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Lluis Gene / AFP

Erich Möchel

US-Internetkonzerne kommen von allen Seiten unter Druck

Rassistische Werbekampagnen und russische Propaganda bei US-Präsidentschaftswahl in Sozialen Netzen werfen kein gutes Licht auf die Web-Giganten und EU-Steuerpläne für Internetkonzerne und deren geplante Gleichstellung mit Telekoms in puncto Überwachung setzten ihnen zu.

Von Erich Möchel

Die Aufdeckung, dass es möglich ist, bei Facebook Werbung direkt für rechtsextreme und Neonazi-Zielgruppen zu buchen, bringt das Soziale Netzwerk weiter unter Druck. Erst Anfang September war bekanntgeworden, dass sichrussische Akteure ebenfalls der „Microtargeting“-Möglichkeiten Facebooks bedient haben, um die Präsidentschaftswahl in den USA zu beeinflussen. Facebook muss nun Sonderermittler Robert Mueller - einem Ex-Direktor des FBI - dazu Rede und Antwort stehen.

Nachdem die gemeinnützige Plattform ProPublica aufgezeigt hatte, dass man bei Facebook Werbung für Antisemiten und Rassisten schalten kann, demonstrierte das Onlinemagazin BuzzFeed, dass auch Google und andere Internetkonzerne an „Judenhasser“ gerichte Werbekampagnen zuließen. Am Freitag wiederum einigte sich der Rat der europäischen Finanzminister grundsätzlich darauf, US-Internetkonzerne in den EU-Mitgliedsstaaten nach ihren jeweiligen Umsätzen dort zu besteuern. Diese Einigung ist viel weitreichender, als es den Anschein hat.

Wunschzielgruppe Neonazis und Rassisten

Facebook wie Google haben zwar schnell auf die Medienberichte reagiert und wenigstens die krudesten Nazi-Begriffe für den Anzeigenverkauf deaktiviert. Das Problem selbst wurde damit aber nicht behoben, da es tief in den funktionalen Strukturen des Geschäftsmodells verankert ist. Der automatisierte Anzeigenverkauf bei Facebook wie bei Google und vielen anderen Internetkonzernen ist ähnlich aufgebaut. Durch Eingabe von Wörtern oder Phrasen werden Werbewilligen weitere Suchbegriffe vorgeschlagen, anhand derer sie ihre Wunschzielgruppe selbst zusammenstellen können.

Facebook-Screenshot

Pro Publica - gemeinfrei

Die erfolgreiche Buchung einer Facebook-Zielgruppe von 100.000 Rassisten, Neonazis und anderen Rechtsextremen durch ProPublica

Auch bei der Datenschutzgrundverordnung der EU hatte die irische Regierung alles versucht, um die Regelung nach Kräften zu sabotieren. Für schwere und wiederholte Datenschutzverstöße hatte man als Sanktionen „Rügen“ vorgesehen.

Diese Vorschläge von Suchbegriffen werden von den Algorithmen der Unternehmen mit unterschiedlichen Methoden aus den Benutzerprofilen extrahiert. Die Algorithmen errechnen aus Eigenangaben im Profil, Diskussionsthemen, „Likes“, Hyperlinks und den Beziehungen zu anderen Benutzerprofilen etc. Wahrscheinlichkeiten aus, dass die von Werbekunden eingegebenen Begriffe zutreffen. Wer nach „Juden“ in Kombination mit irgendeinem pejorativen Beiwort sucht, bekommt dann etwa „jüdische Parasiten“ mitsamt den Zielgruppen angeboten, die mit einer solchen Botschaft zu erreichen sind.

Andere Stichworte, selbes Problem

Das sind Extrembeispiele, die unter Verwendung nachgerade primitiver Suchmethoden an die Öffentlichkeit gekommen sind. Wie Recherchen von US-Onlinemedien gezeigt haben, war es nach den Sperren genauso möglich, ein vergleichbares Anzeigenpublikum aus rechtsradikalen Zielgruppen mit ein paar Klicks zusammenzustellen. Die sind auch schon deshalb leicht zu finden, weil es hier große Überschneidungen mit anderen Gruppen gibt, die von den erzielbaren Reichweiten wesentlich interessanter, weil viel größer sind.

Über Begriffe „Freimaurer“ oder „Second Amendment“ - das Recht Waffen zu tragen in der US-Verfassung - kommt man an große Teile eines solchen Publikums: Die automatisierten Vorschläge von Facebook, Google und Co helfen dann bei der Feinauswahl. Ähnliches lässt sich auch mit per se völlig unverdächtigen Phrasen erreichen, wenn die gerade typisch für die Wortwahl in solchen Kreisen sind. Auf den deutschen Sprachraum umgelegt, führen Begriffe und Phrasen wie „Scheinasylanten“, „Umvolkung“ oder „das Boot ist voll“ zu vergleichbaren Resultaten.

Hearing im US-Kongress, Mark Zuckerberg

Mit welchen Begriffen die offensichtlich entlang russischer Interessen geschalteten Anzeigenkampagnen während des US-Präsidentschaftswahlkampfs operiert haben, ist bis jetzt nur Facebook selbst bekannt, wie auch der Inhalt der dort geschalteten Banner. Aussagen von Facebook-Offiziellen sind auch die Grundlage aller bisherigen Nachrichten zum Thema, ob es noch andere Kampagnen dieser Art während des US-Wahlkampfs gab, weiß Facebook nach eigenen Angaben bis jetzt selber nicht.

Die US-Senatoren Mark Warner (D) und Richard Burr (R) hatten sich am Donnerstag für eine - sehr wahrscheinlich öffentliche - Anhörung in zur möglichen russische Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahlen ausgesprochen. Sowohl Warner wie Burr als Vorsitzender gehören dem Senatsausschuss für die Geheimdienste an. Von dort dürfte auch die urprüngliche Anfrage an Facebook im Rahmen der laufenden Untersuchung im US-Kongress gekommen sein, die das Unternehmen zu den oben zitierten Aussagen veranlasst hatte. Bei so hochkarätigen Hearings im US-Kongress ist es üblich, dass die CEOs der jeweiligen Firmen vorgeladen werden, es ist daher gut möglich, dass Mark Zuckerberg bald vor dem Kongressausschuss erscheint.

Druck von allen Seiten in Europa

Der EU-Ministerrat hatte im März die Gleichstellung von WhatsApp, Facebook und Co und europäischen Telekoms in puncto Überwachung als offizielle Ratsposition übernommen.

In Europa wiederum kommt Facebook immer stärker unter Druck, vor allem rassistische Postings zeitgerecht zu löschen. Im Zuge des deutschen „Sicherheitspakets“ war auch ein Gesetz gegen „Hasspostings“ mit hohen Strafen verabschiedet worden, das nun schlagend wird. Google wiederum wurde im EU-Kartellverfahren erst Ende Juni von der EU-Kommission wegen Ausnutzung seiner monopolähnlichen Marktposition zu einer Strafe von 2,5 Milliarden Euro verurteilt und hat dagegen berufen. In der Berufung ist auch Apple und zwar gegen eine Rekordstrafe von 13,5 Milliarden Euro, die ebenfalls von der EU-Kommission verhängt worden war.

Gesetzesentwurf Screenshot

gemeinfrei

Der erste Punkt in den einleitenden Erläuterungen zur geplanten Richtlinie für eine Umsatzbesteuerung von US-Internetkonzernen in Europa

Diese Summe wurde von der Kommission nicht Brüssel, sondern Dublin zugesprochen, wo der Haupsitz Apples in Europa ist. Dort wehrt man sich mit Händen und Füßen gegen diese unverhofften Einnahmen, offenbar ist der Status Quo Irlands als europäisches Steuerparadies um vіeles lukrativer. Dessen Ende ist allerdings nun genauso abzusehen wie auch der Status der zweiten Steueroase auf EU-Boden für Internetkonzerne, nämlich Luxemburg, so nicht bleiben wird. Im Report des parlamentarischen Berichterstatters Paul Tang (SPE) an den Ministerrat ist nämlich von 4-5 Milliarden Euro die Rede, die den europäischen Mitgliedsstaaten zwischen 2013 und 2015 alleine von Google und Facebook entgangen sind. Diese Rechnung basiert auf dem geplanten Steuersatz von bloßen fünf Prozent auf die Umsätze der Konzerne im EU-Raum.

Umsatzbesteuerung, Geschäftsmodelle

Am Freitag wiederum einigte sich der Rat der europäischen Finanzminister grundsätzlich darauf, US-Internetkonzerne in den EU-Mitgliedsstaaten nach ihren jeweiligen Umsätzen dort zu besteuern. Diese Einigung ist viel weitreichender, als es den Anschein hat.

Diese nach Jahren des Hin und Her nun erreichte prinzipielle Einigung der EU-Finanzminister sieht zwar aus wie ein Minimalkonsens. Tatsächlich trifft der Ansatz aber mitten in die Geschäftsmodelle von Facebook, Apple, Google und so gut wie alle US-Internetkonzerne, die in Europa tätig sind. Die übliche Versteuerungspflicht von Gewinnen greift bei diesen Unternehmen deshalb nicht, weil die regionalen Niederlassungen kaum Gewinne produzieren. Die Werbeumsätze der Tochterfirmen in den EU-Mitgliedsstaaten werden durch Lizenzgebühren, Markenrechte und andere Copyrights weitgehend aufgefressen, die an die Mutterfirmen zu entrichten sind.

Und die sitzen nun einmal mit wenigen Ausnahmen in Irland, wo die rechtliche Situation den als „Double Irish with Dutch Sandwich“ sattsam bekannten Steuertrick ermöglicht. Aus Irland gehen die Gelder erst nach Holland, von dort auf Inseln in der Karibik, die zum Hoheitsgebiet der Niederlande gehören und können dann zu einem lächerlich niedrigen Steuersatz ganz legal nach Irland zurückkehren. Daher kommt es so gar nicht überraschend, dass Irland sich als einziges EU-Mitglied offen gegen diese Pläne stellt. Die Kommission zeigte sich nach dem Treffen sehr zuversichtlich, dass es zu einer Einigung über diese neue Mehrwertsteuer für Internetkonzerne mit einer qualifizierten Mehrheit kommen wird.

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