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APA/BARBARA GINDL

Der schmutzige Social-Media-Wahlkampf

Fake-Seiten, gegenseitige Vorwürfe und Intrigen. Das größte Thema im österreichischen Wahlkampf ist derzeit der Wahlkampf.

Wie läuft der Wahlkampf zur österreichischen Nationalratswahl in den Social Media? Was taucht eigentlich so alles in deiner Timeline auf? Wir widmen uns an diesem Dienstag in FM4 Auf Laut diesem doch denkwürdigen Wahlkampf.

Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig wird ab 21 Uhr live zu Gast sein und mit Claus Pirschner und euch diskutieren.

Wir haben sie schon vorher zu einem Email-Interview gebeten!

Claus Pirschner: Was fällt dir am Dirty Campaining in den Social Media in den letzten Wochen auf?

Ingrid Brodnig: Wir sehen das Missbrauchspotenzial anonymer Facebook-Seiten: Schon länger gibt es anonyme Pages, die politisch Stimmung machen, die extrem harte „Satire“ oder Schmutzwäsche verbreiten. Dass hinter solchen Seiten politische Berater oder eine Partei stehen können, wird jetzt deutlich. Und ich bin gespannt, ob Facebook der Staatsanwaltschaft auch gute Infos rausrücken wird, wer diese anonymen Seiten wie „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ betrieb. Zweitens muss man sagen (das hat jetzt nichts mit Dirty Campaigning zu tun), dass generell die sozialen Medien ein ungeheuer wichtiges Kampagnen-Tool geworden sind: All die Videos, die für Facebook und YouTube produziert wurden, zeigen schon, wie viel Geld und Zeit die Parteien in soziale Medien stecken.

Was taucht in deiner Timeline rund um den Wahlkampf auf?

Kern, Kurz, Strache: Diese drei Politiker sehe ich permanent. Ich vermute, dass diese Parteien auch sehr viel Geld in Facebook-Werbung stecken. Eine vorsichtige Schätzung von mir ist, dass in diesem Wahlkampf mindestens eine Million Euro nur in Facebook-Werbung fließt. Und das ist wirklich eine vorsichtige Schätzung. Auch die ganzen Zahlen zeigen ein Dreierduell auf Social Media: Strache, Kurz, Kern erzielen deutlich mehr Likes, Kommentare und Shares als die anderen Parteien. Und gerade in hitzigen Zeiten wie den letzten Tagen können wir sehen, dass das noch einmal die sogenannte „Interaktion“ auf Facebook antreibt.

Welche Parteien nutzen welche Plattformen besonders und warum? Es fällt beispielsweise auf, dass die FPÖ massiv viel Werbung auf Youtube schaltet.

Auffällig ist, dass die FPÖ massiv YouTube nützt. Man kann derzeit nicht YouTube schauen, ohne die Werbekampagne der Freiheitlichen in- und auswendig zu kennen. Das ist durchaus geschickt: Weil YouTube ebenfalls massive Nutzungszahlen hat und gerade junge Wähler sehr viel Zeit dort verbringen. Das Ganze zeigt auch, wie wertlos viele Zahlen im Web sind. Das FPÖ-Video mit dem Tätowierer wurde schon mehr als eine Million mal aufgerufen - nur wissen wir nicht: Haben das so viele Menschen wirklich aus Interesse angeschaut oder wurde es einfach zigtausenden Menschen als Werbung eingeblendet? Denn selbst wenn ein Video auf YouTube nur als Werbung eingeblendet wird, zählt dieser Aufruf in der Gesamt-Statistik des Videos. Wer viel Geld dort hineinbuttert, wird also mit tollen Zahlen belohnt - und es gibt keine Transparenz, wieviel Reichweite erst durch Werbung geschaffen wurde.

Wie werden die Facebookseiten der Parteien und PolitikerInnen moderiert?

Wir sehen, dass gerade bei sehr erfolgreichen Postings Moderation nur mäßig funktioniert: Gerade Videos oder Beiträge, die tausende Kommentare auslösen, ernten auch sehr viel Wut. Und auch einige Beschimpfungen bleiben überraschend lange stehen. Wie sehr sich hier die Reaktionen auf die einzelnen Kandidaten sprachlich oder emotional unterscheiden, müsste man genau auswerten. Wobei es eine interessante Auswertung schon gibt: Von allen Spitzenkandidaten löste Heinz-Christian Strache am meisten Wut aus - gemessen an den Smileys, auf die Nutzer auf Facebook klicken können (die sogenannten „Reactions“). Hier wird das eigene Lager anscheinend auch mit Wut mobilisiert - eine durchaus erfolgreiche Taktik. Aus politikwissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir, dass Wut eine aktivierende Emotion ist und zum Beispiel wütende Menschen eher wählen gehen.

Welche Sachthemen werden in den letzten Wochen überhaupt behandelt? Welche inhaltlichen Argumente werden ausgetauscht?

Gerade in den letzten Tagen sind Sachthemen stark in den Hintergrund getreten: Das Thema „Dirty Campaigning“ und unfaire Tricks dominiert derzeit. Aber auch davor gibt es nur ganz wenige Themen, die online wirklich wahrnehmbar diskutiert wurden. Natürlich die Flüchtlingsthematik, wo zum Beispiel Sebastian Kurz einige reichweitenstarke Postings lieferte, aber auch Steuergerechtigkeit sind online durchaus ein Thema gewesen - etwa als Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister ein Video dazu mit der SPÖ-Seite kontrast.at aufnahm. Generell kommen nur wenige Sachthemen vor: Im Netz ist der Kampf um Aufmerksamkeit beinhart und in vielen Wochen gibt es nur ein bis zwei Themen, die wirklich diskutiert werden. Wir wissen aus Untersuchungen, dass zutiefst emotionale Postings auf Facebook besser funktionieren: Und das führt dazu, dass eher jene Themen eine starke Reichweite erhalten, die die Bevölkerung polarisieren oder zu denen jeder eine Meinung hat. Alles was spröde oder komplex ist, hat wesentlich schlechtere Karten: Und obwohl jede Partei inhaltliche Positionen zum Bereich Umweltschutz oder Frauenpolitik hat, sind diese Themen dann selten ausführlich ein Thema. Die Emotionen kochen eben beim Thema Flüchtlinge leichter hoch als beim Thema Klimawandel - und was emotionalisiert, kriegt viele Likes und Klicks.

FM4 Auf Laut: Der Social Media Wahlkampf

Wie läuft der Wahlkampf zur österreichischen Nationalratswahl in den Social Media? Was taucht in den Timelines auf? Claus Pirschner diskutiert darüber am Dienstag, 10. Oktober, ab 21.00 Uhr in einem FM4 Auf Laut mit AnruferInnen sowie der Autorin und Netzexpertin Ingrid Brodnig.

Du kannst mitdiskutieren. Schick uns ein Mail an fm4@orf.at oder ruf an, ab 21 Uhr unter 0800 226 996.

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