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Aus einem Jahr der Nichtereignisse

Viennale

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Über die alltäglichen Nichtereignisse

Wenn es um nichts geht, geht es oft um alles. Die kleinen, großen Momente der Alltäglichkeit auf der Viennale 2017.

Von Christoph Sepin

Es ist ein Problem, das kennt man, wenn man in Marathonsessions Filme auf der Viennale anschaut: Das Warten auf den Film, kurz vor dem Film. Reservierte Karten müssen ja so eine halbe Stunde vor Filmbeginn abgeholt werden. Und dann heißt’s warten. Und was tun?

Die Viennale 2017 auf FM4

Herumstehen vor dem Gartenbaukino. Auf den Stufen des Künstlerhauses sitzen. Eine Runde um den Block spazieren. Aber im Großen und Ganzen eigentlich einfach nichts tun. Der Zeit beim Vorbeisickern zuschauen.

Nur um sich dann in einen Film zu setzen, wo die Personen auf der Leinwand in etwa das Gleiche machen. Denn auch Filme, die auf den ersten Blick gar nicht so viel Inhalt haben, die simpelst in einem kurzen Satz zu beschreiben sind, gibt es anzuschauen.

Aus einem Jahr der Nichtereignisse

Viennale

Alles und Nichts

„Aus einem Jahr der Nichtereignisse“ von Ann Carolin Renninger und René Frölke ist ein Film, der passender kaum benannt sein könnte. Die beiden Regisseure folgen in der Dokumentation einem fast 90-jährigen Bauern namens Willi bei seinem täglichen Leben. Und das ein Jahr lang. Im Fokus steht dabei nicht das Große, das passiert, sondern die Belanglosigkeiten, die alltäglichen Nebengeschichten, auf die normalerweise nur beiläufig ein Auge geworfen wird.

Wenn Willi die Nachrichten schaut, wird weggeschnitten, bevor über zu aufregende Dinge gesprochen wird, ein Krankenhausaufenthalt des Bauern wird nur beiläufig erwähnt und auf einer Geburtstagsfeier wird statt der feiernden Leute eher nur ein Stück Erdbeerkuchen in Großaufnahme gezeigt.

Dafür gibt es jede Menge Szenen, in denen Willi nach seiner Katze ruft, in denen darüber geredet wird, dass der Bauer nicht nur Apfel-, sondern auch Birnenbäume besitzt (actionmäßig ein Höhepunkt des Films) und in denen er im Stall die Hühner füttert.

Diese zentrale Darstellung der Beiläufigkeiten, der Nebensächlichkeiten und Nichtereignisse ist fast hypnotisch. Wie einem Regentropfen dabei zuzusehen, wie er langsam eine Scheibe runtertropft. Weil so wenig passiert, werden kleine Momente überanalysiert. Eine kurze Konversation mit einer Nachbarin bleibt ewig im Gedächtnis, als ob es dabei um alles ginge. Und da so gut wie kein echter Plot vorhanden ist, orientiert man sich am Wetter, um herauszufinden, wie weit das Jahr schon vorangeschritten ist.

Und das ist alles positiv gemeint. Filme wie „Aus einem Jahr der Nichtereignisse“ ermöglichen andere, ungewohnte und teils unbequeme Blicke auf den Kinofilm. Sie orientieren sich absichtlich weg von klassischen Formeln und Erwartungen, die Filme normalerweise auf einander ähnliche Weise erfüllen. Und dadurch schaffen sie es trotz all der langatmigen Momente des Nichts zu überraschen.

Person to Person

Viennale

Menschen, die mit Menschen reden

Der Film „Person to Person“ des US-Regisseurs Dustin Guy Defa kann bei Weitem nicht mit einer Arbeit wie „Aus einem Jahr der Nichtereignisse“ verglichen werden. Dafür hat er allein schon zuviel Plot - im Mittelpunkt des Films stehen nämlich gleich mehrere Handlungsstränge. Ein Plattensammler, der abgezockt wird, ein Journalistenduo, das hinter einer Story her ist, ein Teenagemädchen, das die eigene Persönlichkeit entdeckt.

Trotzdem sind es auch in „Person to Person“ die Nebensächlichkeiten, die besonders herausragen. Die Konversationen, die sich irgendwie um nichts drehen. Darin beweist Dustin Guy Defa, der auch das Skript zum Film geschrieben hat, ein feines Händchen für awkward Smalltalk. Wenn Leute versuchen, irgendwie miteinander sinnvoll zu kommunizieren und das, was man im Kopf hat, korrekt in Worte zu fassen. Aber das will oft einfach nicht so richtig funktionieren.

Es ist ein New York der Höflichkeiten, das Defa hier konstruiert hat. In dem noch die größten Auseinandersetzungen von allen Beteiligten auf ruhige, analytische und zuvorkommende Art und Weise geklärt werden. Wenn Dialog zu so einem wichtigen Bestandteil des Films wird, hört man ganz besonders genau hin. Auch dann, wenn es mal wieder um Nichts geht. Weil dann geht’s oft sehr schnell um alles.

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