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Philipp Röding - "Die Möglichkeit eines Gespräches"

Matthias Kronfuss

Stell die Verbindung her

Die Unerträglichkeit des Seins: „Die Möglichkeit eines Gesprächs“, das Romandebüt von Philipp Röding, sucht den Draht zwischen den Menschen.

von Philipp L’heritier

Ein stockendes Gespräch, in dem die zwei beteiligten Personen eine ganze Weile in Stille verharren und sich eine zuvor gestellte Frage gerade so um sich selbst drehe wie eine Ananas in der Schwerelosigkeit. Diesen schön albernen Vergleich dürfen wir gleich zu Beginn lesen.

Der junge deutsche Autor Philipp Röding benutzt in seinem kürzlich bei Luftschacht erschienenen Romandebüt „Die Möglichkeit eines Gesprächs“ saftige Bilder und blumige Sprache. Aber nicht ständig oder zu dick aufgetragen.

Philipp Rödings - "Die Möglichkeit eines Gespräches"

Luftschacht Verlag

„Die Möglichkeit eines Gesprächs“ von Philipp Röding ist 2017 im Luftschacht Verlag erschienen.

„Die Möglichkeit eines Gesprächs“ – „Der Atem des Himmels“, „Die Rückkehr des Tanzlehrers“, der Genetiv im Romantitel klingt gerne einmal affig-gestelzt, nach unbedingtem Wunsch, hohe Literatur zu signalisieren. Eine seiner Figuren umreißt Röding so: „Er ist ein Fettleibiger des Apfeltyps. Sein Körper eine einzige Wölbung. Ein Inselbewohner, der dir breit lächelnd sirupsüße Lieder auf der Ukulele vorspielt.“

Ein langer ruhiger Fluss

Punktuell lässt Philipp Röding also sirupsüße Formulierungen glänzen, in der Grundnote von „Die Möglichkeit eines Gesprächs“ aber balanciert er diese prächtigen Wortschocks durch einen klaren, kühlen, distanzierten Ton aus. „Die Möglichkeit eines Gesprächs“ ist ein kaltes Buch. Traurig, voll von Scham und Gleichgültigkeit, Misstrauen der Figuren gegenüber sich selbst und, kaum klein gedacht, der Menschheit.

Schauplatz des Romans ist der triste von Industrie und Gewerbeanlagen geprägte Stadtteil Fechtenheim im tristen Finanzmoloch Frankfurt am Main. Dort hat eine Handvoll von Charakteren Zweifel an sich selbst und der Welt, will besonders sein oder endlich mal normal.

Studentinnen und Studenten, Filmemacherinnen, ein junges Pärchen. „Die Möglichkeit eines Gesprächs“ handelt vom Wunsch der Menschen nach Kommunikation und Verbindung – eine Unterhaltung, eine kleine Berührung, Verständnis, oder immerhin eine Imitation davon: „Ich glaube trotz allem an den unendlichen Nutzen des Gesprächs für die menschliche Gattung. Einzig die Möglichkeit des Gesprächs steht zwischen uns und der ultimativen Katastrophe.“

Graues Mosaik

„Die Möglichkeit eines Gesprächs“ ist ein dünnes Buch, auf 140 Seiten hat Autor Philipp Röding Platz für ein Geflecht an Charakteren, Themen und Theorien, existenzieller Weltbespiegelung. Plot ist hier nicht so wichtig, vielmehr sammelt der Roman die gerne recht schmerzvollen Gedanken seiner Figuren, die giftige Introspektive. Weniger Story, vielmehr Aufnahme von Hirngespinsten, Selbstmitleids-Vermessungen und Daseins-Philosophie. Langsam, langsam vergehen die Tage, die Zeit ist eine Verkettung von gefrorenen Momenten.

Die Menschen haben so ihre Ideen: Regisseurin Maya kommt aus weltoffenem Hause, hat feinstes Internat besucht und hadert mit ihren Filmprojekten. Die Beziehung des Paars Stefan und Alex ist an der Oberfläche doch irgendwie glücklich und liebevoll – man kann der Freude aber ja nie ganz trauen: „Mal war die Beziehung von Stefan und Alex wie eine endlose Fahrt mit einer steinalten Geisterbahn. Mal war sie wie eine plötzlich eintretende Mondfinsternis oder ein nächtelanger Serienmarathon.“

Körper und Konsum

Weil ein Vorankommen im Studium wieder einmal kaum machbar scheint und Geld knapp ist, übernimmt Alex im Geheimen eine Rolle in einem Amateurporno. Auch die Überwindung der eigenen Ängste und die Suche nach neuem Selbstwertgefühl sind Gründe dafür.

Danach hat Alex Angst, dass Freund Stefan davon erfahren könnte. Angst ist ein zentrales Motiv in „Die Möglichkeit eines Gesprächs“. Ennuie ist hier ein fast schon erstrebenswertes Gefühl.

Auch Pornografie und Sexarbeit tauchen immer wieder auf. Das Buch verhandelt das Verhältnis von Körper, Zuneigung und Dienstleistung. Von der so genannten „Girlfriend-Experience“ ist die Rede – einem Premium-Angebot von Prostituierten, das nicht bloß Sex, sondern auch die Nachstellung echter Gefühle, Nähe, Beziehung, gar Freundschaft beinhaltet.

Philipp Röding

Dina Lucia Weiss

Philipp Röding

Leben als Film

Zwar ist „Die Möglichkeit eines Gesprächs“ bitter und trist, Philipp Röding trägt die Erzählung vom isolierten Menschen dabei nur selten mit zu dicker Kalenderspruchmoral vor. Es ist auch Platz für spröden Witz.

Philipp Röding hat Filmtheorie studiert – das kann man gerne aus diesem Roman herauslesen: Ständig wird über Film und übers Filmemachen geplaudert, Belmondo in „Außer Atem“ wird erwähnt, ebenso die „Gilmore Girls“.

Der große deutsche Regisseur Werner Herzog taucht in fiktiver Version auf und meint sinngemäß, er sei doch ein ziemlicher Menschenfeind und er gehe so gut wie nie ins Kino. Von Michelangelo Antonionis Film „La Notte“ ist mehrfach die Rede. Das ist ein Film über ein Ehepaar, in dem die gegenseitige Liebe lange schon verglüht ist.

Viele lose Fäden des Romans finden bei einer Hotline für Telefonseelsorge zusammen. Telefonseelsorge - die Institution für die Möglichkeit eines Gesprächs. Hier spenden Studenten spätnachts Verzweifelten Trost und versuchen, sie vom Suizid abzubringen. Gegen Bezahlung natürlich.

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