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Bachmannpreis

„Wurzelloser Rettich“

Belustigt und entspannt hat Barbi Markovic ihren Text „Die Mieter“ gelesen. Ein ironisch/humorvoller Text, der die Jury gefordert hat.

von Daniel Grabner

Barbi Markovic („Ausgehen", Superheldinnen“) verdient jetzt schon den Preis für das beste Videoporträt. „Ohne Tomaten ist alles nichts“, sagt sie darin und zählt ihre guten und ihre schlechten Jahre auf, nicht ohne ein Lachen unterdrücken zu müssen.

Heute Vormittag, gleich nach der sehr guten Lesung des Österreichers Ferdinand Schmalz, kam die Wahlwienerin mit serbischen Wurzeln und ihr Text „Die Mieter“ zum Zug. Darin beschreibt sie eine Familie, die in einer Wohnung lebt, die mehr ist als nur Lebensraum. Die Wohnung ist für die Familie der klebrige Boden des Zusammenhalts, der kommunalen Identität, ein Minimundus des Patriotismus und Nationalismus. Die Jury reagierte verhalten.

Lesung und Jurydiskussion findet ihr hier.

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In deinem Videoporträt erzählst du, die Übertragungen vom Bachmannpreis bisher kaum angesehen zu haben, direkt im Anschluss beschreibst du die Wohnsituation deiner Kindheit, in der drei zerstrittene Familien in einer Drei-Zimmerwohnung gelebt haben. Man bekommt den Eindruck, dass hier der „Hochkulturevent“ „Bachmannpreis“ den prekären Verhältnissen deiner Jungend gegenübergestellt werden. Wie siehst du den Bachmannpreis?

Ich hab mir bisher nie darüber Gedanken gemacht. Jetzt wo ich hier bin, würde ich ihn schon als Hochkultur-Event bezeichnen, allerdings ist es viel spannender als ich dachte, was das Zuschauen angeht. Am wenigsten spannend ist es wahrscheinlich für die, die mitmachen. Aber es ist witzig zu sehen, wie alle diese Menschen unter dem Zelt wirklich akribisch die Texte lesen und auch gemeinsam umblättern. Es ist besser, als ich erwartet habe.


Du warst auch während deiner Lesung auch immer wieder belustigt und hast auch bisher als einzige eine gewisse Lockerheit während der Lesung und auch der Jury-Diskussion ausgestrahlt.

Ich war schon nervös vorher, ich konnte nicht schlafen, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Und im Moment war ich tatsächlich entspannt und hab‘ mir alles mit Interesse angehört, war amüsiert. Vielleicht trifft es mich später und ich bringe mich hinter irgendeiner Ecke um (lacht).

Die verschiedenen Bedeutungsebenen deines Textes sorgten für einigen Gesprächsstoff innerhalb der Jury. Hast du eine bestimmte, konkrete Parabel angelegt, oder wolltest du mit verschiedenen Bedeutungsebenen spielen und das offen lassen?

Es kam Einiges nachher rein, als die Handlung zu leben begonnen hat, aber die Ursprungsidee war die Rhetorik der Nationalismen und des Hasses an eine Wohnung und vielleicht ein bisschen an ein „Bobosetting“ anzuwenden. Dann ist es ein bisschen anders geworden, aber das war die Idee.

Die Wohnung in deinem Text stiftet Identität für Evi und die ursprünglich anderen, die in der Wohnung gelebt haben, aber nicht für Marta. Sie hat die Wohnung verlassen und ist eine Gegenspielerin ihrer Schwester geworden. Ist das Loslassen von Heimat und Herkunft Emanzipation?

Deswegen hab ich diesen Text überhaupt geschrieben, weil mir Patriotismus als Gefühl immer schon extrem fremd war und da hab ich wahrscheinlich auch ein paar persönliche Momente verarbeitet. Aber, ob man sich nur dadurch emanzipieren kann, weiß ich nicht, für mich war das der Weg bzw. ich hatte nie das Gefühl, dass ich irgendwo hingehöre in dieser Hinsicht, dem Staat oder Ähnliches.

Bachmannpreis 2017

ORF/Johannes Puch

Viel interpretiert hat die Jury auch beim Ausdruck „wurzellosen Rettich“…

Das hab ich aus dem Serbischen übersetzt, weil ich den Ausdruck lustig fand. Es bezeichnet jemanden der nicht in seinem was auch immer verwurzelt ist, der nicht mit seiner Familie verbunden ist, der seinem Land nicht treu ist. Der Vergleich mit dem Rolling Stone, den die Jury gezogen hat, hat gut gepasst.

Klaus Kastberger hat deine serbische Herkunft kurz während seiner Interpretation angeschnitten. Kannst du damit was anfangen, wenn man deine Herkunft als kleinen Hebel verwendet um deine Texte zu deuten?

Ich finde das geht sehr oft zu weit. Es hat tatsächlich was mit mir zu tun und ich kann das nicht ändern, aber oft wird es ein bisschen zu sehr in diese Richtung geschoben. Tatsächlich hab‘ ich über einen allgemeinen Nationalismus und Patriotismus nachgedacht und teilweise aus österreichischen Fußballfanforen Sachen geklaut, um diese Rhetorik zu haben. Manchmal bleibt es mir ein bisschen im Hals stecken, aber heute war das nicht so schlimm.


Du hast den Text speziell für den Bachmannpreis geschrieben. Worauf hast du dabei geachtet?

Ich hab versucht möglichst klassisch zu schreiben (lacht).

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