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Wandl am Waves Vienna Festival 2017

Christoph Kaltenböck

Es war viel zu schnell vorbei

Drei Tage im auditiven Sinnesrausch: das Waves Vienna Festival 2017 ist zu Ende. Ein Rückblick.

Von Lisa Schneider

Draußen ist es frisch, drinnen perlt der Schweiß von der Decke. In den Venues des Waves Vienna Festivals ist das aber kein Problem, sondern ein schnell zu lösender Glücksfall: man kann innerhalb von zwei Minuten Abkühlung und Aufheizung haben. Zehn Bühnen wurden out- und indoor im und rund um das Wiener WUK im 9. Bezirk bespielt. Das Wetter war an allen Tagen großzügig spätsommerlich und passend zum herbstlichen Blätterrot im Innenhof des WUK wurde sogar Sturm ausgeschenkt.

Waves Vienna Festival im WUK

Christoph Kaltenböck

Die Dreitagespässe waren schon Tage vor der Eröffnung vergriffen, einzelne Tagestickets konnte man noch an der Abendkassa kaufen. Das Waves Vienna Festival hat sich in den sieben Jahren seines Bestehens einen in Europa bekannten Namen als Club- und Showcasefestival erarbeitet, neben ähnlich ausgerichten wie etwa dem Ment in Ljubljana, dem Focus Wales oder der Tallinn Music Week.

Im Gegensatz aber etwa zum BuSH Festival in Budapest, das den Fokus ausschließlich auf osteuropäische Bands legt, oder dem Spot Festival in Aarhus, Dänemark, wo skandinavische KünstlerInnen im Mittelpunkt stehen, fächert das Waves Vienna breit auf und verschiebt durch wechselnde Gastländer den Schwerpunkt jedes Jahr wieder. Heuer waren Tschechien und Italien an der Reihe.

Gut arrangiertes Line-Up & ausgesuchte Venues

Dass das Booking nicht nur en gros, sondern ins Detail hinein sehr fein gemacht war, ist oft erst während der laufenden Sets klar geworden. Am letzten Festivalabend etwa hat zuerst der finnische Hiphopper View die große Halle bespielt. Seinem Set ist – im Rahmen von Gerards Futuresfuture Labelnight – der Auftritt des selbsterkorenen Ottakringer Model-Rappers Jugo Ürdens gefolgt. Und wiederum danach, schon eingestimmt in Sprechgesang und donnernde Beats, hat nebenan im großen Saal J. Bernardt noch einmal alle Erwartungen übertroffen. Auch sein Auftritt besteht zu großen Teilen aus Spoken Word-Passagen. Schönes Randdetail: J. Bernardt ist Bandkollege von Marteen Devoldere, beide waren Mitglieder der Band Balthazar. Letzterer ist im vorigen Jahr am Waves Vienna Festival mit seinem Soloprojekt Warhaus aufgetreten.

J. Bernardt am Waves Vienna Festival 2017

Tomas Kusa

J. Bernardt

Das, was das Waves auch heuer wieder besonders ausgezeichnet hat, war die Diversität der Venues. Der Umzug des Festivals ins Wiener WUK erweist sich auch im zweiten Jahr als Glücksgriff: die Bühnen liegen oft keine drei Minuten voneinander entfernt, sodass man sich zu den Wellen im Namen passend wirklich treiben lassen kann, innerhalb von 15 Minuten drei Acts sehen kann, ohne dabei von einem Ort zum nächsten zu hetzen. Das Showcase-Prinzip, das neue KünstlerInnen ans Publikum heranführen will, geht hier vollends auf.

Waves Vienna Festival 2017 Open Air Stage Publikum

Christoph Kaltenböck

Außerdem bestechen viele der Venues mit ganz eigenem Charme: ähnlich wie am Popfest Wien, wo am abschließenden Sonntag auch die Karlskirche bespielt wurde, hat das Waves Vienna Team die Canisiuskirche im 9. Bezirk angemietet. Unmengen gebastelter Papiertauben hängen als Installation von der Decke, Wandl etwa, der einen Slot am zweiten Festivaltag bestreitet, taucht alles in blau-rosa Licht, es hat fantastisch ausgesehen. Staunen überall, die Kirche ist riesig, und nicht einmal die sonst dort schwer zu bestreitende Akustik war ein Problem.

Wandl am Waves Vienna Festival

Lisa Schneider

Wandl spielt sein Set in der Canisiuskirche

Gleich neben der Kirche war auch im Pfarrsaal, im Keller, eine Bühne eingerichtet. Schwitzen, tanzen, Dosenbiertrinken ganz im Stil einer nostalgisch angehauchten Studentenheimparty. Passend dazu stehen am zweiten Abend die niederländischen Postpunk-Shootingstars The Homesick auf der Bühne, alle drei Musiker knappe zwanzig Jahre alt. Die Bühne ist nur wenige Zentimeter höher als der Boden, aber das macht nichts. Hier sind alle hier, um gemeinsam zu feiern.

The Homesick am Waves Vienna Festival 2017

Lisa Schneider

The Homesick spielen im Pfarrsaal. Ihre Single über einen der bekanntesten Kirchenreformer des Frankrenreichs, „St. Boniface“, passt also wie ausgesucht.

Zwei Jahre, und schon eine Tradition

Gar keine Bühne, sondern ein ebenerdig aufgebautes Set gibt’s im WUK Beisl, so wie schon im letzten Jahr. Dieser akustisch auch eher in die Kategorie „mühsam“ fallende Raum besticht zwar nicht durch gefaltene Papiervögel an der Decke und Lichterspektakel, aber durch die musikalische Spezialisierung, die sich innerhalb von zwei Jahren dort fix verankert hat.

Im Beisl ist die Gitarre, die Sehnsucht, das Shoe- und Skygazing zuhause. Letztes Jahr noch haben die Tiroler MOLLY dort gespielt, in direkter Nachfolge stehen auf selbem Boden heuer Manon Meurt, eine tschechische Shoegazeband. Sie borgen sich viel von großen Vorbildern wie Sigur Ros, auch, wenn die Klangblase wegen erwähnter räumlicher Kapazitäten nicht ganz so groß aufgeblasen wird. Stringent im Beisl-Lineup Programm spielen auch Tents, das aktuell beste Wiener Postpunktrio, ein Auftritt voll Schweiß, Tränen, einem Raunen, verlorenen Träumen und dem Blick, der eh alles sagt: I couldn’t care less.

Tents am Waves Vienna Festival 2017

Tomas Kusa

Hören sicher ab und zu Joy Division: Tents im WUK Beisl.

Highschool-Romantik

Hinter dem WUK, in der Severingasse, befindet sich ein Gebäude mit mehreren schulischen Einrichtungen. Die Klassenzimmer, die Schulaula und diverse Aufenthaltsräume werden während des Festivals schnell umfunktioniert: der belgische Musiker Témé Tan, in Insiderkreisen schon bekreischt und gefeiert (sein Debutalbum erscheint Mitte Oktober via PIAS) – bezieht seinen Backstageraum in einem Klassenzimmer, nebenan finden Soundcheck und letzte Schulstunden parallel statt. Diese schöne Highschool-Atmosphäre kommt auch bei Auftritten wie dem der Tallinner Band I Wear* Experiment zur Geltung: Sängerin Johanna Eenma springt im glitzernden Anzug hinein ins noch locker gefüllte Publikum und tanzt sich durch die Menge, es ist wie der schöne, kitschige Abschlussball, den heimlich jeder gern erlebt hätte.

I wear* Experiment

Patrick Muennich

I Wear* Experiment aus Tallinn haben in der Schulaula gespielt.

Die heurige Waves-App für Apple und Android war sehr gut aufbereitet, alles war übersichtlich aufgelistet und es gab auch wieder die Möglichkeit, sich sein Line-Up anhand einer Favoritenauswahl selbst zusammenzustellen. Die Homepage hingegen hat leider nicht wirklich gut funktioniert, mehrere Ladefehler, und vor allem beim wichtigsten Punkt, den einzelnen Tageslineups, nicht hilfreich. Man konnte sich aber auch analog behelfen: die Programmheftchen waren im ganzen 9. Bezirk zu finden.

Das Waves Vienna Festival 2017 war also ausverkauft. Die Early-Bird-Tickets für nächstes Jahr wird es schon ganz bald geben, und auch das wieder zu einem – in Anbetracht des Angebots – sehr, sehr fairen Startpreis. Mit dem Waves Vienna ist das wohl schönste herbstliche Musikwochenende in Wien zu Ende gegangen. Aber die achte Ausgabe wartet schon in den Startlöchern.

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