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Danyal beim Protestsongcontest 2017

Radio FM4 / Christian Stipkovits

Was wurde aus… den Gewinnern des FM4 Protestsongcontest?

Protestlieder haben eine lange Tradition. Gründe, um zu protestieren, gab und gibt es genug: Soziale Ungerechtigkeit, Krieg, Rassen-Diskriminierung, Bürgerrechte, Frauenrechte, und einiges mehr.

Von Daniela Derntl

Heute vor 61 Jahren, am 9. August 1956, gingen mehr als 20.000 Frauen in Pretoria, Südafrika auf die Straße, um gegen das „Pass Law“ genannte Arpartheid-Gesetz zu demonstrieren, dass zuerst männliche schwarze Afrikaner und später auch die dunkelhäutigen Frauen unter Androhung schwerer Sanktionen dazu verpflichtete, ständig Personaldokumente und Arbeitsnachweise mitzuführen.

Die Frauen marschierten zum Regierungssitz und standen 30 Minuten schweigend vor den Union Buildings, legten 100.000 Unterschriften gegen das Gesetz vor die Tür des Regierungschefs und sangen ein Protestlied, das eigens für diesen Anlass geschrieben worden war: Wathint’ abafazi, wathint’ imbokodo! Uzokufa! („Du hast die Frauen angetastet, Du hast einen Felsen geschlagen! Du wirst sterben!“). Seither steht dieser Satz You strike a woman, you strike a rock ( „Wenn du eine Frau schlägst, schlägst du einen Felsen“) für den Mut und die Kraft von Frauen in Südafrika und seit 1994 wird der 9. August als National Women’s Day in Südafrika gefeiert.

Seit 2004 gibt es den FM4 Protestsongcontest

Auch im FM4-Universum haben Protestlieder Tradition. Seit 2004 veranstaltet FM4 gemeinsam mit dem Rabenhoftheater den „FM4 Protestsongcontest“, der jedes Jahr am 12. Februar im Gedenken an den Österreichischen Bürgerkrieg 1934 stattfindet.

Im Laufe der Jahre haben sich über 3000 Bands um den Einzug ins Finale beworben, und darunter waren auch viele bekannte Bands, wie zum Beispiel Binder & Kriegelstein (2004 - 2. Platz, 2010 – 6. Platz), Hörspielcrew feat. Garish (2006, 3. Platz), Christoph und Lollo (2005, 2. Platz), Hinterland (2008, 3. Platz) und DAWA (2014, 2. Platz), die ein Jahr später den Protest aufgegeben haben, um beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest 2015 mitzumachen, den sie allerdings auch nicht gewonnen haben.

Dass man den Protestsongcontest nicht gewinnen muss, um bekannt zu werden, beweist auch Der Nino Aus Wien. 2009 belegte er nur den fünften Platz mit der ironisch gebrochenen Alltagsbeschwerde „Spinat Song“ – heute ist er einer der umtriebigsten Musiker im Lande.

Sein Band-Kollege PauT war beim PSC schon um einiges erfolgreicher. Der Mann mit dem Kapperl und dem weißen Kontrabass begeisterte 2010 mit der Brandstifter-Hymne "sepp haT gesagT, wir müssen alles anzünden“ die Jury.
Zu der gehörte auch schon die Slam-Poetin und Rapperin Mieze Medusa, die beide Seiten des PSC kennt. 2007 gewann sie den Protestsongcontest mit ihrem Produzenten tenderboy und der Sängerin Violetta Parisini. Danach saß Mieze Medusa auch öfters in der (Vor-)Jury und heuer hat sie es nochmals versucht und landete mit „Danke, dass du denggst“ auf Platz 8.

Noch öfters als Mieze Medusa waren Rotzpipn & das Simmeringer Faustwatschenorchester beim PSC dabei. Das Milieuvarieté des 11. Bezirks landete 2010 mit der „Würschlpolka“ auf Platz 3, 2012 gewannen sie den PSC mit der nach wie vor aktuellen „Hymne 2.0“, 2015 reichte es nur für den achten Platz und 2016 und 2017 verpassten sie den Einzug ins Finale. Die über die Jahre erspielte, solide Fan-Basis hat sie darüber hinweg getröstet und vermutlich werden wir sie auch 2018 wieder beim PSC sehen.

Kein Protestsongcontest ohne Skandale

Natürlich gab es auch, wie es sich für einen richtigen Protestsongcontest gehört, ordentliche Aufregung – zum Beispiel als die Jury 2013 die Chansonniere Benedikta Manzano zur Siegerin gekürt hat, und nicht etwa die „Refugees oft he Vienna Refugee Camp“, die damals, um ihrer Abschiebung zu trotzen, die Votivkirche besetzt hatten und mit ihrem Song „I love Vienna/Je t’aime Vienne“ das dringlichste, weil persönlichste Anliegen in der Geschichte des PSC vorgetragen haben.

Heftig war auch die Reaktionen auf das Siegerlied 2015. Rammelhof thematisierten in ihrem Song „Wladimir (Put Put Putin)“ den Wunsch, dass sich immer größere Teile der Bevölkerung vieler Länder eine starke Führungsperson wünschen, wie eben Merkel, Obama und Putin. Das Video zum Song provozierte allerdings einen ungeahnten Shitstorm gegen die Band. Das Quartett rund um General Geri bekam auch Morddrohungen aus Russland und das Video wurde auch, nach massenhaften russischen Interventionen, bei Youtube kurzfristig vom Netz genommen. Das Video ist aktuell wieder online und liegt bei 1,2 Millionen Clicks. Mehr als 90 Prozent der Kommentare sind auf Russisch, und ganz bestimmt nicht die freundlichsten.

Für Aufregung sorgte auch die Siegerin des Jahres 2016, die deutsche Liedermacherin Sarah Lesch. Ihre naiv-esoterische Betroffenheitslyrik und Systemkritik im Song „Testament“, den sie ursprünglich für ihren Sohn geschrieben hat, wurde ein Jahr später von rechtsextremen Gruppen aufgegriffen und für ihre Propaganda missbraucht. Lesch wehrte sich mit einem Statement und einem Song gegen die Vereinnahmung durch Anhänger „rassistischen und menschenverachtenden Gedankenguts“, doch bei über 1,5 Millionen, durch Rechtsextreme, Xenophobe und Verschwörungstheoretiker befeuerte Youtube-Clicks, die sich durch den Song in ihrem Hass auf „die da Oben“ bestätigt fühlen, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch heuer ging der erste Platz beim PSC an einen Act aus Deutschland, und zwar an Danyál Demir, einen Sänger mit türkischen Wurzeln, der auch schon bei der Castingshow „The Voice Of Germany“ mit dabei war. Beim PSC 2017 konnte er mit dem Song „Hosgeldiniz (Reiß die Arme auf)“ überzeugen, in dem er das Gefühl, als Migrant ständig ein Außenseiter zu sein, besingt.

Aktuell widmet Danyál sich seinem Studium und schreibt an neuer Musik. Ein Wiedersehen mit ihm gibt es spätestens beim Protestongcontest-Finale 2018, wo er abermals sein Siegerlied präsentieren wird.

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