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Gemeinfrei - Jacques-Louis David: Eros und Psyche (1817)

Marc Carnal

Verbesserungsvorschläge für die Online-Pornografie

Es herrscht akuter Reformbedarf in der Welt der digitalen Erotik. Doch bevor wir die pornografischen Millenium-Probleme wie Jugendschutz oder Produktionsbedingungen angehen, könnte man wenigstens meine dringlichen Verbesserungsvorschläge umsetzen.

von Marc Carnal

Zweierlei findet man im Internet zuhauf: Erstens Pornografie und zweitens kluge Texte, die Pornografie kritisieren. Das verabscheuenswürdige Frauenbild, der Einfluss auf Jugendliche, die Arbeitsbedingungen in dieser kalten Branche - vielerlei wird zurecht angeprangert!

Den Herren Produzenten möge der Gegenwind derartig wild in ihre gierigen Wichsgesichter blasen, dass sich das Making-of nachhaltig zum Besseren wandelt.

Gleichzeitig möge das Gezeigte immer fantasievoller und menschenfreundlicher, nicht noch brutaler und eintöniger werden.

Zwölfjährige mögen vor Genuss ihres ersten Fleischfilms hinreichend gebrieft sein, um das Gesehen richtig einordnen zu können und als das zu begreifen, was es ist: Eine groteske Sexual-Fiktion, keine Do-it-yourself-Anleitung!

Unter carnal.at wird demnächst ein exklusiver Mitgliederbereich mit erotischen Live-Chats, Webcam-Shows und heißen Fetisch-Pics des umtriebigen Autors eingerichtet. Vorerst muss sich die Community aber noch mit einer biederen Wordpress-Seite zufriedengeben.

Zu meinen Spezialitäten gehören allerdings nicht moralische Traktate oder gesellschaftskritische Essays. Vielmehr bin ich weit über die Landesgrenzen hinaus für griffige Detailanalysen und lebensnahe Verbesserungsvorschläge bekannt, geliebt und gefürchtet.

Um meinem Ruf auch bei diesem Thema Genüge zu tun, habe ich den folgenden Forderungskatalog zur Verbesserung der Online-Pornographie erstellt, mit deren Umsetzung die Porno-Branche noch heute beginnen und dem durchschnittlichen User viel Mühsal und Pein ersparen könnte:

Leiser bitte!

Hiermit spreche ich ein totgeschwiegens Problem an, das ein jeder Konsument von Sexfilmchen kennen dürfte: Sie sind viel lauter als andere Videos im Internet.
Ein Beispiel: Man schaut zuerst ein Musikvideo auf youtube in normaler Lautstärke. Plötzlich hat man Lust auf Web-Erotik und gibt im Suchfenster einer Plattform „innocent neighbour seduced by swedish tennis referee“ ein.

Die Fenster sind weit geöffnet, weil man zuvor die urbane Atmosphäre mit modernen Sounds anreichern wollte. Ich meine natürlich die Fenster der Wohnung und nicht jene sieben Popups, die sich noch vor Konsum des Pornos im Hintergrund öffnen, um den Onanisten nach vollendetem Werk auf lukrative Online-Kasinos und lohnende Bekanntschaften in der näheren Umgebung hinzuweisen.

Doch das Erotikvideo ist UNVERHÄLTNISMÄSSIG LAUT! Also hört der ganze Bezirk, dass man sich gerade Unzüchtiges reinzieht und das Image rasselt in den Keller.

Meine Forderung ist daher die Folgende: Macht die Pornos leiser. Bitte! Oder von mir aus alle anderen Videos gleich laut. Eines von beiden halt.

Bessere Storylines

Niemand erwartet eine Handlung von epischer Dimension oder schauspielerische Glanztaten, doch Titel und Eingangsszene schaffen in den meisten Videos ein erzählerisches Grundsetting, in das man die Masturbation einzubetten gezwungen ist.

Ich behaupte, dass diese Handlungsgerüste an den Bedürfnissen der Mehrheit kilometerweit vorbeischrammen und nur der grauenhaften Fantasielosigkeit von Regisseuren geschuldet sind.

Träumt wirklich ein ernstzunehmender Kunden-Anteil davon, den Stiefbruder zu verführen, von der Stiefmutter in die Kunst der Mé­nage-à-trois eingeführt zu werden oder vom Stiefvater die Freundin ausgespannt zu bekommen? Sind die Berufsgruppen Lehrer, Masseur, “Boss” oder Kameramann wirklich am häufigsten im Fokus erotischer Luftschlösser? Ist die Idee eines fingierten Model-Castings, das der neugierige Fotograf nach einem zehnminütigen Interview der Kategorie “What do you like to eat?” zu seinem Vorteil zu nutzen weiß, nicht langsam etwas durch?

Die Rezipienten scheinen einfach schon akzeptiert zu haben, dass die immergleichen Trottel-Storylines millionenfach wiederholt werden, würden aber nach realitätsnäheren und originelleren Settings gieren.

Neue Werbekunden

Pop-Ups und Banner auf Pornoseiten werben zumeist für andere Pornoseiten oder nachbarschaftliche Anbahnungs-Portale. Aber ist es wirklich so zielführend, permanent auf Branchen-verwandte Reklame zu setzen? Wer sich gerade ein kostenloses Video über eine lüsterne Seniorin ansieht, wird doch nicht gierig auf einen Banner klicken, der kostenpflichtige Videos über lüsterne Seniorinnen anpreist.

Ist der Onanist im Zuge der hingebungsvollen Selbstliebe nicht besonders empfänglich für niedere Werbebotschaften aller Art? Warum werden Sexvideos nicht einfach von Werbung für Gemüseburger, Kokosriegel, Weichspüler oder Lebensversicherungen flankiert? Die werbenden Unternehmen hätten keinen Gesichtsverlust zu befürchten, schließlich hat Online-Pornographie insgeheim längst ein besseres Image als das Fernsehen.

Verbot von deutschen Titeln

Schon die englischen Titel von Pornos sind ungewöhnlich beschreibender Natur. Es gibt kein anderes Genre, in dem der Titel zumeist die gesamte Handlung vorwegnimmt. Franz Kafka nannte seinen beliebten Schocker “Die Verwandlung”, aber doch nicht “Junger Typ wacht plötzlich als Käfer auf und schockiert seine Eltern”. Und “Das Schweigen der Lämmer” heißt glücklicherweise nicht “Irrer Kannibale redet mit junger FBI-Schülerin über die entführte Tochter einer Senatorin”.

Im Vokabular zwar redundant, aber noch halbwegs erträglich sind die englischen Clickbait-Titel. Schlimm wird es erst, wenn sie auf Deutsch übersetzt werden, ob automatisch oder manuell. Die Startseite eines auf deutsche Übersetzungen spezialisierten Portals amüsiert beispielsweise mit

- Willige Teenie lässt sich von diesem alten Sack bumsen
- Junge und alte Schlampe haben ihre Partner ausgetauscht
- Im Dunkeln bekommt dieses Babe Bock auf Masturbation
- Ihr Freund hat ein extrem starkes Fußfetisch
- Ihr europäisches Arschloch sehnt sich nach seinem langen Schniedel

Wer glaubt, ich hätte diese Titel erfunden, soll sie googeln.
Eine gewisse Komik ist ihnen nicht abzusprechen, aber der Libido ist ihre Lektüre nicht gerade zuträglich. Man möge die Porno-Weltsprache Englisch strikt beibehalten. Das fördert nebenbei auch den Sprachschatz. Ich jedenfalls wüsste ohne Internet-Pornographie zum Beispiel nicht, was “barely legal” bedeutet.

Cookies

Laut einer soeben erfundenen Studie hat der Durchschnittsbürger bereits vier Stunden seines Lebens mit dem Wegklicken von Cookie-Hinweisen vergeudet. Ich würde gerne einmalig eine notariell beglaubigte Erklärung unterschreiben, mit der ich sämtliche Cookies dieser Welt akzeptiere.

Gerne dürfen fortan alle Websiten alle Infos über mein digitales Handeln speichern, die sie begehren. Auch Porno-Portale dürften die segensreiche Cookie-Technologie ruhig ausgiebiger nutzen, meine Vorlieben auswerten und mich regelmäßig mit neuem und bewährtem Material nach meinem Geschmack verwöhnen.

Denn mal ehrlich: Wie oft hat man schon einen entzückenden Porno gesehen, diesen dann aber nie wieder gefunden. Wer speichert sich seine Favoriten denn bitte ernsthaft als Lesezeichen? Wer führt Buch über die persönlichen Porno-Charts? Schon wenige Sekunden nach „getaner Arbeit“ wäre es einem doch vor sich selbst peinlich, einen pornhub-Link samt Schlagworten in ein Doc zu kopieren.
Mögen wohlprogrammierte Cookies das Masturbations-Gedächtnis der archivierungsunwilligen User ersetzen!

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