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Entlausungsshampoo

Valerie Kattenfeld

Weltreiseblog

Läuse in Neuseeland

Wie man sogar im schönsten, besten & tollsten aller Backpacker-Länder eine miese Zeit haben kann.

Von Valerie Kattenfeld

Bevor mich irgendwer fragt: Nein, ich habe die berühmte Tongariro Alpine Crossing Tageswanderung nicht gemacht. Ja, ich hätte sie gern gemacht. Aber es hat leider in Strömen geregnet - wie an fast jedem Tag meines vierwöchigen Neuseeland-Aufenthaltes. Alles war gesperrt. Stattdessen habe ich mir meinen Poncho übergeworfen und war in Ohakune im Carrot Adenventure Park. Es war total super. Ich hatte so viel Spaß, echt. Wahnsinn. Was? Sag bloß, du kennst den Carrot Adventure Park nicht...!?

Carrot Adventure Park

Valerie Kattenfeld

Neuseeland, Land der Superlative

Strände, Berge, Gletscher, Wälder, Vulkane, vielfärbige Gewässer, Pinguine, Delphine... Neuseeland hat alles. Wir kennen die sanften grünen Hügel von Hobbiton und die Bilder von Milford Sound, wo die Berge direkt aus dem Wasser ragen. Es gibt Strände mit Hot Springs, Glühwürmchen-Höhlen und acht Meter in die Höhe spritzende Geysire wie den Lady Knox im Wai-o-Tapu Thermal Wonderland. Nebenan blubbern Schlammblasen und es dampft aus dem blau-orange gefärbten Champagne Pool. Wem das noch nicht bunt genug ist, dem sei das giftgrüne Devil’s Bath empfohlen. Wanderer haben auf beiden Inseln unzählige Möglichkeiten, etwa Rob Roy Glacier bei Wanaka. Kulturfans werden das bunte Treiben in Wellington lieben (Te Papa Museum!). Wer in einer Familie mit unterschiedlichen Urlaubsvorstellungen lebt, dem sei dieses Land ans Herz gelegt. Es hat das Potential, alle glücklich zu machen.

Carrot Adventure Park

Valerie Kattenfeld

Theoretisch perfekt. Aber eben: theoretisch. Die Praxis zwischen mir und Neuseeland ist das trotzige Gegenbeispiel dafür, dass selbst der Aufenthalt im Paradies kein Glücksgarant ist.

Es beginnt damit, dass ich in Auckland ankomme und alle Hotels ausgebucht sind. Weltstar Adele singt an diesem Abend und zwingt mich zum Notfall-Couchsurfing. In einer Mini-Wohung mit vier Indern komme ich schließlich unter. Einige Tage später möchte ich wie ein klassischer Langzeit-Traveler auf einer Farm arbeiten. In Opotiki passe ich auf eine verzogene Dreijährige auf und rupfe scheibtruhenweise Unkraut. Das Ambiente ist idyllisch, vor der Terrasse grasen die Schafe, dahinter ein Fluss und Berge.

Ein krasser Gegensatz dazu ist der stets cholerische Farmer, der das F-Wort mindestens drei Mal pro Satz benutzt und am Telefon grundsätzlich schreit. Wie es dazu kam, dass er sich dem Training von traumatisierten Hunden annimmt, erfahre ich nicht. Ich und die andere Helferin aus England werden auf Abstand gehalten. Nach getaner Arbeit sollen wir uns in unseren Wohnbereich zurückziehen.

Roadtrip auf der Südinsel

Nach meiner ersten Halbzeit auf der Nordinsel treffe ich mich mit Laura aus Frankreich in Punakaiki im Südwesten. Wir haben uns über die Facebookgruppe „Backpacker New Zealand“ gefunden und beschlossen, gemeinsam mit einem gemietetem Camper Van über die Südinsel zu kurven. Der erste Tag ist gar nicht übel. Wir spazieren zu den Pancake Rocks - Felsformationen, die wie übereinander gestapelte Pfannkuchen aussehen. Dazu Möwen und die schäumende Gischt in der Tiefe.

Carrot Adventure Park

Valerie Kattenfeld

Schon am nächsten Morgen endet die Glückssträhne: die Autobatterie geht ein. Wir bringen unser Fahrzeug per Startkabel zum Laufen und fahren in die unseren eigentlichen Plänen entgegengesetzte Richtung zurück. Nur dort bekommen wir eine neue Batterie, die eigentlich bereits vor drei Jahren auszutauschen gewesen wäre.

Ernüchternd sind neben dem vernachlässigtem Zustand unseres Autos auch die Kosten, die damit einhergehen. Ein Stellplatz für den Van kostet mit rund 25€ pro Nacht fast doppelt so viel wie ein Bett im Hostel. Mit dem Unterschied, dass es im Hostel eine Küche und Duschen gibt, was nicht bei allen Stellplätzen der Fall ist. Wer trotzdem ohne Berechtigung im Auto schläft, riskiert eine Geldstrafe.

Generell sinkt das Hygienelevel von Weltreisenden; zwei Tage ohne Dusche sind keine Seltenheit. Geschirr wird heimlich bei Mac Donalds gewaschen. Als Ausgleich gönnen Laura und ich uns gelegentlich einen ausgiebigen Brunch im Kaffeehaus.

Laura beim Brunch

Valerie Kattenfeld

Vor lauter Campingspaß verbrennt sich Laura beim Kochen ihre Hand mit Suppe. Ich solidarisiere mich mit ihr und bekomme am nächsten Tag Läuse. Ja, richtig. L-Ä-U-S-E. In Neuseeland. Mit Durchfall in Indien oder Malaria in Tansania hätte ich ja gerechnet. Die Gefahr von Kopfläusen in Neuseeland hatte ich leichtsinnige Person zuvor kleiner gleich Null eingeschätzt. Weit gefehlt.

Immerhin hat das Reich des Herrn der Ringe dadurch einen noch bleibenderen Eindruck hinterlassen. Ich werde niemals vergessen, wie ich am kalten Boden des unbeleuchteten Campingklos vor einem Kübel gekniet bin und Laura mir mit Kopflicht das Entlausungsmittel aus den Haaren gespült hat. Die Französin lässt sich von meinen winzigen Piesackern nicht einschüchtern - wir schlafen weiterhin Kopf an Kopf, nur eben mit Kapuzen.

Läuseshampoo

Valerie Kattenfeld

Wir ziehen unser Programm unerschrocken durch: Fox Glacier, Lake Matheson, Queenstown, Milford Sound und Rob Roy Glacier bei Wanaka (meine persönliche Lieblingswanderung). Das Wetter ist selten trocken. Was nicht so schlimm wäre, wenn Laura es nicht dauernd kommentieren würde. „I am fed up with that white sky“ ist der Satz, den ich in diesen zwei Wochen Roadtrip am häufigsten höre. Dicht gefolgt von „Oh look, she had perfect weather!“. Dabei hält mir Laura ihr Handy vor die Nase und zeigt mir Facebook-Fotos einer Backpackerin, die eine ähnliche Route macht, es aber auf mysteriöse Weise immer schafft, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Überall inszeniert sie sich mit Sonnenbrille meditativ in die Ferne schauend, vor ihr ein in strahlendes Licht getauchter Berg oder See oder Strand. Laura erlaubt ihrer Eifersucht, ihr die Tage zu vermiesen.

Wer hat das beste Neuseeland?

In keinem anderen Land habe ich bisher einen solchen Wettbewerb unter den Reisenden wahrgenommen. Ständig wird untereinander verglichen: Was hast du gesehen, was habe ich gesehen? Was war besser? Wer hat das bessere Wetter, das bessere Essen, die besseren Fotos, die besseren Erfahrungen? Kein Wunder, dass sich die Tourismusindustrie mit kostspieligen Angeboten überschlägt. Man kann hier Skydiven, selber ein Flugzeug fliegen, Paragleiten, mit Definen schwimmen, Wale beobachten und Pinguine, sich auf die Spuren von „Herr der Ringe“ begeben, einen Helikopter Panoramaflug machen, Höhlenrafting betreiben. Zu letzterem habe ich mich hinreißen lassen. Leider. In Waitomo paddle ich in einem aufgeblasenem Reifen durch die berühmten Glowworm Caves. Das hätte schön sein können, wenn die zwei hyper-motivierten Tourguides uns nicht alle drei Minuten darauf hingewiesen hätten, wie viel SPASS wir gerade haben. Jeglicher Zauber der zart-blau leuchtenden Wesen ist dabei verloren gegangen.

Touristen am Milford Sound

Valerie Kattenfeld

Ein versöhnliches Ende

An meinem vorvorletzten Tag in Oamaru komme ich ins Gespräch mit Rapo, dem Besitzer des Steam Punk Museums, in dem es wunderbare Gestalten aus Metall zu entdecken gibt. Rapo sieht aus wie ein altehrwürdiger Rocker mit seinem langen grauen Zopf, dem schwarzen T-Shirt und Silberschmuck. Seine klaren Augen sehen tief in mich hinein und legen die Enttäuschung frei, die ich seit Wochen mit mir herumschleppe. „So kann ich dich hier nicht wegfliegen lassen. Komm, ich zeig dir etwas Schönes.“ Er nimmt mich an der Hand, ich soll die Augen schließen. Ich betrete einen Raum, spüre eine Stange vor meiner Hüfte, halte mich an. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Dann darf ich schauen. Und da ist sie: die Magie, die Überwältigung, die sanfte Schönheit, nach der ich mich so gesehnt hatte. Unendlich weit um mich funkeln kleine Lichter in wechselnden Farben. Ich fühle mich wie im Universum, nur von Sternen umgeben. Dazu eine mystische Melodie mit sanften Chören. Geschickt inszeniert aus Spiegelwänden und Glühbirnen. So simpel. Und so genial. Und so viel besser, als Waitomo jemals hätte sein können. Ich spüre den gutmütigen Rapo hinter mir schmunzeln. Da hat er ordentlich etwas wieder gut gemacht. Und eben dadurch, dass ich ich nicht krampfhaft versucht habe, den vielversprechendsten Reiseführertips nachzuhechten. Sondern mich ganz planlos in einem Plausch verfangen habe, ohne was zu wollen. Und ich denke, das ist eines der Geheimnisse, die man erst entdecken muss: dass die schönsten Erlebnisse immer die sind, mit denen man nicht gerechnet hat.

Glühbirnenuniversum

Valerie Kattenfeld

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