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Die Erben von „Twin Peaks“

Wir wissen es: „Twin Peaks“ von Mark Frost und David Lynch hat das Fernsehen für immer verändert. 10 Serien, die überdeutlich Jünger der Show sind.

Von Philipp L’heritier

Ohne Zweifel: das Serienereignis des Jahres. In der Nacht von 21. auf 22. Mai läuft die neue Staffel von „Twin Peaks“ an. „Twin Peaks“ hat alle beinflusst, von „Lost“ bis „Desperate Housewives“. Überdeutlich zu sehen ist das an folgenden Beispielen:

„Twin Peaks“, die neuen Folgen ab 21. Mai (in der Nacht auf 22. Mai) auf dem Streamingdienst Sky Ticket.

„Wild Palms“ (1993)

Weirder als „Twin Peaks“. Die von Oliver Stone produzierte 5-teilige Miniserie wurde vor Erscheinen auch gleich großspurig als Art „neues Twin Peaks“ vermarktet, als Eventfernsehen. Eine Demonstration der Möglichkeiten, die im Fernsehen um- und durchzusetzen sind, als absurdes, spinnertes Prestige-Projekt, in dem sich Regisseure austoben dürfen. Bei „Wild Palms“ war das beispielsweise für eine Episode Kathryn Bigelow.

Die Show ist in einem surrealen, sonnendurchfluteten Los Angeles des Jahres 2007 – das war damals die Zukunft – angesiedelt und folgt dem unguten Treiben eines faschistischen, offensiv in der Nähe von Scientology angesiedelten Kults. Als Senator: Robert Loggia. Psychedelik, bizarre Verbildlichungen von Virtual Realtiy, Drogenrausch, Halluzinationen, Body Horror. Albernheit und Verwirrungen zischen David Lynch und David Cronenberg. In der Hauptrolle, of all people: James Belushi.

„Happy Town“ (2010)

Diese Show heißt „Happy Town“. In einer pittoresken Kleinstadt ist gar nicht alles so „happy“, wie es scheint. Ein mysteriöser Bösewicht treibt hier sein Unwesen – man nennt ihn den „Magic Man“. Hinterwäldler und kauzige Typen, Geheimnisse. Die C-Movie-Variante von „Twin Peaks“, mit luftigerer, leichterer Note. Nice Touch: Eine wichtige Rolle, angeblich, spielt in der Show ein - fiktiver - in Geheimstlogen mythenumrankter, deutscher Spielfilm des Expressionsimus der 1920er: „Die blaue Tür“.

Happy Town Cast

ABC

Die erste und einzige Staffel von „Happy Town“ hat nur 8 Episoden, nach 6 wurde die Show abgesetzt – wie es scheint, haben die Macher der Serie das vorab gewusst und schmeißen in die letzte Episode noch den gesamten Blödsinn und hanebüchenen Unfug hinein.

„Persons Unknown“ (2010)

Kaum bekannt, trotz relativen Staraufkommens, z.B. Alan Ruck, Chadwick Boseman. Liegt wohl am Trash-Faktor. Sieben einander Fremde erwachen in einem Hotel in einer Geisterstadt. Wer hat sie hierhin gebracht? Ähnlich wie in „Twin Peaks“ versprüht die Stadt antiquiertes, aus der Zeit gefallenes Flair, stark an den 50er-Jahren orientiert – verlassen können sie unsere Laborratten nicht.

Die gesamte Stadt ist mit Überwachungskameras gespickt, über den Sinn und Zweck des Unterfangens bleiben Beteiligte wie Zuseher im Dunkeln. Geiselhaft? Fegefeuer? Sozial-Experiment? Überwachen und Strafen mit solider Suspense und Billig-Charme.

„Wayward Pines“ (2015)

M. Night Shyamalan trifft „Lost“, trifft „Twin Peaks“, trifft „X-Files“. Es liegt ein idyllisches Städtchen inmitten von mächtigen Wäldern. Es heißt Wayward Pines. Alles scheint still und geordnet und altmodisch stressfrei. Kleine Shops, altes Handwerk, Holz. Man ahnt es: Es kann nicht so ganz mit rechten Dingen zugehen.

Einen Agenten (Matt Dillon) verschlägt es unfreiwillig nach Wayward Pines, er kann sich keinen Reim auf die seltsamen Vorgänge im Dörfchen machen, das wie eine konstruierte Kulissenstadt wirkt. Hinter der Fassade schlummert faschistisches Regime. Gegen Ende der ersten Staffel verstrickt sich die Serie immer stärker in den eigenen Mysterien, Staffel zwei wird eine schon fast komplett neue Show.

Mehr zu „Wayward Pines“

„The Killing“ (2011 – 2014)

Der Nordwesten der USA. Es regnet. Die Tage sind blassblau. Die Tagline von „The Killing“ lautet: „Who killed Rosie Larsen?“ Mysteriöser Mädchenmord, familiäre Verstrickungen und Verwicklungen, Prostitution, Korruption, ein Kasino. „The Killing“ basiert zwar lose auf der dänischen Serie „Forbydelsen“, erweitert das Szenario dabei um Motivwelt und die sinistre Färbung von „Twin Peaks“.

Szene aus The Killing

Fox

Humor fällt weg, dafür gibt’s kalten Sozialrealismus und Beklemmung. Starker Beginn, starkes Ensemble, stetiger Leerlauf in die Bedeutungslosigkeit. Konstanter Abstieg in konventionelles Fernsehkrimi-Entertainment, gut gemacht.

„Top of the Lake“ (2013)

Ähnlich gelagert wie „The Killing“, dabei meisterlich in Szene gesetzt. Die große Elisabeth Moss geht im ruralen Neuseeland dem Verschwinden eines 12-jährigen, schwangeren Mädchens auf den Grund. Natur, Bedrückung, Geheimnisse. Hinter Türen warten böse Einsichten. Auch in der Vergangenheit unserer Hauptfigur schlummern unerfreuliche Nachrichten. Eine der besten Shows der jüngeren TV-Geschichte, noch dieses Jahr soll Staffel 2 folgen: „Top of the Lake: China Girl“.

Mehr zu „Top of the Lake“

„The Lost Room“ (2006)

Eine 6-teilige, leicht alberne Mini-Serie, in der sich neben Twin-Peaks-Retro-Charme die Twilight Zone und Stephen King begegnen, in einem unheimlichen Zimmer, in einem heruntergekommenen Motel. Das verlorene Zimmer existiert außerhalb von Raum und Zeit, mit einem magischen Zimmerschlüssel kann man durch jede Tür der Welt hinein gelangen. Auf der Suche: Peter Krause („Six Feet Under“). Eine amüsante Schnitzeljagd, die sich mehr und mehr im eigenen außerweltlichen Konzept verrennt.

„Bates Motel“ (2013 – 2017)

Klarerweise basiert „Bates Motel“ auf Hitchcocks „Psycho“, dabei reichert die Serie die Ursprungs-Story von Frauenmörder Norman Bates um Kleinstadtmystery, quirky Charaktere und schiefen Soap-Opera-Charme an. Prickelnd, unangenehm, wechselhaft.

Teenagerliebe und ungesunde Mutterverehrung, Drogenhandel, Gewalt und die Schatten der Vergangenheit. Mit Vera Farmiga und Freddy Highmore zwei herausragende Hauptdarsteller, eine schwer unterschätzte Show, vor allem in ihren letzten beiden Seasons.

„Riverdale“ (2017)

Archie trifft „Twin Peaks“. So wurde „Riverdale“ offiziell angekündigt. Die seit den 40er-Jahren in den USA hochpopulären, kindlich-harmlosen Comics rund um den großäugigen Archie Andrews und seine Highschool-Gang bekommen ein modernes Update und düsteren Anstrich. Mordfall, und wieder: familiäre Verwicklungen, Intrigen.

Junge Menschen in einem Diner

CBS/Warner Bros

Cheerleading, Football, Milkshaketrinken im Diner, Drogen. Sexuell geladen, stark schwankend, immer entertaining. Luke Perry spielt mit, Mädchen Amick spielt mit. So ist „Riverdale“.

„Bellevue“ (2017)

„The Killing“, „Top of the Lake“ und „Twin Peaks“ in der Reißbrettvariante, spannend, bedrückend, mitreißend, verwirrend, orientierungslos. Diesmal befinden wir uns tatsächlich in Kanada, Kleinstadt, all ihre seltsamen Bewohner. Diner, dunkle Divebars, blitzelnde Neonreklamen, es ist etwas faul. Vieles sogar.

Anna Paquin forscht dem Mord an einem Teenager nach, ein unsichtbarer Beobachter lässt ihr kryptische Botschaften zukommen. Der Mythos „Twin Peaks“ ist zum Standard geworden.

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