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Eliot Lee Hazel

Ein kurzer Farbenrausch

Beck veröffentlicht mit „Colors“ ein erstes Powerpop-Album. Es ist kein Werk für die Ewigkeit.

Von Lisa Schneider

Vor bald drei Jahren hat sich Kanye West ziemlich aufgeregt. Nicht, dass das eine besonders neuartige Nachricht wäre, aber immerhin ging es dabei nicht um ihn selbst, sondern um Beyoncé. Vielmehr um ihr selbstbetiteltes Album, das am Weg zum Grammy für das beste Album des Jahres von Becks „Morning Phase“ ausgestochen wurde. Auch im nächsten Jahr wurde ihr inhaltlich noch brisanteres Album „Lemonade“ nicht mit diesem Preis ausgezeichnet, der ging an Adele. Und absurderweise schließt sich hier der Kreis - it’s a small world - auch im weltweiten Musikbusiness: Greg Kurstin, der unter anderem für Adeles Song „Hello“ verantwortlich ist, ist ein guter, alter Freund von Beck, und hat mit ihm für sein neues, dreizehntes Studioalbum namens „Colors“ zusammengearbeitet.

Die beiden sind nicht nur gute Freunde: bevor Kurstin sich im Studio bei Foo Fighters, The Shins oder Pink aufgehalten hat, war er Live-Tourmitglied von Beck. Er ist momentan einer der gefragtesten Produzenten, und nicht zuletzt auch für das neue Album von Liam Gallagher großteils verantwortlich.

Von Happy zu Wow

Kollaborationenscheu war Beck nie, aber für „Colors“ hat er sich neben Kurstin ganz besondere Partner gesucht. Pharrell „Happy“ Williams war einer davon, die gemeinsamen Sessions haben aber keine Songs hervorgebracht; zumindest keine, die es aufs Album geschafft haben.

„Dear Life“, die erste neue Single, die Beck schon vor zwei Jahren vorab veröffentlicht hat, klingt aber durchaus ein bisschen wie der kleine Bruder von „Happy“. Er wollte, nachdem das sanft-introvertierte, großteils akustisch eingespielte „Morning Phase“ ein Herbst- und Trennungsalbum war, jetzt ein helles, ja grelles, funky Partyalbum schreiben.

Ganz nach dem Motto „Shake it off“ ist „Colors“ auch genau das geworden. Ein Upbeat jagt den nächsten, einmal in schräger Mischung aus Beatles und Beach Boys (auf dem genannten „Dear Life“), dann wieder in halb-gerappten, sinnbefreiten Kopfnickmelodien in Panflötenbegleitung („Wow“).

Da scheppern die Hi-Hats, die Claps müssen gar nicht erst vom Publikum kommen, „Colors“ hat sie gleich in jeden Song vorab hineinprogrammiert. Das Ganze klingt wie ein Highschoolabschlussfest mit einem Schuss zu viel Lebensmittelfarbe in der Bowle. Mit wie von Zuckerguss verklebten Lippen singt Beck dann vom Traum aller jungen, frisch Verliebten: Lass uns gemeinsam die Nacht durchfeiern.

Die Lyrics sind, an sehr frühe Beck-Zeiten erinnernd, gern mal kryptisch-holpernd ( „I’m on a tangent / Textbook ephemeral / Facts are confusing me / I’m so free now“, aus „I’m so free now“), und dann wieder plakativ mittendrin in der Klischeeblase: "There’s nothing I wouldn’t rather do / I just wanna stay up all night with you“ (aus „Up All Night“). Man sucht die Ironie zwischen den Zeilen, aber man sucht sie vergebens.

Komplex ist hier höchstens die bis ins letzte Detail perfektionierte Produktion, die sich aber nicht durch Spielerein, sondern dadurch auszeichnet, wie tight sie sitzt. Da gibt es keinen Spielraum für kreative Ausbrüche, Strophe-Refrain-Strophe, zack, zack, zack.

„Colors“ predigt Laissez-Faire: Es wird schon alles werden, und wenn eben gerade nicht, einfach weiterfließen. Schließ die Augen, ab in den Wahnsinn. „When nothing is right, just close you’re eyes and you’re gone“ – „Dreams“, der beste Song der Platte, ein Goldstück im Club, voll vibrierender Intensität und gleichzeitiger Anleitung zum Loslassen. Er hängt leider ein bisschen lose zwischen den anderen, den anstrengenden Geschwister, die zu laut nach Aufmerksamkeit schreien.

Am Ende gibt es noch eine Ballade, und die ist sehr schön, sie heißt „Fix Me“.

Die Charts sind das Ziel

Beck war schon ein Multiinstrumentalist, bevor das Wort in den letzten Jahren eine ungewollte Inflation erfahren hat. Von Garagerock bis orchestralem Folk hat er so gut wie alles gemacht und auch selbst eingespielt, und fast alles davon sehr gut. Das wunderschöne, staubtrockene „Morning Phase“ repräsentiert den Herbst und den Rückzug, „Colors“ nun überspringt den Winter und stürmt gleich hinein in den Frühling. Wer „Morning Phase“ geliebt hat, wird mit „Colors“ wenig anfangen. Wer mit der Partypopkanone generell nichts am Hut hat, wird sich auch von Beck nicht dazu überreden lassen.

Auch die Einstellung, die dieses Album umkreist, ist eine neue, andere. Greg Kurstin will weiterhin Hits produzieren, will in die Charts, mitmischen im Mainstream-Dschungel. Beck wollte das sicher auch, welcher Musiker will das nicht? Es ist nur bei ihm noch nie so offensichtlich wie auf diesem Album zutage getreten, von dem er eigentlich selbst sagt, es wäre kein Retro-Projekt, aber auch keine Gegenwart.

Cover "Colors"

Capitol

„Colors“, das 13. Studioalbum von Beck, erscheint via Capitol (Universal).

Tatsächlich ist es sehr gegenwärtig, indem es mit dem zeitgenössischen Begriff elektronischen Pops ganz plakativ arbeitet, dick aufträgt, laut ist, vor allem aber leider zu glatt poliert und vorhersehbar.

I’m a loser, baby

Die Livesets von Beck können mittlerweile aus einer so weiten Bandbreite an Songs zusammengestellt werden, dass sie vor jeder Tour je nach Gefühl oder zu vermittelnder Botschaft neu zusammengesetzt werden. „Loser“, diese eklektische Jahrhundertnummer, die alles auszeichnet, wofür Beck steht - für das sich nicht Anbiedern, das vorgetäuschte Suchen und eigentlich gar nicht Finden wollen - diese Nummer spielt er jedes Mal. Sie sagt: Ich bin kein Popstar. Das war immer so sympathisch an Beck, auf „Colors“ wird es widerrufen.

Das Gute ist, dass das nächste Album ohnehin wieder ganz anders klingen wird.

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