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Balinesisches Brautpaar, ganz in Gold und Seide

Valerie Kattenfeld

weltreiseblog

Eine Hochzeit und ein Todesfall auf Bali

Müsste ich Bali in einem Wort zusammenfassen, dann wäre es „magisch“. Über eine unverhoffte Einladung darf ich an einer Hochzeit und einer Beerdigung teilnehmen.

Von Valerie Kattenfeld

Bali ist der perfekte Einstieg in den für mich neuen Kontinent Asien, den ich im Zuge meiner Weltreise zum ersten Mal betrete. Wie benommen wandle ich durch lampionbeleuchtete Gassen, folge den phantastischen Klängen der Gamelanmusik, stolpere von einer traditionellen Tanzvorführung in die nächste. Ich verliere mich in Tempeln, Schattentheaternächten und dem vermutlich facettenreichsten Yoga-Zentrum, das man auf diesem Planeten finden kann. Das Yoga Barn in Ubud liegt in einer idyllischen Gartenanlage und bietet neben unzähligen Yoga-Formen auch „Shamanic Breathwork“, „Ecstatic Dance“, „Heart Talks“ und Filmabende an.

Quirlig geht es rundherum auf Ubuds Straßen zu. Alle paar Gehsteigmeter findet man farbenfrohe Miniaturkunstwerke, die der Huldigung von Göttern und der Besänftigung von Dämonen dienen. Die kleinen quadratische Schälchen aus Kokosblättern sind mit Blüten, Räucherstäbchen und manchmal kleinen Leckereien gefüllt. Man findet sie auf Stufen, Mauervorsprüngen und auf dem Boden.

Opferschälchen auf Bali

Valerie Kattenfeld

Anders als das zu 90 Prozent muslimische Indonesien, wird auf Bali Hindu-Dharma praktiziert, eine spezielle Form des Hinduismus mit buddhistischen Einflüssen.

Eine große Rolle spielt dabei der Glaube an die Wiedergeburt. Wenn ein Kind geboren wird, holt man einen Geistlichen, um herauszufinden, um welche Seele es sich handelt. Die Balinesen glauben daran, dass man immer wieder in die selbe Familie hineingeboren wird. Oft heißt es dann, dass das Kind die Seele der Urgroßmutter oder des Urgroßvaters ist. Dem Kind wird sein richtiger Name erst nach drei Monaten gegeben, da der Körper erst dann bereit ist, die Seele in sich aufzunehmen.

Eine unverhoffte Einladung

In Ubud sehe ich drei Männer einen goldenen und einen rot funkelnden Drachen auf ein Auto laden. Neugierig frage ich, ob es denn einen Umzug oder so etwas geben wird. „Die sind für meine Hochzeit“, antwortet Ketut und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Du kannst gerne kommen. Morgen bereiten wir noch vor und übermorgen ist die Zeremonie.“

Als ich am nächsten Vormittag an der besagten Adresse erscheine, begrüßen mich die beiden Drachen bereits links und rechts des Eingangs. Ich betrete das Familienanwesen, eine kleine Anordnung an Tempeln und Wohnhäusern. Hier wird Ketuts Braut Kadek also einziehen und mit der Familie ihres Mannes zu leben.

Der gesamte Innenhof ist eine einzige Bastelstation, in der etwa dreißig Menschen herumwerken. Da werden bunte Vorhänge aufgehängt, Plastikstühle mit rotem Samt und gelben Schleifen überzogen und hohe Gestecke aus Palmblättern geformt. Blüten sind darin wie Gesichter eingeflochten und darunter werden Äpfel, Orangen und Muffins zu Pyramiden aufgetürmt. Es dauert nicht lange, bis auch ich in die Technik des Palmblattfaltens eingeweiht bin.

Die Sprachbarriere spielt dabei gar keine Rolle. Die balinesischen Frauen lächeln mich herzlich an und zeigen mir geduldig, wie man das junge Kokosblatt so herumzwirbelt, dass daraus ein gezackter Rahmen entsteht. Dazu gibt es Tee und Reiskuchen. Ich bin unheimlich dankbar, hier sein zu dürfen. Situationen, in denen ich die einzige Touristin bin, sind mir die liebsten.

Hochzeitsvorbereitungen: zwei Frauen sitzen zwischen viel Blumenschmuck

Valerie Kattenfeld

Hochzeit in der Sarong

Am nächsten Tag ist es soweit. Für die Hochzeit darf ich mir von der Gastgeberin meines Homestays sogar eine Sarong ausborgen. Das traditionelle balinesische Kleidungsstück wird von Frauen und Männern wie ein Wickelrock getragen und vor dem Bauch zusammengeknotet. Mein Sarong ist neongrün mit rot-gelbem Karomuster. Und damit wahrscheinlich die hässlichste des Tages. Aber was soll’s. Kleidung ist für mich nur Mittel zum Zweck, in meinem Rucksack ist kein Platz für Eitelkeiten.

Als ich ankomme, ist der Priester bereits eingetroffen. Gemeinsam mit dem Brautpaar und dessen Eltern sitzt er auf dem Boden, um die Gaben zu segnen. Sie falten die Hände vor der Stirn, schließen die Augen und wiederholen konzentriert ihre Mantras. Im Laufe der nächsten zwölf Stunden gibt es eine Reihe von traditionellen Handlungen: ein Fruchtbarkeitsritual mit einem Ei, das gegenseitige Sich-Füttern des Brautpaares beim Mittagessen und das Durchstechen eines Blättergeflechts, das von der Braut gehalten wird. Dazwischen wird viel genascht, getratscht, herumgesessen und gewartet. Unter den rund zweihundert Gästen befindet sich auch Komang, Ketuts Bruder.

Valerie Kattenfeld und Komang essen Fleischspießchen

Valerie Kattenfeld

Während der Zubereitung der Fleischspieße erzählt mir Komang ein wenig über die Hintergrundgeschichte der Hochzeit. Ketut hat sich erst vor einem Monat von seiner vorherigen Frau scheiden lassen. Mit ihr hat er zwei Kinder, davon hat eines das Down Syndrom. Das ist bestimmt nicht einfach in einer Gesellschaft, die physische und psychische Behinderungen groß in Rot auf die eigene Karma-Rechnung schreibt. Symbolisch dafür kann die spezialisierte Schule Sjaki-Tari-Us stehen, die von Niederländern in Ubud ins Leben gerufen wurden. Sie richtet sich speziell an Kinder mit geistigen Beeinträchtigungen, die in Bali häufig diskriminiert werden. Entsprechende Einrichtungen rar sind.

Ketuts fünfjähriger Sohn sitzt auf einem roten Teppich, dahinter steht ein in gold gerahmtes Foto von Ketut und Kadek im Wald. Sie trägt ein leichtes weißes Kleid, er kniet vor ihr und hält ihre Hand. Die ausgestellte Romantik finde ich in der gegenwärtigen Zeremonie nicht wieder. Fast mechanisch folgen die beiden den unzähligen Punkten ihrer Tagesordnung. Sie falten brav die Hände, schließen die Augen und halten dem heiligen Wasser des Priesters die Stirn entgegen. Über sie ergießt sich der angeblich glücklichste Tag ihres Lebens. Trotz der prunkvollen Fassade und der guten Stimmung, erzählen manche Momente eine andere Geschichte.

Brautpaar, sie schaut hoch und ein wenig skeptisch

Valerie Kattenfeld

Im Monkey Forest

In der nächsten Woche unternehme ich viel mit Komang. Wir fahren zu den Reisfeldern, den Holy Springwaters and probieren Luwak Kaffee. Dieser Kaffee gilt als Delikatesse, denn seine Bohnen entspringen den Exkrementen des Fleckenmusangs, ein Gourmet unter den Schleichkatzen.

Selfie Valerie und Komang vor grünen Bergen

Valerie Kattenfeld

An meinem letzten Tag auf Bali nehme ich an dem Begräbnis des Großvaters von Komangs Frau teil. Die Zeremonie dauert den ganzen Tag. Sie beginnt mit Gebeten im Haus des Verstorbenen. Danach ziehen alle mit zwei Särgen zu Fuß zum Monkey Forest, wo die Kremation stattfindet. Der vordere Sarg ist leer und soll die Dämonen von dem Verstorbenen ablenken. Es heißt, dass eine Seele noch nicht frei ist, solange sie noch einen toten Körper hat, an dem sie haften kann. Deshalb ist das Verbrennen in Bali so wichtig. Wer sich eine eigene Feuerbestattung nicht leisten kann, kann auf einen Gruppentermin warten.

Später werden Asche und Knochenstücke auf ein weißes Tuch gelegt, das wiederum einer Palmblattmatte aufliegt. Die Reste des Verstorbenen werden sorgfältig eingewickelt, während eine Gruppe von Frauen ein Klagelied singt. Eine wischt sich immer wieder die Augen. Sie ist die einzige Person, die ich weinen sehe. Ansonsten ist die Stimmung des Begräbnisses relativ entspannt und fröhlich. „Eine Bestattung ist ein Anlass, bei dem Freunde und Familie oft nach langer Zeit wieder zusammenkommen.“ erklärt Komang. „Es werden Neuigkeiten ausgetauscht, es wird gelacht und gegessen.“

Begräbnis auf Bali

Valerie Kattenfeld

Hier im Monkey Forest hamstern sich übrigens auch die Affen was vom Buffet ab. Was aber niemanden stört. Genausowenig die Touristen, die wegen der Tieren da sind und sich nun nebenbei ihre Funeral Snapshots abholen.

Erst am Meer sind wir wieder unter uns. Es folgt ein letztes Gebet, bevor die kleine Matte mit der Asche und ein paar Gaben auf die Wellen gesetzt wird. Mit dem Sonnenuntergang hat sich Ruhe auf die etwa hundertfünfzig Personen große Gemeinschaft gelegt. Räucherstäbchen verströmen ihren sanften Duft. Alle Blicke liegen auf dem Meer. Sie folgen dem, der nicht mehr ist. Dessen Seele nun frei ist, um sich einen neuen Körper zu suchen. Wer weiß, vielleicht wird es Ketuts und Kadeks erstes Kind sein?

geflochtene Palmschälchen vor dem Meer

Valerie Kattenfeld

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