem Facebook-Posting die abscheulichen Chat-Protokolle als „schwarzen Humor“ abgetan.

Sara
„Das finde ich eigentlich noch trauriger. Ich glaube, es gibt keine Entschuldigung und mit der Betitelung „schwarzer Humor“ ziehen sie sich aus der Verantwortung und verharmlosen das auch noch. Das ist einfach falsch.“

Leo
„Ich finde das eine Frechheit, das als schwarzen Humor darzustellen. Das ist menschenverachtend meiner Meinung nach und das so darzustellen ist einer Studentenvertretung nicht würdig.“

Nächste Wochen finden ÖH-Wahlen statt, deshalb stehen vor dem Wiener Juridicum viele Info-Stände der wahlwerbenden Fraktionen. Die AG-Jus-Kandidatinnen wollen nicht mit mir sprechen, auch der AG-Pressesprecher Valentin Petritsch war zu keinem Statement bereit. Eine Studentin, die laut eigener Aussage kein AG-Mitglied ist, verteidigt die Aussagen in den Chat-Protokollen.

Nadine
„Ich finde in Österreich sind Witze der Art nie und in keinster Weise zu rechtfertigen. Aber sie sind meiner Meinung nach völlig gang und gäbe. Und ich bin mir sicher, wenn man in die Handys oder was weiß ich, von anderen Studenten oder Mitgliedern von anderen Vertretungen reinschauen würde, würde man auch schockierende Sachen finden, die einen nicht begeistern würden.“

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Witze über Anne Frank gang und gäbe sein sollen. Die junge Dame darauf hin:

Nadine
„Naja, wenn sie zum Beispiel auf Jodel gehen, das ist eine sehr beliebte App hier, da kann man Aussagen machen, und da habe ich schon sehr oft Judenwitze gesehen. Wirklich oft.“

Brauner Sumpf im Juridicum?

Gerüchte, dass es im Juridicum einen brauen Sumpf gäbe, konnte man des Öfteren in diversen Foren lesen. Viele Studierende wissen nichts davon, doch ein ehemaliger JUS-Student kann mir das Gerücht bestätigen:

Boris
„Ich war lange am Juridicum und weiß genau, wie die Leute ticken. Ich hab sehr viele Kollegen und Kolleginnen kennengelernt, die leider eine Gesinnung haben, die mit den Grundwerten von uns Österreichern nicht vereinbar sind, deswegen definitiv – und das ist halt traurig.“

Da die Aktionsgemeinschaft zu keinem offiziellen Statement bereit war, bekommt nun der politische Mitbewerber die Gelegenheit, die Ehre des Juridicums zu verteidigen. Der Vsstö-Kandidat Maximilian Blaßnig ist vom Ausmaß des Skandals überrascht:

„Ich wusste ja, dass die AG nicht das ist, wie sie nach außen immer tut. Sie geben sich als die unpolitische Service-Kraft und halt für alle da ist, aber keine politische Ausrichtung hat. Dass sie das nicht sind, das wusste ich. Der frühere AG-Obmann (Anm: Stephan Polleres) an der Uni Wien kandidiert jetzt für den Ring Freiheitlicher Studenten. Da war schon einige klar. Aber was da im Hintergrund tatsächlich ist, da bin ich schon überrascht. Und ich finds eigentlich erschreckend, weil, wenn man den FALTER-Artikel durchliest, dann klingt das schon so, als wär dass das Juridicum, als wär das repräsentativ für die Jus-Studierenden und ich hoffe, dass da halt alle Jus-Studierenden gemeinsam Haltung zeigen, und zeigen, dass wir nicht so denken.“

Skandal um Aktionsgemeinschaft Jus

Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft Jus sorgt am Wiener Juridicum für einen Skandal. Geheime Gruppen sollen in Chatrooms über Jahre Judewitze und Witze über Behinderte geteilt haben.

Mittlerweile gibt es auch eine Stellungnahme der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt:

„Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien verurteilt dieses Verhalten auf das Schärfste. Wir fordern, dass Personen, die sich daran beteiligt haben oder es auch nur geduldet haben, künftig keinerlei Funktionen am Juridicum ausüben, sei es in der Studierendenvertretung, sei es in der Beratung.“

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