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Hände bei einer Versteigerung im Dorotheum vor dem Schriftzug

TOPSHOTS/ AFP PHOTO / ALEXANDER KLEIN

Viel mehr als „religiöse Gegenstände“

Ein Interview mit der Historikerin Vanessa Spanbauer über die Problematik der Auktion „Tribal Art“

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Das Dorotheum, bekanntestes Auktionshaus in Österreich, versteigert heute unter dem Titel „Tribal Art“ eine Sammlung von rituellen Gegenständen aus verschiedenen Teilen der Welt - Afrika, Südamerika, den Philippinen usw. Bis vor Kurzem waren dabei auch Artefakte aus menschlichen Überresten, sogenannte „Schrumpfköpfe“, und Totenschädel mit Haut und Haaren dran.

Viele Userinnen und User in den Social Media fanden es ethisch bedenklich, dass mit menschlichen Überresten gehandelt wird - noch dazu einen Tag vor Allerheiligen. Der Kulturanthropologe Thomas Schmidinger hat Anzeige wegen §190 StGB Störung der Totenruhe gegen das Dorotheum eingebracht und will die Beschlagnahmung der Köpfe zur Beweissicherung. Auch Vanessa Spanbauer, Historikerin und Chefredakteurin des Fresh Magazins, findet die Versteigerung problematisch. Im Interview erläutert sie ihre Sichtweise.

Das Dorotheum hat mittlerweile 15 Gegenstände menschlichen Urprungs aus der Auktion zurückgezogen. Man bedaure, „Menschen irritiert und in ihren Gefühlen verletzt zu haben“.

Vanessa Spanbauer im Interview

Die Gegenstände, die heute im Dorotheum versteigert werden, kommen aus verschiedensten Teilen der Welt, aus Nigeria, aus den Philippinen, aus Südamerika. Allen diesen Regionen gemeinsam ist ihre koloniale Vergangenheit…

Ich denke, solche Gegenstände einfach unreflektiert zu verkaufen, ist sehr problematisch. Man muss bedenken, dass diese Gegenstände nicht aus Europa irgendwoher stammen, sondern dass sie entweder gestohlen worden sind, oder auch verkauft worden sind, aber in einem kolonialen Zusammenhang. Das heißt, da sind Gegenstände dabei, die einfach teilweise mit Morden zu tun haben, mit Unterdrückung, und man kann nicht sagen, dass man solche Gegenstände einfach weiterverkaufen kann.

Das Dorotheum hat das Anbieten dieser Artefakte dadurch gerechtfertigt, dass es religiöse Gegenstände seien, die von ihnen und den Sammlern mit größtem Respekt behandelt werden. Wie sind Ihre Gedanken hierzu?

Wie kann man sagen, dass man religiöse Gegenstände einer anderen Kultur mit Respekt behandelt, wenn man sie dann einfach so weiterverkauft und nicht weiß, was damit passiert. Die wirklich respektvolle Behandlung wäre, sie den Kulturen zurückzugeben. Außerdem muss man dazu sagen, dass Gegenstände dabei sind, die menschliche Teile enthalten, also es sind Schädel, es ist Haut, es ist Haar. Da kann man dann einfach nicht sagen, ok, das ist einfach nur ein „religiöser Gegenstand“, sondern es ist einfach viel, viel mehr.

Eine Rückgabe an die Kulturen halten Sie also für das Richtige?

Ja. Das tun Museen in vielen Fällen auch bereits, weil sie eigesehen haben, dass man das nicht ausstellen kann bzw. sollte, oder dies nur in einem wirklich angemessenen Kontext tun sollte. Die verantwortungsvolle Methode wäre, sie den Kulturen oder den Ländern oder den Beauftragten zurückzugeben.

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