FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

CBD-haltiges Cannabiskraut auf einer Waage

Lukas Lottersberger

Legales Gras ohne High

In Österreich gibt es immer mehr Läden, in denen man ganz legal Cannabis-Blüten erwerben kann. Allerdings ohne den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannbinol (THC).

Von Lukas Lottersberger

In der Schweiz gibt es seit Mitte Juli Zigaretten mit Cannabiskraut zu kaufen – Kostenpunkt rund 20 Franken (rund 17 Euro) pro Packung. Doch die „siaßen Tschick“ aus der Schweiz machen nicht high, denn der THC-Gehalt liegt deutlich unter einem Prozent (was immer noch über dem österreichischen Grenzwert von 0,3 Prozent liegt). Die Zigaretten, die aufgrund der hohen Nachfrage regelmäßig ausverkauft sind, enthalten das Cannabinoid Cannabidiol (CBD).

CBD ist auch in Österreich erlaubt und erfreut sich steigender Beliebtheit. Es unterliegt – anders als THC – nicht dem Arznei- bzw. Suchtmittelgesetz. Produkte damit können ganz legal ver- und gekauft werden, solange sie nicht als Medizinprodukt oder Arznei angeboten werden.

Inhaber Alex Moser in seinem Laden

Lukas Lottersberger

Unternehmer Alex Moser

Einer, der sich auf den Verkauf solcher CBD-Produkte spezialisiert hat, ist Alex Moser, der eigentlich hauptberuflich Fischer ist. Ich besuche den jungen Unternehmer im dritten Wiener Gemeindebezirk in seinem Geschäft. Auch Cannabis-Pflanzen werden hier hochgezogen und verkauft. Ihren charakteristischen Duft vernimmt man schon mehrere Meter vom Geschäft entfernt.

Ein Blick in den Verkaufsraum zeigt, dass Alex’ Laden kein Klischee-Grow-Shop ist. Was man hier vergebens sucht, sind etwa Bongs, die sich in anderen Grow-Shops meistens bis zur Decke stapeln. Seine CBD-Spezialitäten verwahrt Alex in einem Glastür-Kühlschrank in einer Ecke des Verkaufsraums.

Wer nimmt das Zeug und was macht es?

Der Substanz CBD werden von Verfechtern zahlreiche positive Eigenschaften zugeschrieben: Es soll angstlösende, neuroprotektive, antipsychotische und krampflösende Wirkung haben und auch Entzündungen und Brechreiz hemmen.

Cannabinoide

Cannabinoide sind Stoffe, die hauptsächlich in der Hanfpflanze (Cannabis sativa bzw. Cannabis indica) gefunden werden. Das am meisten untersuchte Cannabinoid ist THC.

Die Cannabinoide werden in speziellen Drüsenhaaren im Bereich des Blütenstands gespeichert und sind in geringerem Ausmaß auch in den Blättern und Stängeln der Pflanze vorhanden. Hanfsamen enthalten keine Cannabinoide, sind aber reich an fettem Öl. Der Gehalt an den einzelnen Inhaltsstoffen hängt von der Hanfsorte und klimatischen Faktoren ab.

(Quelle: Wikipedia, AGES)

Cannabidiol

Bisherige Studien zu CBD sollen gewisse Erfolge bei Epilepsiepatienten sowie bei Patienten mit Angstzuständen gezeigt haben. Angeblich konnte auch bei einigen Chemotherapie- und Schmerzpatienten durch CBD die Dosis der Schmerzmittel gesenkt werden. Kritiker bemängeln allerdings die Qualität der bisher durchgeführten Studien: Sie seien zu wenig aussagekräftig.

Auch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit - AGES kommt zum Schluss, dass „derzeit keine ausreichenden Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit vorliegen. [...] Viele dem Cannabidiol zugeschriebene Wirkungen sind bislang wissenschaftlich nicht bestätigt.“

Zu seinen Kunden zählt Alex viele Menschen, die sich in medizinischer Behandlung befinden: „Zum Beispiel Chemotherapie-Patienten, Epileptiker, chronische Schmerzpatienten, aber auch Menschen mit Depressionen kommen vorbei“, zählt Alex auf. Ihnen gewährt er einen Rabatt von 10 Prozent.

Daneben gibt es auch Kunden, die keinerlei gesundheitliche Beschwerden haben. Manche kommen regelmäßig, andere vielleicht nur einmal. Denn nicht jeder verspürt überhaupt eine Wirkung bei CBD. Klar ist: Die Substanz ist nicht psychoaktiv wie THC. In Punkto Nebenwirkungen hat Alex bisher nur eines beobachtet: „Manche haben über leichte Bauchschmerzen geklagt, wenn sie CBD-Öl genommen haben.“

Dass den Skeptikern noch zu wenig objektive Forschungsergebnisse über CBD auf dem Tisch liegen, scheint die Stammkunden von Alex nicht zu stören – das Gros ist von der positiven Wirkung überzeugt.

Eine ganze Produktpalette

Cannabidiol gibt es in verschiedenen Formen und ähnlich vielfältig sind die Möglichkeiten, es zu sich zu nehmen. Zum einen kann man die Öl-Mischungen einfach auf ein Stück Brot geben oder dem Essen beimengen. Alex nimmt normalerweise einige Tropfen unter der Zunge ein. „Da schmeckt man den bitteren Geschmack nicht so stark und der Wirkstoff geht recht schnell über die Schleimhaut ins Blut.“ Mit einem Glas Wasser kann man eine Minute später nachspülen, erklärt er mir.

Verschiedene CBD-Produkte in einem Kühlschrank

Lukas Lottersberger

Einige CBD-Produkte

Öle und Blüten kann man auch mit einem „Vaporizer“ einnehmen, wo der Inhalt auf bis zu 180 Grad erhitzt wird und der dabei entstehende Dampf inhaliert wird. Hochreine und feine CBD-Kristalle können E-Zigaretten-Liquids beigemengt werden und in handelsüblichen E-Zigaretten gedampft werden.

Weiters gibt es höhere Dosierungen in Pastenform, die ebenfalls sublingual als Tropfen oder Spray eingenommen werden. Es gibt auch CBD-Salben. Das Geschäft bietet daneben auch verarbeitete Lebensmittel mit CBD an. Das Highlight: von Alex selbstgefangene und geräucherte Reinanken vom Millstätter See, die er unter anderem mit CBD-Öl und Rosmarin mariniert hat.

Reinanken mit CBD

Lukas Lottersberger

How much is the fish? Zwei Euro für zehn Deka.

Und letztlich werden in Alex’ Laden auch Cannabisblüten verkauft. Sie kommen von speziellen Züchtungen und Nutzhanf, in denen der THC-Gehalt möglichst gering gehalten wird. Sie unterscheiden sich optisch nicht von Cannabiskraut mit THC. Greift man die Blüten an, sind sie jedoch weniger harzig. Das legale CBD-Kraut kostet etwas mehr als auf der Straße: Zwölf Euro muss man für das Gramm hinblättern. Der CBD-Gehalt der Blüten beträgt in etwa 17 Prozent. Der THC-Gehalt darf auch hier die 0,3 Prozent nicht überschreiten.

Da kam die Polizei: „Ja was ist denn das?“

Was passiert, wenn ich mit diesen legalen Blüten von der Polizei aufgegriffen werde? In der Schweiz passiert das angeblich häufiger – denn dort schießen seit einiger Zeit Läden, die CBD-Blüten verkaufen, aus dem Boden wie Schwammerl. Um im Zweifelsfall zu beweisen, dass man legales Zeug mit sich führt, muss das verdächtige Kraut im Labor untersucht werden. Dabei schlägt sich in der Schweiz so ein Test mit satten 500 Franken (rund 450 Euro) zu Buche – die Kosten dafür übernimmt der Steuerzahler, was vielen ein Dorn im Auge ist.

In Österreich sei dieses Problem laut dem Wiener Polizeisprecher Paul Eidenberger bisher „kein Thema“. Ihm seien keinerlei derartige Fälle bekannt. Er betont jedoch, dass, wer mit legalem CBD-Gras erwischt wird, in der Regel gleich behandelt wird wie jemand, der THC-haltiges Cannabiskraut mit sich führt.

„Behauptungen des Beschuldigten über irgendwelche Inhaltsstoffe sind irrelevant, da es ohnehin nicht an Ort und Stelle überprüft werden kann." - Paul Eidenberger, Pressesprecher LPD Wien

„Ich gebe meinen Kunden immer eine Rechnung mit“, erklärt Alex. Nicht nur wegen der Registrierkassenpflicht, sondern um zu zeigen, dass das Kraut legal erworben wurde und auch legal ist. Der Wiener Polizeisprecher Paul Eidenberger weist jedoch darauf hin, dass eine Rechnung bei einer Amtshandlung nicht als Beweis anerkannt werden könne. Die Amtshandlungen würden laut Polizei „nach den gesetzlichen Bestimmungen und je nach Fall geführt.“

Hand mit CBD-haltiger Cannabisblüte

Lukas Lottersberger

In Verdachtsfällen führt in Österreich das Bundeskriminalamt eine Untersuchung im Labor durch. Entgegen der Aussagen der Wiener LPD erfahre ich vom Bundeskriminalamt, dass es tatsächlich bereits einige Einzelfälle gegeben habe, wo man aufgrund der Angaben von Beschuldigten eine Untersuchung durchgeführt habe. Die Ergebnisse waren durchwachsen: Bei einigen Proben wurde der THC-Grenzwert nicht überschritten, in manchen Blüten lag er darüber.

In letzterem Fall droht eine Anzeige nach dem Suchtmittelgesetz, ansonsten bleibt man straffrei. Die Kosten für eine Laboruntersuchung belaufen sich in Österreich auf 100 Euro und belasten die Staatskasse also nicht so stark wie in der Schweiz.

Selbstversuch

Zwar leide ich nicht an Angstzuständen, habe keine Epilepsie und auch keine chronischen Schmerzen. Trotz fehlender „Indikation“ bin ich neugierig und möchte schließlich den Selbstversuch wagen. Dazu rolle ich mir eine Zigarette mit einigen Flocken des CBD-Krauts.

Erster Zug: Der Geruch des Rauchs erinnert an die Luft bei Festivals, der Geschmack ist süßlich-erdig, wird jedoch vom Tabak-Geschmack dominiert. Während ich rauche, bemerke ich keinerlei Wirkung. Ich bin klar im Kopf, mir ist nicht schwindlig, „Munchies“ oder sonstige Nebenwirkungen machen sich nicht bemerkbar.

Etwa eine Viertelstunde nachdem ich den „legalen Joint“ fertig geraucht habe, meine ich etwas zu spüren: Im Bett liegend fühlen sich meine Glieder und Muskeln tatsächlich ein wenig lockerer an, so, als wäre die Körperspannung etwas gedrosselt worden. Von High-Sein oder einem Rauschgefühl kann aber keine Rede sein. Es fühlt sich an, als hätte man die Muskeln kurz ganz sanft massiert. Im Kopf bleibe ich klar. Das war’s auch schon.

Die Blüten habe ich kurz vor dem Schlafengehen geraucht. Ob mein Schlaf dadurch besser war als sonst, kann ich auch nicht wirklich sagen, denn ich schlafe normalerweise recht ruhig und meistens ohne merkbare Unterbrechung.

Heilpflanze, Hypepflanze, Highpflanze

Wie bei jeder Substanz ist die Wirkung wohl nicht zuletzt eine Frage der Dosierung und von Person zu Person unterschiedlich. Vielleicht auch einfach nur Placebo. Aus Gesprächen mit einigen KonsumentInnen habe ich jedenfalls vernommen, dass nicht jedeR eine nennenswerte Wirkung wahrnimmt.

Den aktuellen Trend zu CBD führt Alex darauf zurück, „dass immer mehr Menschen merken, wie positiv es sich auswirken kann, und das macht halt die Runde.“ Viele Menschen verlieren die Berührungsangst vor Hanf: „Für manche ist es interessant, weil sie so endlich einmal Hanf probieren können, ohne in den illegalen Bereich zu fallen“, betont Alex. Die Stimmung habe sich sogar bei vielen seiner früheren Kritiker gewandelt.

Aktuell: