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Tori Amos am Flügel

Franz Reiterer

No Cornflake Girl

Tori Amos hat im Rahmen ihrer „Native Invader“-Tour in Wien gespielt und dabei tief in ihrem Back-Katalog gegraben: „Precious Things“, „Spark“, „The Beekeeper“ sowie zwei Songs vom neuen Abum oder auch ein Joni Mitchell Cover gab’s von Tori Amos solo.

Von Eva Umbauer

Als WienerIn, heißt es, „matschkert“ man gern ein wenig, also man beklagt sich, ist unzufrieden, weil irgendwas immer nicht ganz passt. Diesmal ist es bei mir das etwas enge Sitzen am Saalrand des Konzerthauses, das den-Kopf-nach-rechts-Recken, um in Richtung Bühne zu sehen und ein unangenehmer Geruch nach Essen in meiner Nähe. Da kann Tori zwar nichts dafür, es trübte aber mein Konzerterlebnis dann doch etwas.

Aber konzentrieren wir uns auf das Positive, nämlich, dass La Amos auch auf der Tour zu ihrem neuen Album wieder in Österreich Halt machte: vorletzte Woche in Linz und jetzt eben in Wien. „I love Vienna“, wird sie später an diesem Abend auf der Bühne sagen, gleich nach dem zweiten Song, den sie spielt – alleine, ohne Band, „nur“ mit dem Konzertflügel, Keyboards und daraus zugespielten Dingen. „Little Earthquakes“ ist dieser Song, der Titelsong ihres Debütalbums, das Anfang der 1990er Jahre erschien und dem Tori Amos seither vierzehn weitere Studioalben folgen lassen hat. Von einem Vogel ist im Song die Rede, Jäger schossen ihm in den Flügel. Vielleicht kommt da ja als nächstes ein Song vom neuen Album, „Native Invader“, in dem es um die Natur und ihre Heilungskräfte geht, um die Umwelt und ihre Zerstörung, um „Was ist dein Anteil an der Zerstörung unser Erde?“, aber auch um uns selbst und unsere Beziehungen untereinander.

Nein, noch nicht. Es kommen noch ein paar ältere Songs von Tori Amos zum Einsatz; „Space Dog“ etwa, von ihrem zweiten Album, das 1994 erschienen war und „Under The Pink“ hieß. Es war jenes Album auf dem Tori von den „cornflake girls“ und den „raisin girls“ sang, im großen Hit „Cornflake Girl“, der heute Abend nicht auf der Set List steht, und das etwa auch beim Linz-Konzert von Tori Amos nicht tat. Aber ein Stück wie „Space Dog“ ist ja auch nicht schlecht, mit dieser Zeile „is she still pissing in the river?“. Gender Politics, das Leben und das Überleben, daraus und aus noch vielem mehr bestehen die Songs der Tori Amos. Früher redete sie in Interviews von der Menstruation, heute von der Menopause. Oder sie gibt gar keine Interviews, oder nur ein einziges, wie dieses Mal in Wien, für eine große Tageszeitung. Macht nichts, man muss ja nicht immer alles besprechen mit einer Künstlerin. Einfach so die Lieder hören.

Getragener wird es nun im Konzert von Tori Amos, bei „Carry“ aus ihrem 2011er Album „Night Of Hunters“ oder bei dem für mich ersten Höhepunkt des Abends: „Baker Baker“ vom Album „Under The Pink“. Da heißt es „baker, bake me a cake, make me whole again“. Es ist 23 Jahre her und doch ist es fast ein wenig so wie erst gestern. Der Song ist makellos dargeboten, souverän, „befreit“ irgendwie, aber nicht ganz so inbrünstig wie damals. Vielleicht ist das, weil Tori Amos heute natürlich einen anderen Blick auf ihre alten Songs und überhaupt auf sich selbst hat. Tori, die Ewige, zwinkert heute durchaus mit einem Auge und grinst schon mal über sich selbst. Rapunzel mit dem feuerroten Mäntelchen, Kobold mit der Space-Alien-Brille. Da würde ein alter Gänsehaut-Song wie etwa das verstörende „Me And A Gun“ jetzt nicht reinpassen. Tori Amos entscheidet sich hingegen für ein Stück von ihrem 1998er Album „From The Choirgirl Hotel“, und zwar „Spark“, wo es heißt „she´s afraid of the light in the dark“.

Der Konzertflügel ist bei Tori Amos, eh klar, wie immer ein Bösendorfer Flügel und nicht etwa ein Steinway Piano, das unter amerikanischen MusikerInnen ansonsten sehr beliebt ist. Tori stellt uns den Flügel heute als „this lovely little lady“ vor. Ansonsten spricht Tori nicht zwischen den Songs, aber das tut ohnehin schon mal das Bühnenbild.

Setlist des Tori Amos Konzerts in Wien

Christian Fruhmann

„New Age“ heißt der hallige Song vom 2001er Album „Strange Little Girls“, während auf der Bühne in großen Lettern „Fake Muse Network“ steht. Tori und die Musen, eine lange und intensive Verbindung, ja, und was es so mit den „fake news“ auf sich hat, davon hören wir ja ohnehin fast täglich.

Dann wieder Tori wie sie leibt und lebt, weg vom Keyboard, nur sie und das Piano: „A Case Of You“, ihre straighte, aber sehr schöne Version eines Klassikers von Joni Mitchell. Da haben wir Glück gehabt, hätte auch „A Brighter Shade Of Pale“ von Procol Harum, ein U2-Song oder gar „Nothing Else Matters“ von Metallica sein können. All diese Songs und weitere covert Tori Amos auf ihrer aktuellen Tour.

Jetzt wird es aber langsam wirklich Zeit für einen neuen Song, nämlich ein Herzstück von „Native Invader“ – das große „Reindeer King“, das gut zum nächsten Song passt, dem etwas Tour-de-force-haften „The Beekeeper“, dem Titelsong von Toris 2005er Album. Mein Herz ist insgesamt noch immer nicht ganz aufgegangen, ja, Tori live hat mich schon mal mehr berührt als dieses Mal, aber dass sie nun genau mein Lieblingslied vom neuen Album spielen würde, damit hatte ich nicht gerechnet, finden sich doch meist nur zwei neue Songs bei jedem Konzert auf dieser Tour. Tori spielt „Climb“, einen rollenden Piano-Song, in dem es heißt: „Let´s climb over the church wall and feed the koi in the pond.“ Koi-Karpfen füttern im Kirchenhof, mit einer leibhaftigen Pfarrerstochter im Sonntagskleidchen. Hey, how kooky is that! Classic Tori Amos. Bitte mehr davon.

Vielleicht das traurige „Mary´s Eyes“, das hübsche „Benjamin“, das sehr schöne „Upside Down 2“, oder gar die Trennungsballade „Breakaway“? Keine Sorge, Tori Amos ist nach wie vor mit dem Briten Mark Hawley verheiratet, der Musiker, Tontechniker und Producer steht heute auch höchst persönlich am Mischpult des Konzerthauses. Aber nein, wir müssen tiefer hinein in Toris Back-Katalog: „These tears I´ve cried“, singt sie, mit dieser Stimme, die eineinhalb Stunden lang Großes leistet. „1000 Oceans“ heißt der Song; er war am 1999 erschienen Album „To Venus And Back“ zu finden.

Von „Boys For Pele“ vielleicht etwas? Nein, von diesem Album ist heute nichts dabei. Dafür wieder etwas vom epochalen Debütalbum „Little Earthquakes“, und zwar der Song „Tear In Your Hand“. Ein Tränchen im Augenwinkel, bitte, bitte, Tori, spiel „Hey Jupiter“, vielleicht mein all-time-Tori-Amos-favourite-Song, aber dieser Wunsch wird heute Abend nicht erfüllt, da hätte ich schon tags davor beim München-Konzert sein müssen. Machts nichts, dafür hören wir als Zugabe „Precious Things“, wieder ein Stück von „Little Earthquakes“. Wir sind mittlerweile beim großen Finale des Abends angelangt. Und nun dürfen wir noch ein wenig grooven – von unseren Stühlen aufgestanden sind wir ja schon, wenn Tori Amos in die Keyboardtasten greift und „A Sorta Fairytale“ spielt, ein Herzstück von ihrem 2002er Album „Scarlet´s Walk“. Schnell noch einen Blumenstrauß ergriffen von der Bühne aus und weg ist sie.

Tori Amos ist kein hipper Name mehr, aber Tori Amos „is still at it“, wie dieses Wien-Konzert im dichtbesetzten Konzerthaus bewiesen hat. Es war wie eine Freundin wiederzusehen, die man schon ewig kennt, und mit der man immer vertraut sein wird. Bis zum nächsten Mal, Tori!

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