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Charlize Theron in "Atomic Blonde"

Universal Pictures

Charlize Theron im Gespräch zu „Atomic Blonde“

Mit ihrem neuen Film „Atomic Blonde“, sagt Charlize Theron im FM4-Interview, verfolgt sie eine Mission. Frauen sollen im Actionkino künftig die Hauptrollen spielen.

Von Christian Fuchs

Ihr berühmtes Trademark-Lächeln flackert im Laufe des Gesprächs nur selten auf. Charlize Theron blickt in einem Berliner Hotel beim Pressegespräch zu „Atomic Blonde“ mit überwiegend strengem Blick in die Runde. Denn sie hat eine dringliche Mission. Das Actionkino soll verstärkt auf weibliche Hauptdarstellerinnen setzen.

„Frauen dürfen im Filmbusiness weder hinter noch vor der Kamera nach denselben Regeln wie Männer spielen“, erklärt Theron. „Ein essentieller Teil beim Drehbuch zu diesem Film war es also, ein Experiment zu wagen. Wir wollten eine Frau nehmen und mitten in eine Welt hinein setzen, die schon ewig nur den Männern gehört. Und sie sollte darin nach denselben Regeln agieren. Wir verzichteten also bewusst auf alle gängigen emotionalen Tricks, die bei weiblichen Figuren zum Einsatz kommen. Wir wollten dem Publikum nicht alle 5 Minuten signalisieren: Hier kämpft eine Frau, bitte vergebt ihr für ihre Gewalttätigkeit. Bei Männern braucht es so etwas auch nicht.“

Charlize Theron in "Atomic Blonde"

Universal Pictures

Pures Popkino

Die Welt, die laut Charlize Theron von maskuliner Härte regiert wird, ist die des Agentenkinos. Tatsächlich haben darin Frauen, abgesehen von nicht wirklich geglückten Ausnahmefilmen wie „Salt“ (mit Angelina Jolie) und „Haywire“ (mit Gina Carano), nur Einlass, wenn sie mit James Bond ins Bett gehen oder von Jason Bourne beschützt werden. „Atomic Blonde“ legt es nun mit allen Mitteln auf eines an: Ein mindestens ebenbürtiges weibliches Pendant zu diesen männlichen Superspionen zu präsentieren.

Kinostart:
„Atomic Blonde“ kommt am 24. September in die Kinos

Ex-Stuntkoordinator David Leitch, der auch beim ersten Teil von „John Wick“ die Coregie führte, verpackt diese Agenda in pures Popkino. Angesiedelt in Berlin anno 1989, ein paar Tage vor dem Fall der berüchtigten Mauer, geht es in keiner Sekunde ernsthaft um die Krisenstimmung am Ende des Kalten Kriegs. Sondern um knochenzermalmende Stunts, neongetränkte Bilder, pumpende Beats und das charismatische, oft zerschrammte Gesicht von Charlize Theron in Großaufnahme.

Wer bei den Kulissen, der Mode oder dem endlosen Feuerwerk an Pophits, die die Action untermalen, nach historischer Authentizität sucht, missversteht die Vision von Regisseur und Hauptdarstellerin. „Atomic Blonde“ spielt bewusst in einem Fantasy-Berlin und verbeugt sich auf größtmögliche Weise vor den gesamten 80ern in Form eines grellen Actionthrillers.

Charlize Theron in "Atomic Blonde"

Universal Pictures

Simpler Plot, atemberaubende Action

So weit, so gut, zumindest wenn man, wie der Autor dieser Zeilen, auf ultrastilisiertes Körperkino steht oder auch manche Filme von Nicolas Winding Refn verehrt. Leider hat „Atomic Blonde“ auch einen Plot und der gibt sich kompliziert, voller Rückblenden und Twists, ist aber in Wahrheit äußerst simpel.

Basierend auf einer eher obskuren Comicvorlage („The Coldest City“) zeigt der Film die Abenteuer der MI6 Spionin Lorraine Broughton, die nach Ostberlin geschickt wird, um eine ganz spezielle, geheime Liste aufzuspüren. Darauf stehen die Namen unzähliger Undercover-Agenten, deren Identitäten gefährdet sind. Die eisige Lorraine muss dazu aber mit dem durchgeknallten David Percival zusammenarbeiten, einem britischen Spion, der seine ganz eigenen Fäden zieht.

Mit Toby Jones, John Goodman oder James McAvoy hat sich Charlize Theron souveräne Akteure an Bord ihres Herzensprojekts geholt, auch Sofia Boutella als weibliches Love Interest der ansonsten gefühlskargen Hauptfigur macht ihren Job gut. Aber wegen der Schauspieler oder gar der Geschichte könnte man diesen Film nicht ernsthaft empfehlen.

„Atomic Blonde“ erwacht nur dann wirklich zum Leben, wenn die Story Pause macht und David Leitch das atemberaubende Actioninferno losbrechen lässt. Keine hektischen Schnitte oder sichtbare Computer-Unterstützung stören die Kampfszenen, jeder Schlag tut beim Zusehen weh. Dass sich Charlize Theron einem brutalen Trainingsregime unterworfen hat, zahlt sich sichtbar aus.

Charlize Theron in "Atomic Blonde"

Universal Pictures

Hauptfigur als Mysterium

Es stimmt schon, was Theron im Gespräch so betont, eine weibliche Antiheldin wie Lorraine Broughton gab es noch kaum im Kino. Auch ihre Charaktere in „Prometheus“, „Dark Places“ und vor allem „Mad Max: Fury Road“ gehen beinhart ihren Weg. Aber die wortkarge, menschenfeindliche Spezialagentin Lorraine, die reihenweise Angreifer zermalmt, einsam Wodka trinkt und dabei ihre Wunden pflegt, verfügt bewusst über keinerlei psychologische Backstory, meint Charlize Theron. Sie braucht keine Erklärung für ihr Verhalten, auch keinerlei Entschuldigungen, bleibt ein einziges Mysterium.

„Ich wollte bewusst nichts über sie wissen, keine Geschichten aus der Vergangenheit, die auf die Tränendrüse drücken. Ich wollte sämtliche Emotionen nur über ihren geschundenen Körper ausdrücken. Diese Konsequenz des Films finde ich sehr mutig und ermutigend, vor allem für Zuseherinnen, die sonst nur ängstliche Charaktere vorgesetzt bekommen.“

More Charlize, pleaze!
Christian Fuchs’ Liebeserklärung an eine der großartigsten Schauspielerinnen ihrer Generation anlässlich des Films „Young Adult“.

Die große, platinblonde Frau, die leidenschaftlich über ihr Anliegen spricht, mit „Atomic Blonde“ das männliche Hollywood-Game zu unterlaufen, wirkt dabei Momente lang fast wie ihre Figur. Tough, selbstbewusst bis zum Anschlag, unnahbar. Aber Charlize Theron redet im Gegensatz zu ihrer Filmfigur viel, wählt ihre Worte genau und ihre Biografie ist bekannt. Die gebürtige Südafrikanerin hat einen erschütternden familiären Background, mit einem Alkoholikervater, hinter sich. „All diese Dinge können dich entweder definieren und umklammern“, sagt sie mit unerschütterter Miene, „oder du versuchst irgendwann drüber zu stehen, deine Stärke aus all dem Schrecken zu gewinnen.“

Charlize Theron in "Atomic Blonde"

Universal Pictures

Nach Rollen in Horrorschockern, Komödien und sozialrealistischen Thrillern, unzähligen Award-Nominierungen und einem Oscar für ihre Rolle im True-Crime-Drama „Monster", fokussiert Charlize Theron ihre ganze Energie also auf das Actiongenre. „Mad Max: Fury Road“ sei schuld, erklärt sie, Regisseur George Miller bekehrte sie zu einer kinetischen Art des Filmemachens, bei der es weniger um Dialoge als um bedrohte Körper in rasender Bewegung geht. „Wenn man für Lorraine Mitgefühl empfindet, dann nur auf Grund ihrer Aktionen, ihrer Wunden und Narben, nicht wegen sentimentaler Drehbuch-Ideen.“

Man spürt, wie wichtig dieser knallbunte Genrefilm der erklärten Feministin ist. Charlize Theron hofft, dass im Jahr von „Wonder Woman“ (bei dem Patty Jenkins von „Monster“ Regie führte) auch „Atomic Blonde“ etwas bewegt, bis der Tag kommt, an dem die männliche Dominanz im Blockbusterkino der Vergangenheit angehört.

“Meine Religion ist, dass eine Frau alles machen kann“, sagt sie zum Abschluss. „Leute fragen sich immer noch, ob ein weiblicher Präsident in Amerika möglich wäre. Mein Gott, wir sind in diesen Belangen so spät dran, es ist beschämend, für den Rest der Welt ist das kein Thema mehr. Die dazugehörigen Gedankengänge sind also überfällig.“

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