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Chris Pine und Ben Foster in Hell or High Water

Park Circus

Zwei Brüder gegen das Finanzsystem

Sonne, Schnauzbärte, Cowboyhüte: „Hell or High Water“ verpackt sozialen Kommentar in einen fantastischen Post-Finanzkrise Neo Western.

von Pia Reiser

„Hell or High Water“ beginnt mit einem Tanz, einer langen und langsamen Fahrt der Kamera und einer Drehung um 180 Grad. Diese hypnotische Anfangsszene führt wunderbar vor Augen, dass Film oft dann am eindrucksvollsten ist, wenn ein Bild, eine Szene so schlau komponiert ist, dass man keine Dialoge braucht. Alfred Hitchcock hätte mit dieser Anfangssequenz eine große Freude gehabt, eine wortlose Einleitung inklusive Suspense, jede Einstellung ein Puzzlestein.

Da es momentan keine Kommentarfunktion hier gibt, ich aber auf eure Kommentare, Lese- und Filmempfehlungen nicht verzichten möchte: pia.reiser@orf.at bzw Facebook-Freundschaft, yay!

Wir folgen einem Auto, das auf den Parkplatz einer Bankfiliale einbiegt, die Kamera bewegt sich gerade langsam genug, dass wir das „Three tours in Iraq but no bailout for people like us“, das an die Wand geschrieben wurde, noch lesen können und folgen dann einer Frau von ihrem Auto zu einem kleinen Gebäude, auf dem „Texas Midland Bank“ steht. Wir folgen zwei Männern mit Skimasken in die Bankfiliale, auf der gegenüberliegenden Straße auf einem Haus kann man ein Schild lesen: „Goodyear“ steht da und der Name der Reifenfirma grenzt an Zynismus, denn das hier ist kein gutes Jahr.

Park Circus

SZenenbilder aus "Hell Or High Water"

„Hell or High Water“ spielt in den USA nach der Bankenkrise, die beiden Männer mit den Skimasken sind die Brüder Tanner und Toby Howard, die sich gerade so viel Geld von den Banken zurückholen, dass sie das Grundstück ihrer Eltern zurückkaufen können. Das gehört momentan - dank eines Knebelvertrages - der Bank. Reich werden wollen die Brüder nicht, nur einen Ist-Zustand wiederherstellen. Und die Überfälle sind natürlich auch wütende Schläge gegen ein Bankensystem, das ihnen alles genommen hat.

„Hell or High Water“ inszeniert Texas als Ort der Isolation und der Desolation. Überall Häuser, die zwangsversteigert werden, Autos, die vor sich hinrosten. Stars and Stripes-Flaggen wehen hier keine im Wind, der amerikanische Traum findet hier nicht statt, und die Zukunft wird sich wohl auch nicht wirklich hierher verirren. Die Kleinstädte gleichen Geisterstädten, weil alle weggezogen sind. Die Straßen sind staubig, die Sonne brennt, Männer haben Schnurrbärte und tragen Cowboyhüte: „Hell or High Water“ packt den sozialen Kommentar in einen Genrefilm, der Neo-Western besingt das Land der mehr als begrenzten Möglichkeiten.

Ben Foster und Chris Pine in "Hell oe High Water"

Park Circus

I must to the bank. Die Brüder haben noch einiges vor.

Chris Pine ist wohl einer der wenigen Schauspieler, die unironisch einen Schnurrbart tragen können, die Geknicktheit seiner Figur verkörpert er bis in die Spitze seiner fettigen Haare. Er ist der überlegtere, besonnenere der beiden Howard-Brüder. Ben Foster gibt den Unberechenbaren, der jahrelang im Gefängnis war. Um das Band zwischen den beiden Howard-Brüdern sicht- und spürbar zu machen, brauchen Foster und Pine nicht viele Dialogzeilen. Und wer einen kleinen Blinzler in den manchmal recht irren Blick von Fosters Figur wagt, der kann sich auch ungefähr ausmalen, welches Schicksal Texas für ihn bereithalten wird.

Der Film weidet sich an der epochalen Landschaft, malt den Himmel in grellem Hellblau und bleibt einmal tatsächlich fast wehmütig an einem Cowboy hängen, der eine Rinderherde vor sich hertreibt und murmelt, dass sein Sohn diesen Job nicht mehr machen wird. Die Western-Zeiten sind vorbei, Sheriff und Native American sind hier in einem Team, sitzen nebeneinander in einem Auto und gehen ihrem Job als Texas Rangers nach.

SZenenbild aus Hell or High Water

Park Circus

Jeff Bridges gibt den sarkastischen Ranger, der noch einen Auftrag zu erledigen hat, bevor er in den Ruhestand geht. Dass diese Figur nicht zu einer Karikatur erstarrt, liegt an Bridges‘ Spiel. Gesetzesvertreter, Native American und Outlaw, der Neo-Western verstrickt diese Figuren des klassischen Westerns in eine hochspannende Geschichte. Und während „Hell or High Water“ die Genrekonventionen zu nutzen und brechen weiß, so erzählt es auch die Geschichte des Landes. Das Land, das einst die Siedler den Native Americans weggenommen haben, nehmen nun die Banken den Siedlern weg. Scheint irgendwie fast logisch und der zwingende Lauf der Geschichte zu sein, dass man nun den Banken das Geld wegnehmen müsse.

„Hell or High Water“ läuft ab 19. Mai 2017 in einigen österreichischen Kinos an

Drehbuchautor Sheridan hat schon mit „Sicario“ bewiesen, dass ein unglaublicher Spannungs-Zampano ist und ein Meister der vielschichtigen Geschichten. „Hell or High Water“ entwickelt einen Sog während einen die epochalen Bilder betören. Und am Soundtrack singt, passender geht‘s eigentlich gar nicht mehr, Nick Cave große Balladen der Trostlosigkeit.

Die Redewendung hell or high water angehängt an ein Versprechen (oder auch an Klauseln in Verträgen) bedeutet, dass man sich an etwas hält, komme was wolle. und come hell or high water sollte man sich „Hell or High Water“ unbedingt im Kino anschauen.

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