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Marteria

Green Berlin (Sony Music)

Marteria ist gelandet

Marteria ist mit seinem metaphorischen Ufo gelandet und hat sein neues Album „Roswell“ veröffentlicht. Eine von intimen Texten geprägte Rap-Platte, die dem Anspruch des Künstlers, sich bei Songs nicht zu wiederholen, gerecht wird.

von DJ Phekt

Am Anfang war da dieses, von Nebelschwaden umhüllte, verwitterte Ortsschild mit der Aufschrift „Rostock“ in seinem Kopf, dessen Lack in der Dämmerung abblättert und langsam den Schriftzug „Roswell“ freilegt. Marteria wird zu Marteria51. Aliens zur Metapher für Außenseiter. Dieses Bild war der rote Faden im Entstehungsprozess von „Roswell“.

Aliens welcome

Wer denkt, der Rapper würde auf dem neuen Album seine Affinität zu Außerirdischen lyrisch ausleben, täuscht. Es geht um das Gefühl eines Alien-artigen Zustands, wie man ihn beispielsweise von Reisen in fremde Länder kennt. Der von permanentem Fernweh angetriebene Marteria verbringt ca. die Hälfte des Jahres im Ausland und muss dabei regelmäßig seine Komfortzone verlassen. Dass er in Deutschland Popstar ist, tut im Dschungel oder auf den Galapagos-Inseln nichts zur Sache. Sich dem Unbekannten stellen, fremde Sprachen und Kulturen kennenlernen, Verbindungen knüpfen, den eigenen Horizont erweitern. Über Musik oder Fußball kommt man sich laut Marteria in allen Teilen der Welt schnell näher.

Auch Menschen, die ihre Heimat verlassen um woanders ein neues Leben zu starten, fühlen sich oft wie Außerirdische (und werden auch so behandelt). Ein Thema, das den gemeinsamen mit Yasha & Miss Platnum aufgenommenen Song „Elfenbein“ inspiriert hat. Die Beiden sind übrigens neben Teutilla (dem Frontmann der Beatsteaks) die einzigen Gast-Vokalisten auf „Roswell“.

Marteria

Green Berlin (Sony Music)

Kredibile Ohrwürmer

Der Rostocker Rapper ist dafür bekannt, mit seinen Texten Bilder im Kopf der Hörerinnen und Hörer zu zeichnen. Das Einzig,e was er wirklich gut kann, wie er im Interview mit einem breiten Grinser im Gesicht erzählt. Wobei es auf dem neuen Album weniger um eine Aneinanderreihung lustiger Wortspiele oder Metaphern geht. Auf „Roswell“ gibt Marteria sehr viel Intimes von sich preis. Auf „Tauchstation“ erzählt er zum Beispiel von einem fast fatalen Nierenversagen vor ein paar Jahren. Seitdem hat Marteria dem wilden Partyleben abgeschworen. Er greift mittlerweile zu Wasser statt Bier, hat sich aus Berlin zurückgezogen und lebt an der Ostsee. Dort, wo er seiner Angel-Passion in Ruhe nachgehen kann, die ihn auch zu dem Song „Blue Marlin“ inspiriert hat.
Die ultimative Trophäe jedes Anglers, der er einen ganzen Song widmet und indem er auch die Widersprüchlichkeit thematisiert, einen Fisch zu fangen und töten, den man eigentlich für seine Schönheit bewundert und für den man um die ganze Welt reist.

„Große Brüder“ ist ein 80er Jahre-Flashback, der nostalgische Gefühle der eigenen Kindheit aufkommen lässt. Marterias Hommage an alle großen Brüder da draußen.

Das neue Marteria-Album ist frei von Lückenfüllern. Das würde anders gar nicht gehen. Denn gemeinsam mit seinem dreiköpfigen Berliner Produktionsteam „The Krauts“ (unter anderem bekannt durch Produktionen für Peter Fox, Miss Platnum, etc.) gibt es die Regel, dass nur veröffentlicht wird, was alle vier für ultimativ gut halten. Legt nur eine Person ein Veto ein, kommt der Track nicht raus. Die Gänsehaut als Gütesiegel.

Dabei wirkt es so, als hätte Marteria das Geheimrezept für kredibile Ohrwürmer gefunden. Er schafft spielerisch den Spagat zwischen massentauglichen Hits und Headliner-Slots bei „Rock am Ring“, ohne seine Credibility als unfassbar guter Rapper in der Szene zu verlieren. Die abwechslungsreich klingenden und geschmackssicheren Produktionen auf „Roswell“ klingen verglichen mit älteren Alben des Künstlers wesentlich weniger elektronisch und mehr nach klassischer Rap-Musik.

German in New York

Zwei Punkte, die im Zusammenhang mit Marteria immer wieder erwähnt werden, sind seine Vergangenheit als angehender Profi-Fußballer bei FC Hansa Rostock und die Tatsache, dass er als Jugendlicher von einem Scout entdeckt wurde und als Model bei einer Agentur in New York unter Vertrag war.

Diese glamourös klingende Model-Geschichte entzaubert Marteria auf dem Song „Skyline mit zwei Türmen“. Heimweh, Geldmangel und das Gefühl, alleine zu sein, waren während seiner Zeit als Teenager in New York Ende der 90er Jahre omnipräsent. Gleichzeitg hatte er die einzigartige Gelegenheit, als junger deutscher Rapper hautnah das Geschehen im Hip Hop-Mekka mitzuerleben, was seine eigenen Karriere wesentlich geprägt hat.

Antimarteria

Die Musikvideos zu „Aliens“ und „Das Geld muss weg“ wurden in südafrikanischen Townships gedreht. Gemeinsam mit Specter (deutscher Graffiti-Writer, ehemaliger Aggro-Berlin-Gründer) und einem Filmteam war er mehrere Wochen dort, um neben diversen Musikvideos auch noch einen zum Album gehörenden Spielfilm namens „Antimarteria“ zu drehen. Ein teures, unfassbar aufwändiges Unterfangen, das ihn an sein finanzielles Limit gebracht hat und das hoffentlich bald erscheinen wird. Obwohl Marteria eine Schauspiel-Ausbildung gemacht hat, bezeichnet er sich selbst nicht als außergewöhnlich guten Schauspieler. Er ist selbst sein größter Kritiker und weiß genau, wo seine Grenzen liegen, was er gut und weniger gut kann. Eine sympathische Eigenschaft, die vielleicht auch seinen unfassbaren Erfolg erklärt.

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