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Palmen im Hurrikan

SAUL LOEB / AFP

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Die Augenzeugen

Medien lieben Katastrophen. Und bei jeder Katastrophe finden sich immer bulgarische Landsleute von mir, die gerne darüber erzählen.

Von Todor Ovtcharov

„Good news is no news“. Wir kennen alle dieses journalistische Motto. Man mag anderer Meinung sein, aber es ist nicht zu leugnen, dass Medien Katastrophen lieben. Das Publikum auch. Das ist nicht neu. Vor kurzer Zeit fand ich eine Zeitung, die mehr als 110 Jahre alt war. Im Leitartikel ging es um einen Mann, der über den Massenmord im Nachbarhaus erzählte. Es gab sogar ein Foto von ihm, wie er lachend auf das Haus, wo der Mord passiert ist, zeigte.

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Ein Freund von mir war neulich in Florida. Er wollte mir Fotos von seiner Reise zeigen. Die meisten hat er vor der Villa von Versace in Miami gemacht. „Genau hier wurde er erschossen!“, sagte mein Freund mit Freude in der Stimme. Auf seinen lustigen Fotos versuchte er, in verschiedenen Posen einen Toten nachzumachen.

Gemeinsam mit ihm schauten wir uns eine Reportage über den Hurrikan Irma an. In der Reportage sahen wir eifrige Journalisten, die mutig im Regen standen und sich Mühe gaben, nicht vom Wind weggefegt zu werden. Mein Freund fand das sehr dramatisch. Er schrie dauernd den Bildschirm an: „Halt dich an der Palme!“. Er litt mit den Bewohnern Floridas und den Reportern mit.

Ich versuchte, ihn zu erinnern, dass der Hurrikan bereits ganz Kuba weggeblasen hatte. Das Mitleid mit den Kubanern hielt sich aber in Grenzen. Die Nachrichten zeigten geplünderte Geschäfte in Florida mit gebrochenen Vitrinen. „Wie soll ich mit Kubanern mitfühlen“, meinte mein Freund „deren Geschäfte sind sowieso leer!“

Ich schaltete zum bulgarischen Fernsehen um. Sie beschäftigten sich auch mit Irma. Wie immer suchten sie nach Bulgaren, die Augenzeugen von der Katastrophe sind. Die bulgarischen Fernsehkanäle finden immer Landsleute von mir, die sich in der Nähe eines Attentats oder einer Naturkatastrophe befinden. In Bulgarien selbst (vielleicht Gott sei Dank) passiert selten was, worüber die Weltnachrichten berichten wollen. Doch die Bulgaren auf dieser Welt erzählen gerne über jedes Unglück, dass auf dieser Welt passiert.

Man zeigte eine bulgarische Familie, die in Florida lebt, aber keine Angst vorm Hurrikan hat und sich nicht evakuieren lässt. Der Familienvater erzählte stolz: „Wir haben 30 Liter Wasser, 50 Liter Wein und 3 Liter Whiskey. Kein Hurrikan kann uns Angst machen, wir bleiben hier!“ Das war eine gute Nachricht.

Mein Freund war besorgt. „Wie kommen sie mit nur 30 Liter Wasser durch?“. „Wenn sie baden wollen, können sie rausgehen“, sagte ich, „Du hast ja die Reporter im Regen gesehen!“. Und 30 Liter Wasser reichen für 3 Liter Whiskey vollkommen aus.

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