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Clap Your Hands Say Yeah

Patrick Muennich

Upon This Tidal Wave Of Young Blood

Clap Your Hands Say Yeah aus Brooklyn liefern Motto, Titelsong und Headlinerslot am gestrigen Eröffnungsabend im Wiener WUK. Auch sonst ist alles gelungen an diesem ersten Abend am Waves Vienna Festival.

Von Lisa Schneider

Hinaus aus der Straßenbahn, die Wege zum WUK hinauf, und überall sind sie schon, rot auf den Beton gedruckt, die Katzen-Pratzerl und das Waves-Logo, die einen hinführen ins dieswöchige Wiener Hauptquartier für ausgesuchte Musik. Das zweite Mal schon findet das Waves Vienna Festival im und um das Werkstätten- und Kulturhaus im 9. Wiener Gemeindebezirk statt.

Eine der zehn Bühnen, die Ottakringer Stage, haben am frühen Abend Cari Cari eröffnet. Es ist heiß, eng und unglaublich voll, und das passt gut zum wüsten Rock’n’Roll, der da von der Bühne scheppert, es passt auch gut zum geflüsterten „Stay with me“. Es klingt wie etwas, das man gut kennt - sehr basic, sehr druckvoll, oft melodisch auf hart geschlagenes Schlagzeug und ein Gitarrenriff beschränkt ist es das wohl puristischste Rockset des gestrigen Abends. Erste Runde, aufgeheizt.

Cari Cari

Christoph Kaltenboeck

Die Qual der Wahl - leicht gemacht

Einer der schönsten Vorteile des Umzugs des Waves Vienna vom Standort Alte Post zum jetzigen im WUK sind die ersparten Wege. Nicht nur, weil man am Wochenende gerne gehfaul ist, sondern weil die Qual der Wahl beim Bands Herauspicken ein bisschen genommen wird. Gefühltes zweimal Umfallen, und man findet sich schon im großen Saal im WUK wieder, wo auch noch am früheren Abend Cold Cold Nights spielen.

Das Waves Vienna Festival findet rund um das Wiener WUK von 28. bis 30.September statt.

Die zwei Gastländer heuer sind Italien und Tschechien, Cold Cold Nights kommen aus Prag, Sänger Jakub Jirásek, der vorher solo unter dem Namen „J“ unterwegs war, hat sich drei Bandkollegen an die Seite geholt. Er steht nicht in der Mitte der Bühne, auch wenn er der Kopf ist: vielmehr ist es ein Trompeter, der sich eben um die Kopfstimme kümmert. Die von Jakub tief gesungenen Songs sitzen, es ist dunkel-schöner Folk mit Postpunk-Hauch, die hohen Töne gehen leider einige Male daneben. Das tut der Gesamtstimmung aber keinen Abbruch: die vorher noch locker gefüllte große Halle wird nach und nach ebenfalls zum kuscheligen Aufenthaltsort.

Zuckerwatte & Clubkultur

Kurz hinausgesaust ins Foyer – da hat zur selben Zeit eine der momentan spannendsten Grazer Bands gespielt, nämlich Crush. Sängerin Tina Lessiak „steht total auf kitschigen Pop“, wie sie im FM4 Soundpark-Interview kürzlich verraten hat, da darf natürlich die Bonnie Tyler-Hommage mit rosa-grauem Nebel nicht fehlen. Crush sind aber keineswegs nur zuckersüß und zuckerlrosa: live klingen sie viel grungiger als auf Platte, und ein bisschen Those Dancing Days, ein bisschen Alvvays ist da auch dabei.

Crush

Christoph Kaltenboeck

Und wieder ist es nur ein einmaliges Umdrehen, zurück in den großen Saal, es gibt die nächste österreichische Band im Waves-Lineup zu sehen, Nihils. Das Tiroler Trio, das mittlerweile gemeinsam nach Berlin gezogen ist, hat ihren Pop für ihr neues Album „Perspectives“ in elektronisches Gewand gehüllt - daran ist vor allem auch „das Berliner Umfeld, die dortige Clubkultur“ schuld, verrät die Band. Wer Nihils auf ihrer Tour, etwa auch beim heurigen Out Of The Woods Festival in Wiesen gesehen hat, wird gestern festgestellt haben, dass das neue Set mittlerweile schon viel smoother und eingespielter klingt, Sänger Ramon Riezouw gibt den Frontmann in affektierter Pose, manchmal ein bisschen zu sehr, dann aber wieder so, dass es zur dezenten Melancholie der Songs passt. In der Liveumsetzung kommen vor allem die Drums spannend zur Geltung, im Stehen gespielt von Thomas Lackner, er treibt das Set in eine kantigere, lustvolle Richtung.

Nihils

Christoph Kaltenboeck

Es geht ums Entdecken

Das Waves Vienna Festival ist nicht nur ein Musikfestival, sondern bestreitet auch parallel dazu ein dichtes Programm an brancheninternen Konferenzen. Die Diskussionen bleiben aber nicht vormittags in abgeschiedenen Räumlichkeiten hängen, sie gehen auch abends noch lang weiter, im wunderbar herbstlich-verfärbten WUK-Innenhof, beim Ausklangsbier. Ein polnischer Journalist, er arbeitet beim lokalen Radio Afera, erzählt mir, wie spannend er es findet, Bands in ihrer Landessprache singen zu hören. Für ihn ist die Stimme zuerst Instrument, dann erst Transporteur von Inhalten – und er findet es schade, so wenige österreichische Bands auch so singen zu hören. Das Totschlagargument in diesem Fall, Bilderbuch/Wanda, bringt uns weiter zur polnischen Musikszene, abgeschottet bis zum Mauerfall, aber auch danach kommen ihm immer wieder seltsame Fragen entgegen wie: Ihr macht etwa auch Musik? Ihr habt Bands? Er macht es sich zur Aufgabe, europäische Showcasefestivals zu besuchen, um genau das zu klären.

Leider, aber es ist ein schönes leider, war es an der Stelle Zeit, weiterzuziehen: ins Isaacs, ein Irish Pub in der Schubertgasse, zehn Gehminuten vom WUK entfernt. Nicht oben, wo Guiness getrunken und Fußball geschaut wird, sondern unten im Keller wurde eine Waves-Bühne eingerichtet, und da haben unter anderem Little Big Sea gespielt. Nach vielen langen Studiotagen präsentiert die Wiener Dreampopband nicht nur Songs ihres Debütalbums „Sister“, die ZuhörerInnen dürfen auch schon ein bisschen in die neuesten Schöpfungen hineinhören. Die Location ist perfekt ausgesucht, mit niederer Decke wirkt es, als taucht man ab in einen Schiffbauch, eingehüllt in tropfende Triphop-Beats und die samtene Stimme, die durchs Set führt. Die antike Figur der Sirene kriegt da gleich eine andere, ausschließlich positive Bedeutung.

Neue, alte Geschichten und ein Happy End

Auch kanadische Acts stehen im Line Up des heurigen Waves Festivals: unter anderem Jordan Klassen, er macht wunderbar schwermütigen Indiefolk, und er ist ein sehr guter Geschichtenerzähler. „In former days, I wasn’t that of an extrovert. But many things changed when I turned 30.“ Jetzt erzählt Jordan Klassen offen über seine innere Unruhe, Depressionen, die Angst davor, sich zu binden. Und darüber, wie er all das bekämpft hat: sein neues Album, soeben erschienen, ist mit „Big Intruder“ betitelt. „This „Big Intruder“ actually is my wife! So it’s about being intruded by love. She reworked my whole life, my point of view. Getting married was the best thing ever happening to me.“ Das erzählt Jordan Klassen nicht nur im Interview, sondern auch zwischen den Songs auf der Bühne. Das Album ist bis oben vollgepackt mit Streichersätzen, live muss er leider auf sie verzichten. „Touring is just expensive“, es macht aber nichts, die Geigen werden teilweise durch die Kopfstimme seines Bassisten ersetzt, auch der Drummer hat ein Mikrophon. Zu dritt erzeugen sie den für Jordan Klassen Songs so typischen Sog, voll Nostalgie und Herzschmerz, aber dem guten Herzschmerz.

Der Abend endet mit einem der besten Sets des Eröffnungstages, die Headliner beweisen, wieso sie Headliner sind. Clap Your Hands Say Yeah aus New York richten die herrlich näselnde Stimme dem Publikum in der großen Halle entgegen, Alec Ounsworth fragt: is this love, is this love, is this love? It is. Das Debütalbum ist zwar mittlerweile 12 Jahre alt, nach dreijähriger Zurückhaltung präsentiert Alec Ounsworth sein neues Werk „The Tourist“, mit dem er gerade durch Europa tourt. An Kraft hat die Band nichts eingebüßt, und Songtitel wie „The Skin Of My Yellow Country Teeth“ werden ohnehin niemals weniger genial.

Clap Your Hands Say Yeah

Patrick Muennich

Die Katzenspuren führen nach Hause, im schönen Wissen, dass das erst die erste Runde war. Heute darf man sich auf Acts wie Ant Antic, Lea Santee, Ebow, Fai Baba oder The Homesick freuen. Und auf viele, spannende Neuentdeckungen.

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