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Traurig dreinblickende Person auf einer Straße

Alex Cameron

der Song zum Sonntag

Früher waren wir schöner

Der Song zum Sonntag - Alex Cameron ft. Angel Olsen - „Stranger’s Kiss“

von Philipp L’heritier

Der australische Musiker Alex Cameron inszeniert sich gern als Spaßvogel. Er gibt sich als Schalk und zwinkert uns zu. Den Humor trägt er dick auf. Das kann oft auch nerven.

Auf seinem sehr guten und ziemlich kurzen Debütalbum „Jumping the Shark“ aus dem Jahr 2016 präsentierte er sich acht Stücke lang als eine Art Abziehbild eines abgehalfterten Hotel-Lounge-Entertainers, der in skizzenhaften Songs von schleimigen Typen, Versagern und Hallodris erzählt. Diese Typen war in diesen kurzgeschichtenähnlichen Liedern Alex Cameron selbst.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Ein kaputter Las-Vegas-Unterhalter, der im schmierigsten Hotel von hinten an der Ecke mit speckigen Fingern die letzte Olive aus einem sicherlich nicht so guten Cocktail fingert. Und sich dabei immer noch ziemlich besonders vorkommt. Dazu läuft rudimentäre, billige Minimal-Plinker-Plonker-Elektronik aus dem alten Kinderkeyboard.

In seinem neuen Song hat Alex Cameron die Ironie wieder gut aufgedreht – diesmal aber deutlich ausgewiesen, in einer Art, die den Erzähler entlarvt. Der Humor ist hier klar Pose und Abwehrmechanismus.

Er sei der König der Nachbarschaft, so singt Alex Cameron in dem Stück „Stranger’s Kiss“, wir wissen aber, dass er das selbst nicht so ganz glauben mag. Anstelle von Synthesizer-Schrott gibt’s in dem Lied weihevoll schunkelnden Classic-Rock samt Saxophon in Andenken an die ruhigen Momente von Bruce Springsteen und seiner E-Street Band.

„I got shat on by an eagle, baby“, sagt Alex Cameron und er tut es so, als sei das ein bedeutsames Ereignis gewesen, etwas, auf das er stolz sein könnte. Das ganze Lied handelt vom falschen Stolz.

Die wärmende Balance kommt von der großen Angel Olsen. Olsen und Cameron umsingen einander in den Rollen zweier Liebender, die sich voneinander entfernen. Sich gerade getrennt haben, taumeln. Spöttisch werden noch letzte Grußworte getauscht, tschüß, alles Gute, alles besser so für mich.

Den anderen habe man ohnehin schon längst irgendwo in der untersten Schublade des Gedächtnisses wegsortiert, das Glück sei mittlerweile klarweise im Kuss einer fremden Person zu finden.

Aber wobei, da können sich unsere Erzähler nicht viel vormachen: „’Cause in my dreams, I miss you“, so heißt es im Refrain. Alte Geschichte mit leisem Wind, Schwebezustand und Selbsttäuschung, alles bleibt offen und morgen umarmen wir jemand anderen.

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