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Filmstill "Die beste aller Welten" Kind und Mutter liegen am Boden und lesen Zeitung

Polyfilm

„Ich habe nie mit Gram auf meine Kindheit zurückgeblickt“

Der autobiografische Film von Adrian Goiginger erzählt von einem 7-jährigen Buben, dessen Mutter und Lebensgefährte heroinabhängig sind. Im Interview erzählt der Regisseur über seine Kindheit als Sohn einer heroinabhängigen Mutter.

Von Anna Katharina Laggner

Man wünscht das keinem Kind: eine Mutter, die an der Nadel hängt und vom Sozialamt überwacht wird. Der regelmäßige Besuch eines zu Brutalität neigenden Dealers. Ein Stiefvater, der ebenfalls heroinabhängig ist. Und dennoch: schon in der ersten Szene des Spielfilms entdeckt der kleine Adrian am Ufer der Salzach einen spitzen Stein - eine Pfeilspitze! Und seine Mutter erklärt ihm, dass ein Ahne von ihm Abenteurer gewesen sei. Adrian lebt in seiner eigenen Abenteurer-Welt und sie ist gut.

Szenenbild aus "Die beste aller welten", Mutter und Sohn schauen in den Himmel

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Filmstill aus „Die beste aller Welten“

Er habe nie mit Gram auf seine Kindheit zurückgeblickt, sagt Adrian Goiginger, der in „Die Beste Aller Welten“ seine eigene Geschichte erzählt. Jeremy Miliker spielt den 8-jährigen Adrian, Verena Altenberger die Mutter.

Was hat dich bewogen, deine Kindheitserinnerungen filmisch zu verarbeiten?

Adrian Goiginger: Eigentlich war es die Leistung meiner Mutter, die es geschafft hat, mir trotz ihrer Heroinsucht eine derartig schöne Kindheit zu ermöglichen. Nach ihrem Tod - sie ist vor fünf Jahren gestorben - habe ich mir das ins Bewusstsein gerufen, was für eine Leistung das war und dass man das erzählen muss.

Warum muss? Welche Verpflichtung hast du gefühlt?

Es gibt ziemlich wenig Kinder, die in diesem Milieu aufwachsen und nachher die Möglichkeit ha-ben, reflektiert davon zu berichten. Die meisten Kinder, die mit drogensüchtigen Eltern aufwach-sen, kippen selber da rein. Ich habe das Glück gehabt, dass ich drinnen war, aber mit zehn, elf Jah-ren rausgekommen bin. Für mich waren das damals nie grausige Junkies, sondern liebevolle, nette, spannende Typen und ich wollte auch ein bissl ihr Sprachrohr sein und sie in einem anderen Licht zeigen.

Auch Pia Reiser schreibt im dieswöchigen Filmflimmern über „Die beste aller Welten“.

Wie hat man dieses Glück? Im Film wird ja auch dargestellt, zumindest in Nebenschauplätzen, dass du selbst geraucht hast und als Kind die Brutalität schon auch angenommen hast.

Man ist als Kind abhängig von den Eltern und ich habe das Glück gehabt, dass meine Mutter clean geworden ist, 1999, damals war ich acht. Dann sind wir aus dem Viertel raus gezogen, sonst wäre ich da, glaube, ich reingekippt. Insofern bin ich mit einem blauen Auge davon gekommen.

Du hast das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und es ist dir offensichtlich darum gegangen, möglichst authentisch zu sein. Du hast zwar gerade gesagt, reflektiert darauf zu schauen, aber wenn man sich den Film anschaut, dann ist da keine Reflektionsebene. Das geht so weit, dass deine Träume von Kämpfen gegen Monster auch szenisch dargestellt werden.

Das liegt an der Perspektive. Der Film ist erzählt aus dem Blickwinkel vom Kind, das ist das Besondere. Man sieht keine Spritzen herumliegen oder wie die dealen, das wird nur am Rande gestreift. Man erzählt aus der Perspektive des Kindes, das sehr fantasievoll ist und sich ständig Geschichten ausdenkt.

Adrian Goiginger

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Adrian Goiginger

Echt, aber nicht realistisch

Kann man einem Film einen Vorwurf machen, wenn er die persönliche Erinnerungsgeschichte des Drehbuchautors und Regisseurs ist? Man kann, vor allem, wenn die Erinnerung als 90-minütige Kinounterhaltung aufbereitet wurde. Darin steckt in der Tat das Problem, das ich mit dem Film habe: dass die Schemenhaftigkeit der Erinnerung, das Sprunghafte und Assoziative, das individuell Einzigartige zugunsten einer manchmal am Pathos kratzenden Breitenwirksamkeit aufgegeben wurde. Daher das Gefühl, das mich bisweilen überkam: mir wird da etwas vorgespielt, das so sicherlich nie geschehen ist und vor allem: das in derartiger Dramaturgie in keiner Erinnerung existieren kann. Aber so ist das mit den Filmen, die authentisch sind: sie sind echt, aber eben nicht realistisch.

Man kann ja die eigenen Kindheitserinnerungen auch anders erzählen, metaphorischer. Warum dieses eins zu eins, warum diese Authentizität?

Das ist mein Geschmack, ich mag nur Filme, die authentisch sind. Man geht nicht ins Kino, um eine Schauspielerin zu sehen, sondern um eine Figur zu sehen. Kein Mensch interessiert die Verena Altenberger, die spielt, sie wäre heroinsüchtig. Sondern man will wirklich eine Mutter sehen, die süchtig ist und um die Liebe für ihr Kind kämpft. Diese Authentizität braucht es, damit man die Sachen ernst nimmt. Das war mir wichtig, bei den Figuren, bei den Dialogen – es ist alles im kernigen Salzburgerisch – das wird den ganzen Film über durchgezogen.

Für ein Kind ist die Umgebung das Vertraue und die Norm, egal wie krankhaft das Umfeld ist. War das für dich als Kind einfach die Normalität?

Für mich war das ganz normal, dass die Erwachsenen einfach so oder während des Essens ein-schlafen. Ich habe mir gedacht, wenn man erwachsen ist, ist das Leben so anstrengend, dann schläft man einfach ein. Erst im Nachhinein hab ich verstanden, dass das wegen des Heroinkonsums war. Ich habe auch nie ins Bett gehen müssen, ich habe die totale Freiheit gehabt. Ich habe das gar nicht verstehen können, dass es andere Kinder in meinem Alter gibt, wo die Eltern sagen: du musst jetzt ins Bett.

Filmstill aus: Die Beste Aller Welten: Kind gibt Feuer

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Im direkten Umfeld des Buben gibt es den Stiefvater Günter und eine weitere zentrale Figur ist der sogenannte Grieche, der Dealer. Der ist auch dem Kind gegenüber immer wieder brutal und beängstigend. Dass das Kind die Brutalität seiner Umgebung irgendwie ventilieren muss, bleibt Nebensache. Die psychologischen Aspekte und Folgen werden zugunsten der Besten aller Welten nur gestreift.

Ich glaube, jedes Kind macht in seiner Kindheit schlechte Erfahrungen. Man erlebt Sachen, die nicht cool sind: häusliche Gewalt, Mobbing in der Schule, es gibt tausend Sachen. Bei mir waren das halt Menschen, die in ihren Drogenräuschen eskalieren. Es war nicht so schlimm, weil die Gewalt nie von meiner Mutter ausgegangen ist, sondern von anderen. Meine Mutter hat es geschafft, das von mir weg zu halten. Sie hat mich genommen und wir sind Fußball spielen gegangen oder sie hat Abenteuer mit mir gespielt.
Viele Leute fragen mich, ob ich mit dem Film irgendetwas verarbeite, aber ich muss die Erwartung enttäuschen. Es gibt nix zum Verarbeiten. Meine Mutter hat mich beschützt und es war eine schöne Kindheit. Für sie war es nicht schön. Für sie war es zach. Sie hat sich aufgerieben - Heroinsucht ist ja ein Fulltime-Job - mir trotz Heroinsucht so eine schöne Kindheit zu ermöglichen. Aber in meiner Wahrnehmung gibt’s da keine negativen psychologischen Folgen.

Der Bub, der dich spielt, heißt Jeremy Miliker, ihr habt ihn in einem Casting gefunden. Wie habt ihr ihn vorbereitet, ihn eingebettet in die Geschichte?

Wir haben in der Vorbereitung auch versucht, alles Negative von ihm weg zu halten. Er hat nicht gewusst, dass es um Drogen geht oder was genau das Drehbuch des Films ist. Er hat sein eigenes Drehbuch bekommen, da ist es um ein Kind gegangen, das Abenteurer werden will und das seine Mutter liebt. Und alles andere ist ihm dann im Laufe des Drehens passiert, deswegen war das für ihn wirklich ein Abenteuer. Es war alles mit den Eltern abgesprochen, auch das Rauchen - das waren ja nur Kräuterzigaretten. Die Schauspieler sind liebevoll mit ihm umgegangen, aber er hat eine wahnsinnige Leistung gebracht. Er hat eine Natürlichkeit und Authentizität und so ein Talent, seine Emotionen zu zeigen und zuzulassen. Das war für den Film wahnsinnig wichtig. Mich freut es, dass er so einen Spaß dabei gehabt hat und jetzt auch Schauspieler werden will.

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