FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Szene aus "4 Blocks"

TNT Serie

Berlin Neukölln, mein Block

In erschlagend schöner Bildqualität kommt die aktuell spannendste Mafiosi-Geschichte aus Berlin Neukölln daher. Die Serie „4 Blocks“ heftet sich an die Spuren des libanesischen Hamady-Clans. Drogen, Prostitution, Glücksspiel. Und gebrochene Knochen.

von Lisa Schneider

Autoreifen quietschen, Sohlen klappern am Beton. He, du Hurensohn. Räum mal schnell das Material weg, die Kripo ist da.

Razzia ist angesagt in Neukölln, dem Berliner Verwaltungsbezirk. Im Mittelpunkt des Geschehens der „4 Blocks“ steht der sehr erfolgreich im Drogenumschlag verankerte Hamady-Clan. Immer wieder windet sich das Oberhaupt der Bande, Ali „Toni“ Hamady (Kida Khodr Ramadan), aus den Fängen der Polizei.

Ein Hamady-Bruder hat Mist gebaut, aber es wird schon jemand richten. Hätte nicht dieser bestimmte Jemand gerade eben beschlossen, auszusteigen. Und die illegalen Geschäfte mit Glücksspiel, Drogen und Prostitution hinter sich zu lassen. Toni will nämlich seiner Frau und jungen Tochter zuliebe die Hände nur mehr mit Olivenöl statt mit Blut waschen - immerhin bangt er um seine Aufenthaltsgenehmigung. Am Amt sitzend, Hand in Hand mit seiner Frau, wandelt sich der Gangsterboss dann zum Katzbuckler: 26 Jahre hat es gedauert, aber jetzt steht fest: Familie Hamady darf endlich auf unbegrenzte Zeit in Deutschland bleiben. Wäre da eben nur nicht die andere, die Gangsterfamilie.

Nach klassischen Mustern

Die Kluft zwischen Diplomatie und Brutalität, zwischen Drogenhandel und Kleinfamilie zeichnet sich im zerfurchten Gesicht, im etwas zu langen Bart, in den müden Augen Toni Hamadys ab. Seine Figur ist eine vielschichtige, man sieht ihn seine Tochter ins Bett bringen und liebkosen, man sieht, wie er einem Mann mit einem Hammer beinahe die Knie zertrümmert. Der Papa, der Pate, ja, der Neuköllner Tony Soprano. Die Hommage an diesen größten aller Mafiosi liegt nicht nur in der Namensgebung, auch sonst bedient sich „4 Blocks“ vieler klassischer Gangster-Klischees. Die Ansprüche der Serie sind dementsprechend hoch.

Szene aus "4 Blocks"

TNT Serie

Mafiosi-Klischee Bruderzwist: Toni muss die Macht gegenüber seinem jüngeren, stiernackigen Bruder Abbas (gespielt von Rapper Veysel Gelin) nicht nur einmal demonstrieren.

Etwa, wenn zwischen Ehre und Aufmucken hin- und herpendelnd der ältere (Toni) dem aufbrausenden jüngeren Bruder (Abbas) die Rangordnung aufzeigen muss. Es gibt nur ein Oberhaupt. Und scheiße nochmal, wenn den Job niemand Fähiger übernimmt, dann bleibt Toni nichts anderes übrig, als es weiterhin selbst zu machen. Der elegante Patriarch, der Ruhepol seiner aufgerüttelten vier Blocks. Wahrscheinlich einer der wenigen Drogenclan-Chefs, der seine Mitarbeiter mit Heinrich Heines „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ motiviert.

Das Klischee-Buffet ist eröffnet: Es gibt den verdeckten Ermittler, den ehemaligen Freund, der sich als Spitzel rächen will. Es gibt die schönen Frauen, die zwar das alles zwar nicht wollen, aber doch auch nichts dagegen tun können. Es gibt die innige und gefährdete Liebe zur Familie, die unter der Loyalität dem Clan gegenüber zu leiden hat. Loyal sind hier aber nicht alle: als Toni mit einer ebenfalls libanesischen Gruppierung wegen eines Drogentransports verhandeln will und darauf pocht, dass sie „doch Brüder wären“, wird ihm die Zugehörigkeit verweigert. „Wir sind keine Brüder. Unsere Väter sind in den Krieg gezogen, als eure Schafe gehütet haben.“

Jeder ist sich selbst der nächste, ethnische Zugehörigkeiten zählen einen Dreck. Einzig Blut ist immer noch dicker als Wasser.

Szene aus "4 Blocks"

TNT Serie

Lieber nicht aufmucken: Der Hamady-Clan steht für Loyalität, Diplomatie und gebrochene Kiefer.

Die Hackordnung jedenfalls ist klar, innerhalb der Familie, des Clans, der Gleichgesinnten und der anderen Banden. Schon die Jungspunde unter den Hamady-Anhängern kommandieren afrikanische Drogendealer im Park herum. Dem frisch zugezogenen, vollbärtigen Nordeuropäer wird in seiner eben eröffneten Hipster-Bar eine Abreibung verpasst. Er soll gefälligst Deutsch sprechen. Immerhin sind wir in Deutschland.

Migrationsproblematik im Kiez

Der österreichische Regisseur Marvin Kren, der nicht nur für einige „Tatort“-Folgen, sondern auch für den erfolgreichen Film „Rammbock“ verantwortlich war, führte Regie bei „4 Blocks“. Vom „Tatort“ und anderen Spielfilmproduktionen kennt man auch den Hauptdarsteller Kida Ramadan, ein Glücksgriff für diese Rolle. Er ist selbst als Kind libanesischer Einwanderer in Neukölln aufgewachsen, weiß, was es heißt, aus dem Krieg in ein fremdes Land zu flüchten und dort dann jahrelang mit befristetem Aufenthaltsstatus zu bangen. Was unter anderem bedeutet, selbst kein Geschäft betreiben zu dürfen. Und, fast noch schlimmer, dass die Kinder nicht der Schulpflicht unterliegen, was zu vermehrten Schulabbrüchen oder gar keinen -besuchen geführt hat.

Es geht um die Flüchtlinge, die nach dem libanesischen Bürgerkrieg von 1975 nach Berlin gekommen sind, und gleichzeitig um die akute Flüchtlingslage seit dem letzten Jahr. Das Autorentrio Richard Kropf, Bob Konrad und Hanno Hackfort wollte zunächst nur eine Gangstergeschichte schreiben. Dass es sich um einen arabischen Clan handeln wird, war zunächst sekundär. Als aber gerade während ihrer Schreibarbeiten die Flüchtlingsdebatte laut wurde, entschieden sie sich für die Erzählung mit Blick aus dem Clan heraus. So entstand auch die erwähnte Szene der Hamadys am Amt.

Szene aus "4 Blocks"

TNT Serie

Kida Khodr Ramadan spielt den „Paten von Neukölln“, Ali „Toni“ Hamady. Man kennt den aus dem Libanon stammenden Schauspieler aus diversen „Tatort“-Folgen und anderen Spielfilmproduktionen.

Zur Bekämpfung der so hohen (Jugend-)Drogenkriminialität in Neukölln hat sich vor kurzem Bürgermeisterin Franziska Giffey zu Wort gemeldet. Sie will mehr Kameras, vor allem am Bahnhof, installieren lassen. Als sie dort kürzlich einen Rundgang gemacht hat, hat ihr Team innerhalb von eineinhalb Stunden 35 Spritzen gefunden.

Authentischer geht nicht

Neben dem erwähnten Hauptdarsteller Kida Ramadan und etwa Oliver Masucci, ehemaliger Burgtheaterschauspieler, der den hämisch grinsenden Polizisten spielt, wurde der Cast großteils aus dem Clan-Milieu Neuköllns zusammengesetzt. Die Authentizität der Dialoge entstand bei den Dreharbeiten nicht selten anhand des Inputs der Insider und Schauspiellaien.

Tonis jüngere Brüder Abbas und Latif werden von zwei bekannten Rappern gespielt. Veysel Gelin, der Abbas als plakativ-machoiden Stiernacken gibt, saß für Körperverletzung mit Todesfolgen schon drei Jahre im Gefängnis. Massiv spielt einen in sich gekehrten, brutalen Schläger. Auch Rapper Gringo ist dabei. Gemeinsam haben sie den Theme-Song der Serie beigesteuert.

Die erste Staffel von „4 Blocks“ kann man auf TNT Serie sehen. Sie ist auch bei Amazon Video, iTunes oder Google Play erhältlich.

Seine „4 Blocks“ verteidigt Toni Hamady wie ein Löwe – aber wem gehören sie wirklich? Wem gehört Neukölln? Den alten Deutschen? Den mittelalten Arabern, die mittlerweile angestammt gut ihre Geschäfte hier betreiben? Den jungen Hipstern, die dank Gentrifizierung und indoktrinierter Multikulti-Affinität hier gern ihre veganen, laktosefreien Zelte aufschlagen wollen?

„4 Blocks“ ist soziologische Studie und überhöhtes Drama. Zerstört wird die letztmögliche Naivität. Was bleibt, ist gutes Gangsterkino.

mehr TV-Serie:

Aktuell: