FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Das kleine 1x1 des Populismus

WIR gegen die bösen ANDEREN. Daraus macht man nicht nur Hollywood-Blockbuster, damit macht man oft auch Politik.

Von Niklas Lercher

Populistische Parteien befinden sich in ganz Europa im Aufwind. Ihr Erfolgsrezept ist im Grunde relativ simpel, behauptet die Journalistin Nina Horaczek in ihrem Buch „Populismus für Anfänger“. Im Interview erklärt sie, was das mit Hollywood zu tun hat und welche populistischen Muster im österreichischen Wahlkampf erkennbar sind.

Nina Horazcek

Niklas Lercher

Das Buch „Populismus für Anfänger – Anleitung zur Volksverführung“ von Nina Horaczek und Walter Ötsch ist 2017 im Westend Verlag erschienen.

Niklas Lercher: Sie sagen in Ihrem Buch, Populismus sei kein Geheimnis. Eigentlich lässt sich alles auf eine vereinfachte Weltsicht runterbrechen: Eine Gruppe der WIR gegen eine Gruppe der ANDEREN. Wer sind diese beiden Gruppen?

Nina Horaczek: Die WIR zeichnen sich immer dadurch aus, dass sie die Guten, die Braven, die Ausgenützten sind. Oder wie es die FPÖ formuliert: die ‚echten‘ Österreicher. Die ANDEREN sind immer die, die gegen die WIR sind - ein Bild einer homogenen Feindesgruppe. Das sind die ‚da oben‘, das ist die Elite. Norbert Hofer hat im Präsidentschaftswahlkampf dazu Schickeria oder High Society gesagt. Die ‚da draußen‘ sind auch Feinde. Zum Beispiel AusländerInnen, die uns von draußen angeblich bedrohen. Und dann gibt es auch noch die ‚da unten‘. Das sind dann die Sozialschmarotzer, die den tüchtigen, hart arbeitenden WIR alles wegnehmen.

Ist immer festgesetzt, wer zur WIR-Gruppe gehört?

Nein, das kann sich verändern und ist sehr widersprüchlich. Zum Beispiel, wenn man die FPÖ anschaut, zählen zu den ‚echten‘ ÖsterreicherInnen – also den WIR - auch serbisch-stämmige Menschen. Wo man sich fragt, warum jetzt ausgerechnet serbisch-stämmige Leute dazugehören sollen, aber türkisch-stämmige zum Beispiel nicht? Naja, die türkisch-stämmigen sind die Bösen, weil das Moslems sind. Also das WIR ist in gewisser Weise auch immer dehnbar.

Wie setzen Rechtspopulisten die Abgrenzung von der Gruppe der ANDEREN dann ein?

Sie vermischen die Gruppen der ANDEREN und argumentieren in etwa so: Die Bösen ‚da oben‘ lassen die Bösen ‚da draußen‘ in unser Land, und die nehmen als sogenannte Sozialschmarotzer ‚da unten’ UNSEREN Leuten die Sozialleistungen weg. Wir alle kennen die Polemik um anerkannte Flüchtlinge, die die Mindestsicherung erhalten.

Die Einteilung in Gut und Böse hört sich ein bisschen nach Hollywood-Filmen an…

Genau so funktioniert das auch. Das ist das Drehbuch rechter Demagogie. Und wie im Hollywood-Film kommt dann der Retter oder die Retterin, meistens ist es der Retter. Diese Figur bezeichnen wir unserem Buch als Super-WIR. Das ist der Super-Gute und Super-Tolle, der uns alle erlösen wird.

Das Super-WIR, den Mann oder die Frau an der Spitze rechtspopulistischer Parteien, bezeichnen Sie als eine Art unfehlbaren Helden. Wie darf man das verstehen?

Naja, wenn jemand ein Super-WIR ist, dann ist er super gut und kann gar keine Fehler machen. Die Person ist ja fast ein Gottwesen, das uns beschützt. Die morallosen, bösen ANDEREN wollen das Super-WIR fertig machen und behaupten erfundene Dinge. Das sah man zum Beispiel ganz konkret, als in Frankreich gegen die Front National-Chefin Marine Le Pen ermittelt wurde. Da war sofort klar, das ist das böse Establishment, die wollen ihr was anhängen. Eine große Verschwörung also. Das Super-WIR ist gleichzeitig auch immer Opfer der ANDEREN, die nicht wollen, dass die guten WIR befreit werden. Also wie in Hollywood.

Ohne die Einteilung in WIR und die ANDEREN funktioniert Rechtspopulismus also nicht?

Man muss schon sagen, es ist prinzipiell nichts Verwerfliches, in Gruppen einzuteilen. Das machen wir dauernd. Wir sind beispielsweise Teil unserer Firma, da sind die anderen, die Konkurrenz. Es gibt Männer/Frauen, alt/jung und so weiter. Der Unterschied ist aber die Ausschließlichkeit und die Radikalität, mit der rechte Demagogen das betreiben. Da darf es nichts Verbindendes geben, nichts Gemeinsames, sondern es muss alles ganz klar schwarz-weiß sein.

Welche populistischen Muster erkennen Sie im derzeitigen Wahlkampf in Österreich?

Ich war gerade am Wochenende beim FPÖ-Wahlkampf-Auftakt, wo behauptet wurde, das Land sei so unsicher, dass es am besten wäre, wenn hinter jeder Frau im Land ein Polizist stehen würde. Da wird also ein völlig überzeichnetes Horrorszenario dargestellt. Und dann kann man sagen, „wenn wir kommen, dann wird wieder alles geordnet und so wie früher“. Das ist auch ein Muster rechter Demagogie, dass man einen Geschichtsmythos erzeugt. Man sagt: Früher war alles besser und zeichnet zum Beispiel ein Bild von einem Österreich der 1950er Jahre als Idealzustand. Ich bin mir sicher, dass der überwiegende Teil der Frauen - aber auch der Männer - in diesem Land nicht mehr in einer Gesellschaft leben möchte, wo der Mann das Oberhaupt (der Familie und somit auch der Frau) war, wo Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar und es normal war, dass die Eltern ihre Kinder geprügelt haben. Diese heile Welt von früher gibt es nicht. Trotzdem schaffen es Rechtspopulisten, eine Sehnsucht nach dieser Welt zu erzeugen.

Sebastian Kurz und Christian Kern wird ja ebenfalls ein Spielen mit dem Populismus nachgesagt. Haben die beiden den Populismus für sich entdeckt?

Bei Sebastian Kurz sehe ich zumindest - und das hat man so bei ihm früher nicht gesehen -, dass gewisse Muster, die Walter Ötsch und ich in unserem Buch beschreiben, plötzlich eingehalten werden. Wie zum Beispiel der Vergleich von Äpfel und Birnen. Sebastian Kurz hat etwa behauptet, dass Flüchtlinge doppelt so viel bekommen würden wie ein armer Mindestpensionist in Österreich. Kurz erwähnte aber nicht, dass er dabei eine mehrköpfige Flüchtlingsfamilie mit einer einzelnen Person vergleicht, die als Pensionist in Österreich lebt. Also eigentlich eine Rechnung, die so nicht ok ist. So etwas passiert nicht zufällig, sondern wird gezielt verwendet, um Emotionen anzusprechen. Die da, die bösen ANDEREN bekommen so viel und nehmen uns alles weg. Das ist ein klassisches Bild, das wir aus dem Rechtspopulismus kennen. Das gab es früher bei der FPÖ, aber nicht bei der ÖVP.

Wie hält es Kern mit dem Populismus im Wahlkampf?

Was mir bei Kern aufgefallen ist, war dieses Video, wo ein Stammtisch inszeniert wurde. Dort durfte sich eine Frau gegenüber Moslems richtig auskotzen. „Die will ich nicht da haben“, war der ungefähre Wortlaut. Die SPÖ argumentierte auf Kritik, sie hätte eh dagegen geredet und man müsse ja alle Stimmen zeigen. Nur sucht die SPÖ natürlich gezielt aus, was in ihrem Wahlvideo vorkommt, und da wird auch mit Bildern gearbeitet, die ziemlich hässlich sind.

Das Flüchtlingsthema ist allgegenwärtig im Wahlkampf, obwohl die Zahl der Menschen, die zu uns kommen, deutlich gesunken ist. Warum ist das so?

SPÖ und ÖVP glauben, damit mobilisieren zu können, sie erhoffen sich Wählerstimmen. Und keine der beiden Parteien traut sich, da der FPÖ etwas entgegenzusetzen. Das hat der Wiener Bürgermeister Michael Häupl im Wien-Wahlkampf 2015 noch gemacht. Er sagte damals, dass er keinen Wahlkampf mache auf Kosten von Leuten, die vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind.

Nun sehen Kern und Kurz das Flüchtlingsthema durch die populistische Brille?

In der SPÖ und vor allem auch in der ÖVP wird die Flüchtlingsfrage nur mehr als Negativthema gesehen. Womit ich nicht sagen will, es gäbe keine Probleme. Natürlich, wenn so viele Menschen in ein Land kommen, gibt es ohne jeden Zweifel auch Schwierigkeiten. Dieses Thema aber nur mehr negativ zu betrachten, halte ich für kurzsichtig. Auf lange Sicht hilft das vor allem den Freiheitlichen. Denn die Leute wissen ziemlich genau, wer auf diesem Feld die Ersten waren: Da ist das Copyright bei der FPÖ.

mehr Politik:

Aktuell: