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Cigarettes After Sex

Partisan Records / Ebru Yildiz

artist of the week

Heimlich, still und leise

Die US-Band Cigarettes After Sex begeistert mit romantisch dunklem, geheimnisvollem Indierock und veröffentlicht endlich ein Album. Cigarettes After Sex ist der FM4 Artist Of The Week.

Von Eva Umbauer

Warum rauchen manche Menschen eigentlich nach dem Liebespiel? Um das „Runterkommen“ könnte es im Bandnamen von Cigarettes After Sex gehen, um das Sich-Entspannen, obwohl Tabak ja eigentlich anregend wirkt. Lassen wir den Sex aber einfach weg, bleiben trotzdem im Bett. Die Musik von Cigarettes After Sex soll schließlich auch bei Schlafstörungen helfen. „Starry Eyes“ oder „Nothing’s Gonna Hurt You Baby“ zart in den Gehörgängen nachhallend und schon ist man im Land der Träume.

Greg Gonzalez, der Songschreiber, Sänger und Gitarrist von Cigarettes After Sex, hat jedenfalls nichts dagegen, wenn seine Musik als Einschlafhilfe dient. Überhaupt wirkt der gebürtige Texaner, der inzwischen in New York lebt, mehr wie ein stoischer Typ als ein aufgekratzter Band-Leader, auch wenn er den Aufstieg von Cigarettes After Sex weiterhin intensiv und hochemotional erlebt.

Greg Gonzalez: All my songs are based on true people, on true stories, even if it’s a song that’s a little more imaginative like „Apocalypse“, it’s definitely based on real characters.

Mit den hypnotischen Songs von Cigarettes After Sex ist es so, als ob sie die Zeit anhalten würden. Vergleiche von Mazzy Star bis Beach House sind schnell zur Hand, jedoch setzen Cigarettes After Sex auf einen Frontmann und nicht wie genannte Bands auf eine Sängerin. Die androgyne Stimme von Greg Gonzalez, die langsamen Takte, die fließende Bewegung der Stücke, die groß angelegten Spannungsbögen, die zurückgenommene Gitarre haben eine faszinierende Sogwirkung.

In den 90er Jahren hieß so ein Sound gern „Slowcore“, und würde Greg Gonzalez das nur nachmachen, dann wäre die Musik von Cigarettes After Sex wohl wie eine Parodie, aber Gonzalez ist dafür ohnehin ein zu begabter Songschreiber und nennt seine Musik auch lieber „Ambient Pop“ und nicht „Slow Pop“, schließlich ist er auch ein Fan des englischen Elektronik-Meisters Aphex Twin. Greg Gonzalez liebt aber auch Dream-Pop-Pioniere wie die schottische Band The Cocteau Twins, die melancholische Sixties-French-Pop-Ikone Francoise Hardy oder den Meister der langsamen und so poetischen Dunkelheit - Leonard Cohen.

Cigarettes After Sex

Partisan Records / Ebru Yildiz

Cigarettes after Sex sind: Greg Gonzalez (Stimme, Gitarre), Phil Tubbs (Keyboards), Randy Miller (Bass) und Jacob Tomsky (Drums).

Greg Gonzalez - er ist von eher zarter Statur - wirkt wie ein schwarzgewandeter Postrock-Rumpelstilz, aber einer, der nicht ausflippt und nie die mögliche große Gewalt der Gitarre nutzt. Keep it mellow, scheint das Motto von Greg Gonzalez zu sein, immer gefährlich sanft bleiben und unaufgeregt - die freudige Aufregung kommt dann ohnehin von den Fans, auch wenn die (Liebes-)Lieder des Greg Gonzalez keineswegs unkompliziert sind.

Er selbst nennt seine Songs am liebsten „memoirs“, also Erinnerungen. „Nothing’s Gonna Hurt You Baby“ vom 2012 erschienenen Minialbum „EP I“ ist etwa so ein Song. Every image in that song is real, there’s nothing that was invented, sagt Greg Gonzalez im FM4-Interview über diesen Song, der Cigarettes After Sex so viel Glück gebracht und zu Stars eines neuen, ja, „Emo“ gemacht hat.

„Nothing’s Gonna Hurt You Baby“ wurde im Zuge der 2015er Single „Affection“ größer entdeckt und bis heute rund fünfzig Millionen Mal auf YouTube angeklickt. Dabei bezeichnet Greg Gonzalez diese erste EP als eine Art „accident“, einen Unfall, oder zumindest als nicht mehr als ein musikalisches Herumspielen. Aufgenommen hatte Greg die Songs in einem Stiegenhaus der Universität in El Paso, Texas, wo er Musik studierte. Der Ort schien ihm besonders gute Klangverhältnisse zu haben und der ätherischen Intimität seiner Songs zu schmeicheln.

Heute präsentiert Greg Gonzales diese Songs vor einem Publkum, das schon mal mehrere Tausend Menschen umfasst. Auf der Bühne hat er meist die Augen geschlossen, aber zwischendurch blinzelt er den Menschen entgegen und murmelt etwas. Das Phänomen Cigarettes After Sex, wie es leibt und lebt.

Der Musiker als Maler und Regisseur

Jetzt ist aber endlich das erste komplette Album von Cigarettes After Sex da, und es heißt genauso wie die Band. Wer das physische Produkt bezieht - also CD oder Vinyl -, hält ein schwarzes Ding mit weißer Aufschrift „Cigarettes After Sex“ in den Händen. Greg Gonzalez und Co haben auch ein Gespür für das Visuelle, und orientierten sich hier vielleicht an Man Ray. Der in den 1970er Jahren in Paris verstorbene US-Fotograf, Maler, Regisseur und Objektkünstler war ein bedeutender Vertreter der Moderne. Überhaupt stellte sich Greg Gonzalez eine große noch leere Malerleinwand vor, als Cigarettes After Sex mit ihrem Album begannen, aber er stellte sich auch eine Filmleinwand vor: This is like the novel or feature-length version of Cigarettes. I wanted it to feel like a complete work, where some of the imagery repeats - like it’s all in the same world. I’s very much a fulfilment of the feelings in the short works.

Cigarettes After Sex: Plattencover

Partisan Records

Cigarettes After Sex - das Album wird am 9.6.2017 veröffentlicht.

Songs wie „Flash“, „Opera House“, „Each Time You Fall In Love“ oder „Young Dumb“ lassen einen dann etwa auch gleich an Angelo Badalamenti und Twin Peaks denken oder an einen 60er-Jahre-Klassiker vom großen italienischen Filmregisseur Michelangelo Antonioni oder auch an den so einflussreichen polnischen Art-House-Filmemacher Krzysztof Kieslowski.

„Young Dumb“ ist der letzte Song am Album, die finale Szene in diesem „Film“ von Cigarettes After Sex. Im Text von „Young Dumb“ heißt es „Drive your car to the beach with the song on repeat, oh baby.“ Aber auch schmutzig wird es in diesem süß anmutenden Dark-Pop-Stück: Von „sucking cock“ ist die Rede, aber es ist nicht nur die „senorita“ ein „cheater“, nein, auch er, Greg Gonzalez, ist einer, der sich selbst zart geißelt, wenn er den Boshaften gibt, der von einem Ort singt, wo, äh, „the girls are young and dumb“.

Einmal Held sein

Aber auch ein Cowboy kommt vor in diesem „Streifen“ von Greg Gonzalez: „John Wayne“ heißt der Song über einen unglücklich Verliebten, einen „Verlierer“, der endlich auch einmal gewinnen dürfen soll, wie sich Greg Gonzalez dachte. Das sind Songinhalte, mit denen sich wohl die meisten Menschen identifizieren können, vielleicht ja deshalb die stetig wachsende Fanschar von Greg Gonzalez und Cigarettes After Sex.

Greg Gonzalez: I had a friend who was going through a rough time with a girl that he was in love with. And the thing was that he had done this before. He had been obsessed with a girl before and just could not get over her. But then he fell in love with another girl, but again he was in love with someone but could not get to the next step with them. It was frustrating for him. It was like him against the world. It was the „Why can’t I have the girl that I want?“ thing. I saw him like he was the hero in his own story, playing that role. I likened him to the Western character - he’s gotta triumph.

Loving girl singers more than boy singers

Die Singstimme von Greg Gonzalez ist so ganz anders als seine sonore Sprechstimme. Loving girl singers more than boy singers, erklärt Greg Gonzalez den Ursprung seiner leicht androgynen Stingstimme: There’s such a disconnect between my talking voice and the way that I sing. I used to sing differently, more outward, it was more influenced by The Jesus & Mary Chain and Morrissey . But then I got into Francoise Hardy and Hope Sandoval from Mazzy Star and Julee Cruise, and I wanted to adapt that kind of sound. It was such a strong influence and I took it in and made it my own.

Cigarettes After Sex spielen im Juli 2017 beim Out Of The Woods Festival in Wiesen im Burgenland.

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