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Saskia Jungnikl

Rafaela Pröll

Das Altern und der Tod

In ihrem neuen „Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden“, befasst sich Saskia Jungnikl mit dem eigenen Altern und Sterben.

Von Anna Katharina Laggner

Ein Mal im Jahr denkt man an den Tod, vielleicht trifft man sich am Grab der Eltern oder Großeltern und zündet eine Kerze an. Dann hat der Tod wieder ein Jahr Funkstille, obwohl er, so heißt es zumindest, zum Leben dazu gehört.

Eine, die das weiß wie wenig andere, ist Saskia Jungnikl. 2008 hat sich ihr Vater umgebracht, sie hat diesen Tod in „Papa hat sich erschossen“ verarbeitet. Jetzt ist ihr neues Buch „Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden“ erschienen und wir haben die Autorin zum Interview getroffen.

Anna Katharina Laggner: „Meine ganze Welt war nicht mehr wie vorher“, hast du über den Selbstmord deine Vaters gesagt, den du in „Papa hat sich erschossen“ öffentlich besprochen hast. Wie kannst du es dir erklären, dass du danach selbst eine derartige Todesangst bekommen hast?

Saskia Jungnikl: Ich weiß gar nicht genau, was es war, das mich dazu gebracht hat. Ich weiß, dass die Angst begonnen hat, nachdem mein Vater gestorben ist. Es hängt mit diesem plötzlichen, abrupten Nicht-mehr-da-Sein zusammen. Das hat mir gezeigt, wie fragil alles ist, wie kurzlebig, wie man morgen gar nicht mehr da sein kann und hat sich extrem in einer Panik manifestiert.

Eine Reise in Leben

S. Fischer

„Eine ​Reise ins Leben oder wie ich lernte​,​ die Angst vor dem Tod zu überwinden“ von Saskia Jungnikl ist bei S. Fischer erschienen.

Es war also eigentlich gar nicht geplant, noch ein Buch über den Tod zu schreiben?

Nein, das war’s nicht, ich wollt eigentlich was Politisches schreiben. Die Ideen gingen eigentlich woanders hin, aber dann ist halt die Angst immer stärker geworden. Meine Beschäftigung mit dem Tod hat nicht aufgehört.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse für dich mit diesem Buch?

Als ich mit dem Buch begonnen habe, war der Tod das, was mein Leben sinnlos macht. Weil was soll noch Sinn machen, wenn ich sowieso sterben muss. Und das Interessante war, dass sich das dann so gedreht hat, dass der Tod was Entlastendes für mich bekommen hat. Im Sinn von: Ich brauch mich nicht so viel fürchten oder mir Sorgen oder Angst machen wegen Entscheidungen, weil ich werd sowieso sterben. Das heißt, dieses Leben gehört mir und alle Entscheidungen, die ich treffe, kann ich treffen. Ich genieß es anders, ich lebe anders, ich hab viel weniger Angst, ich mach mir viel weniger Gedanken darüber, was andere von dem halten, was ich tue oder ob andere was von mir erwarten, sondern ich schau drauf, was will ich überhaupt und versuche, das zu tun.

Das heißt, zu erkennen und den Sinn darin zu finden, dass es alles sinnlos ist? Das hat etwas sehr Fatalistisches, die Erkenntnis, es ist alles ein Nullsummenspiel.

Ich hab jetzt nicht alles über Bord geworfen und es gibt Dinge, die muss man machen. Man muss wo wohnen und was zu essen haben, das ist klar. Aber es ist doch so, dass ich mein Leben mehr als Spielplatz seh. Und es wird mir niemand am Ende meines Lebens einen Preis dafür geben, dass ich brav durchgehalten habe. Den Preis krieg ich indem ich mein Leben so führe wie ich das möchte. Jetzt ständig den Tod vor Augen zu haben und zu denken, is eh wurscht, das ist auch schlecht, das nimmt einem auch etwas weg. Aber ich finde auch nicht, dass man ihn ganz wegdrängen sollte, das geht auch zu unserem Schaden.

Du hast über dein erstes Buch gesagt, du hast es für dich selbst geschrieben. Also das Schreiben als eine Art von Therapie. War das bei dem aktuellen Buch auch so?

Beim ersten Buch war das ganz sicher so, das war eine Befreiung für mich. Bei diesem jetzt würd ich das gar nicht so sehen. Das war wirklich schon ein Zwang, das hat mich ständig beschäftigt. Das Thema Tod war so präsent für mich und in meinem Leben. Das ist halt die Art, wie ich mit Dingen umgehe: Ich schreibe darüber. Aber eine Therapie war es nicht. Und es ist jetzt so, dass ich mich mit dem Tod ausgesöhnt habe. Ich will immer noch nicht sterben und ich hab Angst davor, aber die Panik und die Sinnlosigkeit sind verschwunden.

Du plädierst in deinem Buch auch dafür, dass offener mit dem Thema Tod umgegangen wird. Wie denn genau?

So, dass es wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein, dass wir alle sterben und dass wir jetzt dieses Leben leben und dass wir es nutzen können. Und mit Nutzen mein ich nicht, dass wir es vollstopfen, sondern dass wir es haben und uns fragen, wie wir es leben wollen. Man liest immer von Leuten, die am Ende ihres Lebens sagen, ich wünschte, ich hätte noch das und das gemacht. Ich will das nicht, ich will das jetzt machen. Sich das manchmal ins Bewusstsein zu rufen, das kann nicht schaden. Wir treffen so viele Entscheidungen und wir gehen dabei meistens nach Sicherheit. Das verstehe ich total, aber ich glaube, es ist schon klug, jede zehnte Entscheidung auf Risiko zu gehen. Das schafft Abenteuer und Erinnerung und das ist das, was das Leben ausmacht.

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