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Portugal. The Man

Franz Reiterer

Live in ecstasy

Portugal. The Man haben nach einem ausverkauften Konzert im Linzer Posthof am Sonntag im Wiener Gasometer gastiert. Es war etwas anders als erwartet, und es war gut.

Von Lisa Schneider

Draußen war das Wetter herbstbotengemäß nass und ungemütlich, am Fluchtort Gasometer aber wars wohlig-warm. Portugal. The Man aus Wasilla, Alaska machten im Rahmen ihrer „Woodstock“-Tour schon den zweiten Abend in Österreich halt: zuvor wurde der Linzer Posthof bespielt. Dort war das Konzert ausverkauft. Für Wien war eigentlich geplant, den Auftritt in der Ottakringer Brauerei abzuhalten, die Location wurde aber bald zu eng, und deshalb ins Gasometer umverlegt.

Nachdem das Set der Salzburger Steaming Satellites, die Portugal. The Man bei ihren Österreich-Auftritten als Supportact begleitet haben, beendet und der Umbau abgeschlossen war, wurde es mit einem Schlag zappenduster. Im Finsteren erklingt plötzlich „Unchained Melody“, der alte, schön schmalzige Schinken, vom Band eingespielt. Es ist auch irgendwie eine Liebesbeziehung, die Portugal. The Man zum österreichischen Publikum unterhalten. Eine Langzeit-Fernbeziehung, treu und ehrlich und von beiden Seiten gehegt und gepflegt. Das beweisen die unzähligen Auftritte der Band hier, wie schon etwa bei einer FM4 Acoustic Session 2009 oder einer FM4 Radiosession im Radiokulturhaus 2011.

Noch während also die süßlichen Klänge von „Unchained Melody“ durch die Boxen hereinprasseln, scheint schwarz auf weiß und schlicht ein Slogan auf der Leinwand hinter der Bühne auf. Er lautet so: „We are not very good at stage banter, so tonight’s performance will feature some slogans written by our management. Thank you for your continued understanding.

Manche haben das vielleicht für einen kurzen Schmäh von Seiten der Band gehalten, aber tatsächlich - der Abend wird wortfrei verlaufen. Außer zwei-dreimal einem kurzen „Thank you, Vienna“, oder „Do you know Steaming Satellites? They’re very dear colleagues of ours“ werden wir von Portugal. The Man nur Singstimme vernehmen. Ein bisschen seltsam ist das schon, man hätte das doch gleich weglassen und gleich einfach nicht sprechen können, muss das angekündigt werden?

Das Set beginnt mit einer Leidenschaft der Band, den Coverversionen – zu einer Instrumentalversion von Metallicas Ernest Hemingway-Interpretation „For Whom The Bell Tolls“ werden die Saiten durchgeschrammelt, wissendes Kopfnicken überall, bevor es nahtlos ins erste „We don’t need no education“ übergeht. Auch Pink Floyd werden also kurz zitiert, bevor es wieder nahtlos übergeht in den ersten richtigen Portugal. The Man-Song: es ist „Purple Yellow Red And Blue“.

Gehetzt folgt dann auch schon das auf ihrer Homepage als „the global smash hit“ angekündigte „Feel It Still“. Viele neue Fans wurden mit diesem Song gewonnen, mit dem sich die Band nach einigen Jahren Zurückhaltung wieder gemeldet haben, das spürt man auch gestern im Gasometer.

Trotz des schnellen Tempos ist das Quartett nicht atemlos, sie preschen von Song zu Song, die Entspannungspausen gestalten sich on stage eben anders. Diese nämlich werden in zerhackten, bassgeschwängerten und wieder an das Intro erinnerndem Geschrammel bestritten. Fast jeder Song darf gegen Ende ausufern, das kann dann, wie etwa bei „All Your Light“ gerne länger als der Song selbst dauern, um den Refrain nach dem Instrumentalpart noch einmal von vorne und mit neu aufgeladener Energie erklingen zu lassen.

Ich bin nicht ganz sicher, mit welchen Erwartungen das Publikum in das Konzert gegangen ist, und habe an vielen verschiedenen Positionen im Wiener Gasometer unterschiedliche Reaktionen registriert. An den locker befüllten Seiten vor der Bühne hat sich da so mancher am Kopf gekratzt oder die Brille gesäubert, während „wieder einmal“ so ein langes Instrumental-Experimental-Monster von der Bühne geschrien hat. Weiter vorne ist die Euphorie naturgemäß ungebändigt, es ist laut, es ist heiß, das ist Rock’n’Roll.

Portugal. The Man haben das Konzept getauscht, vom Crowdpleasing zum Spielen, um des Spielens Willen. Es macht Spaß. Vor allem ist es Bassist Zachary Carothers, der nach vorne drängt, der den Bass nicht zupft, sondern reißt. Der über die Bühne spaziert – der, der ab und zu doch das Wort ans Publikum richtet. Die gesetzte Wirkung, die durch die nicht vorhandenen Bühnenansagen schnell als „the band’s just grumpy“ ausgelegt werden könnte, wird in über die Instrumente ausgelebte Leidenschaft verwandelt. „All I want to do is live in ecstasy, I know what’s best for me.“

Spannenderweise ist es nicht das neue Album „Woodstock“, das im Fokus des gestrigen Abends steht, sondern der Vorgänger von 2013, „Evil Friends“. Sogar das Artwork wird anfänglich in gold-weiß-schwarzen Tropfen im Hintergrund an dieses Album angepasst.

Leider aber hat der titelgebende Track gefehlt, der die Setlist noch gut durchgesalzen hätte. Und dann, kurz vor dem Ende, wollen doch alle versöhnt sein, die Klaviertasten klingen schwer, es kann nur der eine sein: „Don’t Look Back In Anger“, einer der größten und auch am häufigsten gecoverten Songs aus goldenen Oasis-Zeiten, erschallt. Die Hände sind oben, die Smartphones natürlich auch, alle schreien mit, laut, falsch, euphorisch. Ist das gut für eine Band, wenn das Cover einer anderen mehr Jubel auf sich zieht als die eigenen Songs? Im diesem Moment jedenfalls war es in Ordnung, die Version klingt dem Original sehr ähnlich, nur die letzten Zeilen werden verschluckt: auf das „at least not today“ verzichtet Sänger und Gitarrist John Gourley.

Alle sind jetzt bereit für zwei, drei letzte, gute Songs, einer davon ist „Creep In A T-Shirt“, Portugal. The Man zeigen damit wieder einmal ihr Songwriting-Höchstlevel. Das beweisen schöne Zeilen wie: „never was a child, I was born this way“ oder „I’m sorry Mr. policeman, if I wanted to talk, I would have called a friend“.

Es war ein spannender Abend. Das Warmlaufen hat etwas gedauert, das Bleiben hat sich aber gelohnt. Die größte Freude machen uns Portugal. The Man mit ihrer Musik, und dafür braucht es keine Worte dazwischen.

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