FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Szene aus Serie "Hindafing"

Bayerischer Rundfunk

Ein Näschen gefällig?

Ein bayerischer Bürgermeister ist abhängig von Crystal Meth - und das ist nicht einmal sein größtes Problem. Die Fernsehproduktion „Hindafing“ entspricht zwar noch nicht ganz einem deutschen „Breaking Bad“. Könnte aber noch werden.

Von Lisa Schneider

Ein Mann liegt, geknebelt und gefesselt, in einer Kühltruhe. Schnell aufmachen, er stöhnt und wimmert, Wasser reingespritzt, zugeklappt.

Schon die Eröffnungsszene von „Hindafing“, einer Serienproduktion des Bayerischen Rundfunks, lässt an die guten alten Zeiten zurückdenken, als Bryan Cranston als Walter White noch Meth-Leichen in der Badewanne in Säure aufgelöst hat. Auch der Bürgermeister des fiktiven Städtchens Hindafing, Alfons Zischl, hat Ahnung von Methamphetamin – bzw. eigentlich nur davon, wo er es her bekommt. Da gibt es diesen Typen, der statt in einem Wohnwagen in der Wüste in einem Zirkuswagen an einem See sein Zeug kocht. Leider in schlechter Qualität, und leider sehr dilettantisch, weshalb die hübschen, aufgemalten Clowngesicher schon recht bald, in der zweiten Episode, in Flammen aufgehen werden.

Am Tatort, äh, Unfallort befunden hat sich wer? Natürlich der Zischl.

Szene aus Serie "Hindafing"

Bayerischer Rundfunk

Alfons Zischl war lange nur als „Junior“ bekannt, aber endlich gibt sein Vater den Löffel ab. Dessen politisches Vermächtnis möchte er am liebsten so weiterführen, dass sich der alte Herr „no im Grob umdraht“. Der Vater hat ihm nämlich nicht nur nichts vermacht, er hat auch noch das übriggebliebene Geld vor seinem rechtmäßigen Erben versteckt - auf Panama.

Zischl Junior steht jetzt also da, hoch verschuldet, kurz vor der Pfändung, und ohne Mittel, seine Drogensucht zu finanzieren. Er wird nervös. Wenn er sich nicht gerade vor seinen Peinigern versteckt, versucht er, seine Position zu verbessern. Oder noch lieber: Dinge zu versprechen, die er nicht halten kann. Um die Scheinmoral zu kaschieren, bleibt keine Zeit. Schnell wird ein Flüchtlingsheim aus dem geplanten Super-Bio-Einkaufszentrum „Donauvillage“, dessen Errichtung ein paar wütende Mäuler und ihr Geschrei nach Innovation der grauen bayerischen Betonprovinz hätte stopfen sollen.

Aber immerhin will das der Landrat so, und der hat Geld. Und das braucht Zischl dringender als eine Öko-Beautyline und Stände voll mit Biogemüse.

Serie aus Serie "Hindafing"

Bayerischer Rundfunk

Bürgermeister Zischl Junior mit seiner Mutter und seiner Frau bei der Beerdigung seines Vaters. Freuden- statt Trauertränen.

Alle, alle wollen was von Zischl

Aus einem Problem ergibt sich das nächste, wie sollte es auch anders sein, Alfons Zischl zieht sie magisch an. Da gibt es neben seiner schönen, jungen und untalentierten Frau Marie auch noch „die Jackie“, bitte in schönstem tiefsten bayerischen Denglisch zu betonen, von der er die Finger beim letzten Bierfest leider nicht lassen konnte. Das ist jetzt schon ein paar Jahre her, ungefähr sechs, so wie die uneheliche Tochter eben alt ist. Der Vater von Jackie ist nur einer der Personen, die drohen, Zischl das Leben zur Hölle zu machen. Einen Beautysalon, den hätte die Jackie kriegen sollen, eben da, wo jetzt die Flüchtlinge sitzen.

Szene aus Serie Hindafing

Bayerischer Rundfunk

Karl Spitz (Heinz Josef Braun) ist gar nicht glücklich darüber, dass Zischl seine Tochter Jackie heimlich geschwängert hat. Noch unglücklicher ist nur Zischl selbst.

Und als wäre das alles nicht genug, beschweren sich die auch noch, fordern die erwartete deutsche Stringenz und Ordnung. Weil so, ohne Einzelzimmer und W-Lan, ja so kann das wohl wirklich nicht laufen. Und Zischl? Der verspricht weiter.

„Bio“-Gammelfleisch und „heimliche“ Prostitution

„Hindafing“ ist eine Brutstätte von Intrigen, Drohung und Erpressung, ein Kaff, in dem nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern laut getratscht wird - und natürlich ist jeder sich selbst der nächste. Da hätten wir etwa den Bio-Schlächter, der sich dann doch lieber Gammelfleisch aus der Ukraine liefern lässt. Seine überkandidelte Frau geht währenddessen, um ihr Taschengeld ein bisschen aufzubessern, an der Tankstelle wenig subtilen Liebesdiensten nach. Zischl aber, der illustre Idiot, sticht unter all den Wutbürgern, die ihn regelmäßig psychisch wie physisch für seine Fehltritte bestrafen, immer um einen noch heller leuchtenden Stein in der Narrenkappe heraus.

Szene aus Serie "Hindafing"

Bayerischer Rundfunk

Nicht nur in seinen drogengeschwängerten Tagträumen verfolgen ihn die Hindafinger Wutbürger: Bürgermeister Alfons Zischl, gespielt von Maximilian Brückner.

Zischl ist ist genau der opportunistische Politiker, den niemand will. Er lässt sich immer verführen und einwickeln, kaum wittert er seinen eigenen Vorteil. Und trotzdem, irgendwie leidet man mit ihm. Oder besser gesagt: man wird zum besessenen Voyeur seiner Fehltritte. Die Situationskomik und der bitterbös-gallige Humor erlauben das Amüsement, auch wenn die beobachtete Figur eigentlich eine tragische ist.

Alle bis jetzt veröffentlichten Folgen von „Hindafing“ kann man auf der Website des Bayerischen Rundfunks gratis streamen.

„Hindafing“ zeigt kein verstaubtes Bayern mit Lederhose, Brezn und Weißwurst – weder inhaltlich noch visuell. Durch die Zusammenarbeit von Regisseur/Autor Boris Kunz und Autor Niklas Hoffmann mit der Hochschule für Film und Fernsehen sowie der Mitarbeit der Münchner Produktionsfirma Neue Super (Serie „Blockbustaz“) ergibt sich ein locker-lässiges Serienimage, das der rasanten Erzählung nicht im Weg steht. Der Grauschleier über den Bildern verleiht den Aufnahmen ein cooles Outfit, die oft angeschrägten Einblicke und abgehackten Schnitte tun das ihre dazu. Aktuelle politische Themen wie Energiewende, Flüchtlingskrise oder Panama Papers werden da wie nebenbei, federleicht und gut verdaulich, zum Entertainment.

Zu bemängeln gibt es an „Hindafing“ nur zwei Kleinigkeiten. An mancher Stelle kippt die subtile Satire in überzeichneten Slapstick. Und, man braucht als ZuseherIn vor allem anfangs etwas Geduld: das Intrigennetz, das sich über Hindafings Gesellschaft spannt, will erst einmal entwirrt werden, bevor der Spaß so richtig losgehen kann. Das ist dann der Moment, in dem der erboste Meth-Dealer Zischls Zeigefinger abbeißt. Willkommen in Hindafing!

mehr TV-Serie:

Aktuell: