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Filmflimmern

Filmflimmern

Neu im Kino: Borg/McEnroe, American Assassin, Relativ Eigenständig, What happened to Monday, Axolotl Overkill. Außerdem: Ein Abriss der Causa Harvey Weinstein.

Von Pia Reiser

Borg McEnroe

Tennis, das ist doch das, was in Filmen meistens nur vorkommt, um den Reichtum einer Person zu illustrieren - spannend ist das selten. Die Ausnahme hat Meister Hitchcock in „Strangers on a train“ inszeniert. Da muss die Hauptfigur ein Match gewinnen, um rechtzeitig vom Platz zu kommen und zu verhindern, dass man ihm einen Mord unterschiebt. Jetzt aber bitte holt eure Frottee-Stirnbänder aus der 1980er-Reliquien-Kiste und freut euch auf „Borg McEnroe“. Regisseur Janus Metz hat die Geschichte um die beiden rivalisierenden Tennis-Asse auf die Leinwand gebracht. Shia LaBeouf und Sverrir Gudnason sind in die Trainingsjacken und kurzen Hosen geschlüpft und geben die Kontrahenten mit den unterschiedlichen Temperamenten - fire and ice nannte man die zwei, aber was nannte man denn nicht Fire and Ice, was mit Sport und den 80er Jahren zu tun hatte. Nach „Rush“ und „Eddie The Eagle“ ist das schon wieder ein Film mit Sportlern als Hauptfiguren, auf den man sich freuen kann, auch wenn einem Sport - als Beschäftigung für einen selbst oder mediales Ereignis - sonst nicht interessiert. Dalia Ahmed verleiht 6 von 10 sweaty sweatpants.

Szenenbilder

A24

Die Vice-Chefredaktion stellt sich vor

American Assassin

Wenn ein Mann mit Vollbart in einem amerikanischen Film auftaucht, der dezidiert kein quirky indie Film ist, dann wissen wir schonmal, dieser Mann ist in einer tiefen Trauerphase. In der simpel gestrickten Welt von „American Assassin“ findet ein junger Mann im Internet die Terroristen, die für den Tod seiner Freundin verantwortlich sind und macht sich auf den Weg, um sich zu rächen, wird dabei aber von einem Ex Navy Seal gestoppt, um das Ganze professioneller anzugehen. Die CIA würde Männer wie ihn brauchen. Ja, passt auf, Dschihadisten, die Amerikaner haben einen Mitte-20-jährigen, der _wirklich_ angefressen ist, dass ihr seine Freundin umgebracht hat. „American Assassin“ ist so generisch, wie sein Titel vermuten lässt, wir wirklich schlechte Nachricht ist aber, dass er auf einem Roman beruht und es noch 14 weitere Romane über Terrorismus-Bekämpfer Mitch Rapp gibt. Dann lieber Peter Rapp. Christian Fuchs verleiht „American Assassin“ 1 von 10 empty magazines.

Dylan O'Brien

Constantin

What happened to Monday

Wer sich denkt, pah „Blade Runner 2049“, was interessiert mich das Jahr 2049, ich will wissen, welche Dystopie-Spompanadeln im Jaht 2073 am Plan stehen, der löst eine Kinokarte für „What happened to Monday“. Der Großstadt-Sci-Fi-Films spielt in einer Gesellschaft, die die Ein-Kind-Politik rigoros durchsetzt, als eine Mutter Siebenlinge zur Welt bringt, werden sie trainiert als eine Person durchzugehen. Ihr Großvater, bei dem sie aufwachsen, nennt sie nach den Tagen der Woche. Als Monday eines Tages nicht von der Arbeit heimkommt, drohen sie aufzufliegen.
Jan Hestmann vergibt 5 von 10 missing sisters.

Szenenbild "What happenend to monday"

einhorn

Relativ eigenständig

In Graz befinden sich eine Neue Mittelschule und ein Privatgymnasium in der gleichen Straße. Verschiedene Welten nur ein paar Meter von einander getrennt. Drei Jahre lang wurde unter SchülerInnen der beiden Schulen eine Kamera weitergereicht und so entstand ein Selbstporträt von Teenagern und auch ein Abriss über das österreichische Bildungssystem. Anna Katharina Laggner vergibt 8 von 10 ganz normalen Schulen.

Schüler und eine Schülerin mit Handy

filmdelights

Axolotl Overkill

Weil bei Romanadaptionen fürs Kino gerne was schiefgeht hat Helene Hegemann ihren Roman „Axololt Roadkill“ gleich selbst verfilmt und „Axolotl Overkill“ genannt. Die grandiose Jasna Fritzi Bauer spielt die 16jährige Mifti, die altklug und antriebslos gleichermaßen durchs Berliner (Nacht)leben stolpert und eigentlich ja nur unglücklich verliebt ist. Kein Coming-of-Age-Drama, auch kein Abfeiern der Party-Hauptstadt-Berlin, kein Hipster-Dramolett. „Axolotl Overkill“ besticht unter anderem durch seine Verweigerung der „3-Akte-Erzählhaltung“, hier wird niemand geläutert, der Film irritiert durch seine durchwegs irrational handelnden (und sprechenden) Figuren. Hegemann unterbuttert ihr herrlich lose waberndes Narrativ mit einem fantastischen Soundtrack und man wär sogar einfach nur zufrieden, wenn man einfach 90minuten lang Arly Jover beim Rauchen zusehen könnte, während ein Kindergospelchor so eindringlich „Glory Halleluja“ singt, dass man den eigenen Kirchenaustritt zu bezweifeln beginnt. Der Film startet nicht regulär in Österreich, das Gartenbaukino Wien zeigt ihn ab 13. Oktober und am Freitag in Connected (15-19 Uhr) gibt es ein Interview mit Helene Hegemann zu hören.

Jasna Frizti Bauer in "Axolotl Overkill"

Constantin

How much is the fish: Jasna Fritzi Bauer in „Axolotl Overkill“

Außerdem: Die Causa Harvey Weinstein

Als wäre Zeitgeschichte eine zynische Wahrsagerin ist es ein Film mit dem titel „sex, lies and videotape“, der Harvey Weinsteins Aufstieg in Hollywood begründet. Es ist nun auch ein nicht unpassender Titel über Weinsteins sich über Jahrzehnte ziehende sexuelle Belästigungen von Mitarbeiterinnen und Schauspielerinnen.

Letzte Woche veröffentlicht die New York Times einen Artikel, der mehrere Frauen - unter ihnen Schauspielerin Ashley Judd - zitiert, die von Weinstein bedrängt, sexuell genötigt oder belästigt wurden. Asia Argento hat im Jahr 2000 in dem Film „Starlet Diva“ ihre Begegnung mit dem mächtigen Produzenten beschrieben, aber ansonsten geschwiegen, da sie - wie alle anderen - fürchtete Weinstein would crush me. Weinstein selbst, veröffentlichte nach dem Artikel in der NYT eine Art Entschuldigung, in der er meinte, zu der Zeit, in der er aufgewachsen sein, habe man sich eben so verhalten. Die New York Times will er zu diesem Zeitpunkt noch klagen.

Donna Karan übernimmt den trotteligsten Teil, der aber leider nie in einer öffentlichen Diskussion über Machtmissbrauch und sexueller Gewalt fehlt, den Teil des „die wollten das doch so“, den Teil der „die Schuld beim Opfer suchen“.

Immer mehr Stimmen aber werden in den Tagen nach der Veröffentlichung des Artikels laut, Frauen der Filmwelt solidarisieren sich und verurteilen Weinsteins Verhalten öffentlich. Mitarbeiter Weinstein Company werden zitiert, sie hätten sich ohnehin gewundert, wie lange Harvey Weinstein mit seinem Varhalten durchgekommen wäre.

Harvey Weinstein, Gallionsfigur des amerikanischen Indiekinos der 1990er Jahre und später wichtiger Steuermann der Awards Season, beurlaubt sich zunächst selbst - und wird dann vom Vorstand der Weinstein Co entlassen. Sein Bruder Bob meldet sich zu Wort, „My brother is a very sick person“.

Ronan Farrow, Sohn von Mia Farrow und Woody Allen, der seit Jahren versucht, dass Allen sich wegen den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs sich vor Gericht verantworten muss, veröffentlich im „New Yorker“ einen Text, in dem 13 Frauen von Weinsteins Übergriffen erzählen. In dem Text findet sich auch eine Tonbandaufnahme, auf der man Weinstein hört, wie er beschreibt Model Ambra Battilana Gutierrez belästigt zu haben. Inzwischen hat Weinsteins Ehefrau die Trennung bekannt gegeben.

Und langsam tröpfeln auch öffentliche Statements von Männern aus der Filmindustrie ein, die Weinsteins verhalten verurteilen, Colin Firth - ausgezeichnet mit einem Oscar für das von Weinstein zu den Oscars geführte Vehikel „The King’s Speech“ - schreibt „It’s with a feeling of nausea that I read what was going on while I was benefiting from Harvey Weinstein’s support.“ Ähnlich formuliert es auch Kevin Smith auf Twitter - „He financed the first 14 years of my career - and now I know while I was profiting, others were in terrible pain. It makes me feel ashamed.“

Hilary Clinton - Weinstein hat sie im Wahlkampf unterstützt zeigt sich entsetzt, ebenso die Obamas. Weinsteins Geldspenden an die Demokraten wurden inzwischen an Vereine weitergegeben, die sich um Opfer von sexueller Gewalt kümmern. Und man weiss nicht genau, was einen fassungsloser macht, dass Weinsteins Verhalten so lange ein offenes Geheimnis war oder dass er Anfang des Jahres beim Womens March gegen Trump mitmarschiert ist.

Harvey Weinsteins Name wird inzwischen aus den Titelsequenzen der TV-Serien, die er produziert hat, entfernt, doch das Verschwinden seines Namens - und seiner Person, nachdem er Pläne geäußert hat, sich in eine rehab facility zu begeben, wird den Fall und die Diskussion darüber aber nicht so schnell verschwinden lassen. Eine unglaubliche und verständliche Wut über systemimmanenten Sexismus brodelt und kocht in Hollywood, eine Stimmung zwischen I’m mad as hell and I’m not going to take it anymore und Don’t let the bastards grind you down. Lena Dunham schreibt für den „New Yorker“ einen Text über „Harvey Weinstein and the Silence of the Men“. We don’t want to have to tell stories like this one again and again. Speak louder. Das mit dem „speak louder“ ist natürlich schwierig, wenn man - wie Schauspielerin Rose McGowan - von Twitter gesperrt wird, weil man „Fuck off, Ben Affleck“ schreibt - Affleck hatte zuvor verneint von Weinsteins Verhalten gewusst zu haben. Mehr zu der Causa Harvey Weinstein gibt es morgen im Update von Riem Higazi - und auf fm4.orf.at.

Termine

12.-17.10: video- & filmtage, Urania, Wien
13.10: Blood Simple, Filmcasino, Wien
14.10: Podiumsdiskussion: Bildkorrektur
Wie kuratiert man 100 Jahre (Kino-)Revolution?, Filmmuseum, Wien
14.10 Ticketverkauf der Viennale startet
14.10: Schwere Stunden: Zeit, Geschichte und Demokratie in Christopher Nolans Dunkirk und verwandten Filmen. Vortrag von Drehli Robnik im Gartenbaukino
14.-16.10: Dunkirk - 70mm, Gartenbaukino, Wien
14.10: Kikis kleiner Lieferservice, Filmcasino, Wien
15.10. The Battle of Britain, Gartenbaukino, Wien
noch bis 19.10: Jüdisches Filmfestival, Wien
17.10: Für Hans Hurch: WAS IST FILM – ein Ausblick nach 21 Jahren, Vortrag von Peter Kubelka, Filmmuseum, Wien

In diesem Sinne: If someone says, I’m not a feminist, I ask "Why? What’s your problem? (Dale Spender: „Man Made Language“)

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