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Øya Festival

Øya Festival / Ihne Pedersen

Die Umwelt sagt takk

Das Øya Festival in Oslo gilt als eines der „greenest festivals worldwide“.

Von Nina Hochrainer

Angel Olsens Glockenstimme beschallt den in nordische Abendsonne getauchten Wiesenhang im Osloer Toyenpark. Während die einen Festivalbesucher und -besucherinnen auf ihren Picknickdecken sitzen, quatschen, lachen und teures Bier trinken, huschen andere flink dazwischen herum und sammeln vereinzelte leere Becher und den ein oder anderen Zigarettenstummel ein. An den Recycling-Ständen bekommt man für den eingesammelten Müll Bares, das man dann zur Belohnung wieder in ein Getränk investieren kann. Dieses Refund-System ist nur eine von vielen Maßnahmen die das Øya Festival in Sachen Umweltschutz tätigt.

Nachhaltigkeit wird hier seit fast zwei Jahrzehnten groß geschrieben, und das nicht nur pro forma im Mission Statement sondern aktiv und ambitioniert über alle Bereiche der Festivalorganisation hinweg, wie Øyas eigene Umweltkoordinatorin, Ingrid Kleiva Møller erklärt: „Wir haben uns überlegt mit welchen Veränderungen wir die größte Wirkung erzielen können. In Norwegen ist der Einsatz von Dieselgeneratoren auf Festivals weit verbreitet – wir haben stattdessen Equipment in den Park gebaut und uns direkt an das Stromnetz der Stadt geschlossen, das wiederum aus sauberen, erneuerbaren Energiequellen gespeist wird. In Sachen Transport unternehmen wir auch einiges: Die meisten unserer Fahrzeuge sind elektrisch, dieses Jahr setzen wir zum ersten Mal auch elektrische Gabelstapler ein.“

Øya Festival

Øya Festival / Helge Brekke

Für kleinere Transporte und kurze Strecken verwendet das Øya-Team Lastenräder, die Festivalbesucher und –besucherinnen werden ermutigt, ebenfalls Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, um in das mitten in der Stadt gelegene Gelände zu kommen.

From shit to shower

Trotz eines alljährlich mit großen internationalen Namen bestückten Line-Ups – heuer beispielsweise den Pixies, The XX, Shins, Danny Brown oder Lana del Rey – ist das Øya Festival mit 17.000 Besuchern durchwegs beschaulich und so pittoresk dass es fast schon weh tut: Gemütliche Wanderungen durchs grüne Gras von einer Bühne zur nächsten, die großzügig über den Park verteilt liegen. Kein Drängeln, kein Stress – dafür Verpflegung auf Haubenniveau bei den Essensständen: „Das gesamte Essen ist aus biologischem Anbau, von lokalen Anbietern und großteils vegetarisch. Wir wissen alle, dass wir unseren Fleischkonsum reduzieren müssen. Natürlich kann man beim Øya auch die besten Burger bekommen, aber wir hoffen, den Besuchern mit der guten Essensqualität auch die fleischlosen Varianten schmackhaft zu machen.“

Die kulinarischen Leckerheiten werden sogar nach ihrer Verdauung restlos recycelt. Am Weg vorbei an den Dixi-Klos erklärt Ingrid verschmitzt: „Die Abwasser werden über eine Anlage aufbereitet und ins Heizungssystem der Stadt eingespeist. Jetzt weißt du womit das Wasser aus der Dusche erwärmt wird.“

Wie schmeckt ein Teller?

Ein weiterer zentraler Punkt des Øya-Umweltprofils ist die Müllvermeidung und –wiederverwertung. Zirka 75 Prozent des entstehenden Abfalls werden recycelt, und zwar von den vielen freiwilligen Helfern- und Helferinnen der norwegischen NGO „Nature and Youth“. Bei der Waste Recycling-Station warten stapelweise Müllsäcke darauf, von Helferin Karianne und ihren Kolleginnen geöffnet zu werden: „Wir sortieren den Müll in 15 verschiedene Kategorien von wiederverwertbarem Material.“ 34 Tonnen an CO2-Emissionen können dadurch jedes Jahr vermieden werden.

Øya Festival

Nina Hochrainer

Seit letztem Jahr wird auch wiederverwertbares Geschirr verwendet, das sogar essbar ist. „Es wird mit Wasserdruck aus Weizenkleie hergestellt“, erklärt Øya-Mitarbeiter Simon und beißt showcasemäßig in den Teller. „Schmeckt wie alte Cornflakes.“ Klar, mit den Haubengerichten an den Essensständen können die Teller natürlich nicht mithalten. „Momentan sind sie noch teurer als die Plastikversionen“, erklärt Ingrid, „aber wir hoffen, dass auch andere Eventveranstalter beginnen diese Teller zu verwenden und sie dadurch langfristig günstiger werden.“

Im Kostenfaktor liegt für Ingrid aber nicht die größte Herausforderung nachhaltiger Festivalorganisation: „Ein umweltfreundliches Festival ist nicht automatisch teurer. Wir haben eine große Investition getätigt um den Park an das städtische Stromnetz anzuschließen, aber das hat sich nach drei Jahren schon reingespielt, weil dieser Strom billiger ist als der aus Generatoren. Die größte Aufgabe besteht darin, herauszufinden was funktioniert und was nicht und sich die entsprechenden Kompetenzen anzueignen. Die Erfahrungen daraus können wir dann auch an andere Festivals weitergeben.“

Der lange Weg ins Grüne

Das Øya Festival ist mehrfach mit Umweltawards preisgekrönt und erfüllt seit vielen Jahren eine Pionier- und Unterstützerrolle für andere Musikfestivals und Großveranstaltungen. So wurde ein Umwelthandbuch herausgegeben, in dem sich andere Eventveranstalter Tipps und Anregungen für eine nachhaltigere Organisation holen können. Zudem ist Øya Teil von „Go Operations Europe“, einem unabhängigen Think Tank der Initiativen zur Reduzierung und Minimierung der Umweltbelastungen im Eventbereich vorantreibt.

Øya Festival

Øya Festival / Steffen Rikenberg

Ganz ohne Pferdefüße lebt sich der Traum vom Festivalbesuch ohne schlechtem ökologischen Gewissen dann aber doch nicht. Der Verzicht auf Generatorenstrom gestaltet sich bei einem großen Musikevent auf abgelegenem Gelände ohne Anschlussmöglichkeiten an ein Stromnetz ungleich schwieriger. Und die beim Festival auftretenden internationalen Acts müssen per Flugzeug anreisen, was den ökologischen Fußabdruck drastisch vergrößert.

„Das ist auch meine größte Sorge“, gibt Ingrid zu. „Natürlich treten jedes Jahr auch viele großartige norwegische Acts am Øya auf, aber wir werden wohl auch in Zukunft nicht auf internationale Künstler verzichten. Seit einigen Jahren arbeiten wir aber mit anderen norwegischen Festivals zusammen, indem wir die gleichen Bands buchen. Wird beispielsweise eine 50-köpfige Crew aus den USA für mehrere Auftritte eingeflogen, kann die Tourroute zwischen Göteborg und Oslo mit dem Zug zurückgelegt werden.“

Im Toyenpark ist die nordische Sonne mittlerweile hinter dem Hang verschwunden und von der solarbetriebenen Bühne verklingen gerade die letzten Töne aus Angel Olsens Verstärker. Der Weg zu einem vollends nachhaltigen Festivalerlebnis ist ein langer und steiniger. Das Øya Festival ist zumindest schon ein großes Stück davon gegangen.

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