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Nadeln finden im Heuhaufen

Der ORF und die Wochenzeitung Falter waren als österreichische Medien an der Recherche zu den Paradise Papers beteiligt. ZiB-Redakteur Kaspar Fink war schon bei den Panama Papers in die Spurensuche eingebunden und hat uns erzählt, wie man die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen findet.

von Lukas Lottersberger

Kaspar Fink im Interview

FM4: Eine Frage, die sich vermutlich viele stellen: Diese ganzen Konstrukte, die da aufgedeckt wurden von verschiedenen Medien, sind die eigentlich legal?

Kaspar Fink: In den meisten Fällen ist es legal. Es sind ja jetzt verschiedene Dinge international recherchiert worden. Beispielsweise Apple, Nike, Facebook, Walmart sind auch drin, und da ist es wohl so, dass es in so gut wie allen Fällen legal ist.

Grundsätzlich gibt es zwei Gründe, warum man Briefkastenfirmen gründet: einerseits Steueroptimierung, in manchen Fällen auch Steuerhinterziehung - was bei diesen Großkonzernen allerdings mit geringer Wahrscheinlichkeit der Fall ist - und Geheimhaltung. Es geht darum, dass man etwas tun will, was die Außenwelt oder andere nicht mitkriegen. Da spielt sich das Ganze ab. Aber es ist natürlich so:

Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.

Möglicherweise ist es auch journalistisch interessant, wenn es legal ist. Da geht es natürlich auch oft um legale Tricks, die Großkonzerne nutzen, um weniger Steuern zu zahlen.

FM4: Was genau will man geheimhalten?

Kaspar Fink: Da gibt es Verschiedenstes. Das kann Korruption oder Geldwäsche sein. Bei den Panama Papers war manchmal zu sehen, dass es auch private Gründe geben kann. Etwa wenn Menschen sich scheiden lassen und ihr Vermögen einfach nicht offenlegen wollen und das Geld irgendwo parken, wo es im Zuge der Scheidung nicht zum Tragen kommt. Also das kann ganz verschiedene Gründe haben, jeden Grund, den Geheimhaltung eben bietet.

Kaspar Fink

Kaspar Fink

ZiB-Redakteur Kaspar Fink

FM4: Wie seid ihr die Recherche angegangen?

Kaspar Fink: Es hat [im Frühjahr] ein erstes Treffen bei der Süddeutschen Zeitung in München gegeben – der sind die Daten ja zugespielt worden. Wir haben einen Onlinezugang bekommen und angefangen zu recherchieren. Angegangen sind wir es so, dass wir bestimmte Schlagwörter gesucht haben: Vienna, Austria PEP – das heißt „Politically Exposed Person“ – das benutzen Anwälte und Firmen, die Briefkastenfirmen anbieten, immer wieder, wenn es um heiklere Angelegenheiten geht. Wir haben ATX-Konzerne gesucht, die Namen von Politikerinnen und Politikern eingegeben, von Managern, verschiedensten Personen des öffentlichen Lebens, und haben das dann immer mehr eingegrenzt.

FM4: Wie lange hat es bis zum ersten „Bingo“-Moment gedauert?

Kaspar Fink: Es hat ein paar Namen gegeben, die man einfach eingibt, weil sie öffentlich bekannt sind, weil man diese Menschen kennt. Da ist z.B. der Herr Flöttl, mit seinen BAWAG-Spekulationen. Da sind wir relativ früh reingekommen. Meinl haben wir natürlich auch relativ schnell gefunden, was nahe liegt, weil Julius Meinl ja schon in mehrere Dinge involviert war in der Vergangenheit. Da haben wir ja dann auch was gefunden.

FM4: Da ist herausgekommen, dass es eine Beteiligung an einem Firmenkonstrukt gibt, wo die Firma Niemetz drinsteckt, die die Schwedenbomben herstellt. War das überraschend für euch?

Kaspar Fink: Es war nicht überraschend, dass am Ende das Meinl-Imperium bzw. die Meinl-Gruppe steht, weil das ja schon öffentlich bekannt ist und in den Medien. Das Neue an dieser Geschichte war die Komplexität der Strukturen dahinter. Also dass man einerseits eine Firma in der Schweiz hat, die wiederum einer Firma in Rumänien gehört, die wiederum einer Firma auf Malta gehört und die wiederum einer Firma auf den Cayman Islands gehört.

Was wir nicht konnten, war, in diese Firmen hineinschauen und Schlüsse ziehen, warum derartige Konstrukte gemacht werden. Aber es überrascht schon, wie komplex diese Dinge aufgebaut sind und wie weit die Wege hier gegangen sind.

FM4: Das ist eine Österreich-Connection, die ihr da entdeckt habt in diesem Wust an geleakten Daten. Gab es sonst noch Österreich-Connections, die euch aufgefallen sind?

Kaspar Fink: Eben die Flöttl-Geschichte mit der BAWAG. Das könnte durchaus interessant sein, weil es da sieben Firmen gibt auf Aruba, die dem Herrn Flöttl zuzuordnen sind, von denen bisher nie irgendwer etwas gewusst hat. Dazu muss man wissen: Wolfgang Flöttl hat das Geld, das ihm die BAWAG in den 90ern gegeben hat, verspekuliert, und es hat aber immer wieder Gerüchte gegeben, dass das nicht stimmen könnte, dass das Geld irgendwo anders hingeflossen ist.

Wir können nicht beweisen, dass das so ist, aber es ist doch ein interessanter Aspekt, dass da sieben Firmen auf Aruba – also in einer Steueroase – waren, von denen noch nie jemand etwas gehört hat. Es gibt darüber hinaus auch noch einige andere Österreich-Connections, wir sind aber noch am Recherchieren. Da kann ich im Moment auch keine Namen nennen, weil das unfair wäre und weil wir auch noch nicht wissen, ob davon irgendetwas im öffentlichen Interesse ist. Wir müssen uns einfach noch tiefer hineingraben.

FM4: Wie wahrscheinlich ist es, dass es nochmal zu einem Verfahren kommen könnte gegen Herrn Flöttl?

Kaspar Fink: Ich bin zu wenig Jurist, das kann ich im Detail nicht einschätzen. Ganz klar ist, Helmut Elsner und sein Anwalt strengen das an. Die wollen, dass es weitere Schritte gibt. Ob und inwieweit die Justiz dem folgt oder jetzt durch diese Firmen der Meinung ist, dass dem gefolgt werden soll, das kann ich nicht beurteilen.

FM4: Als die Panama Papers geleakt wurden, war die Resonanz gefühlt eher schwach und es gab kaum Konsequenzen. Glaubst du, diesmal wird es anders laufen, einen größeren Aufschrei geben und wird die Politik vielleicht einschreiten und Regulierungen schaffen? Ist das realistisch?

Kaspar Fink: Wenn ich ein bisschen ausholen darf: Ich glaube nicht, dass die Panama Papers so überhaupt keine Konsequenzen hatten. Tatsache ist, die mediale Empörung, die dauert immer nur ein paar Tage und dann ist es vorbei und es geht wieder um andere Dinge. Aber die Süddeutsche Zeitung hat sich das angeschaut, ich habe das jetzt nur ungefähr im Kopf, aber da ist schon viel passiert. Abgesehen davon, dass es ja einen Untersuchungsausschuss im EU-Parlament gegeben hat, es hat sogar in Österreich, in Vorarlberg, einen U-Ausschuss zur Hypo Vorarlberg gegeben.

Es sind weit über 100 Millionen Euro, laut der Süddeutschen Zeitung, durch die Panama Papers an Steuergeld dann doch gezahlt worden, es hat Ermittlungen gegeben gegen Tausende Personen weltweit, auch Verurteilungen. Es ist der isländische Premier zurückgetreten, am Ende musste auch der pakistanische Regierungschef zurücktreten, es hat große Aufregung auch in Malta gegeben.

Das hat schon Auswirkungen gehabt und ich glaube, bei den Paradise Papers wird es ähnlich sein. Letztlich geht es einfach darum, dass man das Thema journalistisch bearbeitet, dass man es immer wieder auf die Tagesordnung bringt und dann möglichst gut und seriös diskutiert.

FM4: Du hast bei den Panama Papers selbst recherchiert. Glaubst du also, dass der Impact diesmal größer sein wird?

Kaspar Fink: Ich weiß es nicht. Es ist ja auch vom Leak her ganz anders aufgebaut als bei den Panama Papers. Damals waren es viel mehr Einzelpersonen. Jetzt, bei den Appleby-Kunden sind das oft wirkliche Großkonzerne. Ich glaube, dieser Aspekt, dass man diese grundsätzliche Steuergerechtigkeit global mehr diskutiert, dafür wären die Gegebenheiten jetzt stärker. Da geben die Paradise Papers mehr Einblicke. Ich glaube und hoffe schon, dass das zu weiteren Diskussionen führen wird.

FM4: Gibt es zwischen den Panama Papers und den Paradise Papers eigentlich große Überschneidungen oder kann man geografische Unterschiede erkennen?

Kaspar Fink: Es gibt schon Unterschiede. Bei den Panama Papers ging es ja um die Rechtsanwaltskanzlei Mosac-Fonseca in Panama City. Die waren sehr europäisch geprägt, auch sehr südamerikanisch, aber es waren viele europäische und auch russische Kunden drin. Jetzt, bei den Paradise Papers ist es etwas komplizierter, weil es einerseits um die Kanzlei Appleby geht, andererseits geht es um einen Treuhänder in Singapur, der geleakt worden ist, und es geht um 19 Firmenregister von Steueroasen, in die man das erste Mal hineinschauen kann. Also die Recherche ist sehr viel komplexer. Aber bei Appleby ist es schon so, dass die sehr US-lastig sind. Die meisten der 31.000 Kunden von Appleby kommen aus den USA. Da gibt es also schon eine Verlagerung.

FM4: Was war denn für dich persönlich ein Highlight bei den Recherchen? Oder gab es etwas, wo ihr gemeinsam in der Redaktion überrascht wart, das zu entdecken?

Kaspar Fink: Interessant war, wenn man sich mit der Kanzlei Appleby auseinandergesetzt hat – das war aber nicht nur unsere Recherche, sondern im Kollektiv mit den internationalen KollegInnen –, wie das Thema bei Appleby selbst behandelt wird. Die haben ja auch eine Compliance, also kümmern sich darum, dass gewisse Dinge nicht passieren. Nur manchmal, offenbar, funktioniert diese Compliance nicht und es gibt dann auch Dinge, die nicht passieren dürften – auch aus juristischen Gründen, unabhängig von der moralischen Komponente.

Appleby, muss man dazusagen, weist all das zurück. Die Süddeutsche Zeitung hat aber schon einige Fälle gefunden, auch die Kollegen von der New York Times und dem ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists), die darauf hindeuten, dass da viel nicht geklappt hat. Das war schon wirklich amüsant zu sehen in E-Mails, wie die Compliance intern anrennt gegen die Tatsache, dass die Firma eben Geschäft machen will und dazu neigt, im Zweifelsfall eben Geschäft zu machen.

FM4: Ihr und die anderen Redaktionen seid noch am Recherchieren. Wird es in den nächsten Wochen noch die eine oder andere Bombe geben, die platzen wird?

Kaspar Fink: Ich weiß nicht, ob es eine „Bombe“ wird. Aber es gibt schon noch die eine oder andere Geschichte zu recherchieren – auch mit Österreich-Bezug. Es gibt auch international noch Geschichten, die in den nächsten Tagen kommen werden. Da hat das ICIJ noch einiges vorbereitet. Das Thema ist noch nicht gegessen.

John Christensen vom Tax Justice Network

John Christensen

Tax Justice Network

Joanna King von FM4 Reality Check hat gestern außerdem mit dem Ökonomen und forensischen Prüfer John Christensen gesprochen. Er ist einer der Mitbegründer des Tax Justice Network und ist Vorstandsmitglied von Tax Inspectors Without Borders.

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