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Screenshot aus Jeff Minters "Polybius"

Jeff Minter

Tunnelblick

Aus einer Urban Legend wurde eine trippige Tatsache: „Polybius“ ist eine neonbunte Raserei im Stil von Arcade-Games aus den frühen Achtziger Jahren.

von Robert Glashüttner

Sie können inspirierend, beängstigend oder hochgradig absurd sein: Verschwörungstheorien und ihre kleinen Geschwister, die Urban Legends. Manche sind kurios und harmlos, andere wiederum getrieben von gefährlichen Ideologien. Der ORF hat mit „Die Weltherrschaft“ derzeit sogar ein eigenes Projekt zum Thema laufen.

Es gibt Verschwörungstheorien, die sich auf die gesamte Welt beziehen: dass es etwa Aliens oder geheime Weltregierungen gibt. Andere beziehen sich auf kleinere Bereiche - zum Beispiel Videospiele. Die bekannteste Urban Legend aus dem Bereich Games besagt, dass im Jahr 1981 ein Spiel namens „Polybius“ von der US-Regierung dazu entwickelt worden sein soll, um Menschen zu brainwashen.

„Polybius“ 2017, erschienen für die Playstation 4.

Wie in solchen Fällen üblich, gibt es weder stichhaltige Beweise, noch greifbare Anhaltspunkte, dass das „Polybius“ aus 1981 jemals existiert hat. Allerdings haben es schlau designte Urban Legends so an sich, dass sie diverse tatsächlich stattgefundene Ereignisse so geschickt remixen, dass einzelne Behauptungen dabei nicht so leicht vom Tisch zu wischen sind. Eurogamer.net hat vor zwei Jahren die ganze „Polybius“-Story nochmal aufgerollt und dazu einige Fakten gesammelt.

Gerade noch ein Mythos, jetzt in deiner Playstation!

Weil es Aufmerksamkeit bringt und naheliegt, haben schon mindestens zwei Spieleentwickler innerhalb der letzten zehn Jahre ihr eigenes „Polybius“ entwickelt. Das ist ja ganz nett, aber nun hat die Legende endlich ihren Meister gefunden: Jeff Minter. Niemand ist besser geeignet, „Polybius“ in die Realität umzusetzen als er. Erstens: Der Mann entwickelt bereits Games seit den frühen Achtziger Jahren, wo das vermutete originale „Polybius“ in Portland, Oregon aufgetaucht sein soll. Zweitens: Er ist bekannt für seine bunt-psychedelischen Spiele mit jeder Menge grellem Flackern, Stroboskop-Lichter und schnellen Bewegungen. Und Jeff Minters Spiele brauchen keine Urban Legend über Brainwashing, denn ihnen werden ohnehin seit Jahrzehnten psychoaktive Wirkungen nachgesagt.

Screenshot aus Jeff Minters "Polybius"

Jeff Minter

Nach ein paar Stunden „Polybius“ spielen, kann ich allerdings behaupten, dass ich davon nicht hypnotisiert worden bin. Oder ... doch? Das „Polybius“ aus 2017 ist nämlich visuell und spielerisch wirklich sehr überdreht, da könnte man glauben, das würde einem den letzten Nerv rauben. Doch das Gegenteil ist der Fall: Das Spiel versetzt einen in einen konzentrierten, ruhigen Flow. Zwar fliegen wir mit unserem Raumschiff in einem Affentempo durch bunte Stangen und Tore und schießen auf allerlei neonfarbene Gegenstände. Doch trotz des Geschwindigkeitsrausches wirkt „Polybius“ erstaunlich fließend und meditativ. Wie macht er das, der Minter? Wurde er nicht vielleicht doch von den Men in Black beauftragt?

Das neue Video von Nine Inch Nails wurde mit „Polybius“ visualisiert.

Entspannt euch doch

In Wahrheit will der gute Games-Hippie aus England nur das Beste für uns: Jeff Minter betont auf seiner Website, dass er mit seinem „Polybius“ das genaue Gegenteil von dem erreichen möchte, was man dem gleichnamigen Legendenspiel nachsagt. Es soll eine Art entspannter LSD-Trip ohne Drogen sein.

Allerdings: So ganz ohne Leistung geht’s dann doch nicht. Zwar sind die ersten paar der insgesamt fünfzig Levels nicht besonders schwierig. Aber danach braucht man erst mal einige Zeit, bis man bei all dem Overflow an optischen Reizen überhaupt die einzelnen Elemente des Spiels ausmachen kann und nicht ständig gegen Wände kracht. Aber wenn die Sogkraft von „Polybius“ einen mal erfasst hat, geht irgendwann der Knoten auf und es lässt einen nicht mehr so schnell los. Wie war das nochmal mit dem Brainwashing?

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