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Father/Daugther Records

Die dunkel-bunte Welt von Shamir

Ein Popstar mit androgyner Stimme und super upbeatigen Bubblegum Songs, aber auch tief düsterer Introspektion im Gepäck.

Von Dalia Ahmed

Für viele ist Las Vegas eine Stadt, die eigentlich keine ist. Ein Ort, an dem der Hedonismus in all seinen Formen zelebriert wird und wo keiner tatsächlich oder permanent zu wohnen scheint. Für manche ist es die Heimatstadt Brandon Flowers, dem Frontman von The Killers. Für mich ist es eigentlich nur der Ort, wo die beste CSI-Variante spielt. Und für Shamir ist es eine höllisch langweilige Stadt, in der er eben aufgewachsen ist.

Shamir, das ist der 23-jährige Musiker mit der hohen Kontratenor-Stimme. Seine anfangs elektro-poppigen Produktionen zeichneten sich durch einen tanzbaren Upbeat-Rhythmus und selbstbewusste Texte aus. Diese Kombination verhalf ihm zu seinem ersten und bis dato einzigen großen Hit „On the Regular“, der 2014 erscheint. Ein Song, auf dem Shamir rappt. Etwas, das er sonst eigentlich eher nicht tut. 
Aber Shamir ist eben keiner, der sich vorm unbeschrittenen Pfad fürchtet.

Auf Shamirs Debütalbum „Ratchet“ (ein meist abschätzig verwendetes Adjektiv, das stereotypes schlechtes Verhalten von Afro-amerikaner/innen beschreibt) präsentiert er sich stark, gelangweilt-klingend, sprechend und singend und vor allem als tougher Teenie, der dazu steht, auch mal eine „Hot Mess“ zu sein.

Zwei Jahre später im Mai 2017 erscheint seine LP „Hope“, die auf Lo-Fi statt auf pompöse Disco Stimmung setzt. Shamir zeigt uns nun eine verletzlichere Seite. Eine Seite, die sich dem Pop abwendet und auf melancholische Gitarrenriffs und eindringliche Darbietung eines Blues setzt.

Shamir

Jason MacDonald

Shamir beschreibt die Entstehung von „Hope“ auf Soundcloud so: „I was gonna quit music this weekend. From day 1 it was clear I was an accidental pop star. I loved the idea of it, I mean: who doesn’t? Still the wear of staying polished with how I’m presented and how my music was presented took a huge toll on me mentally. I started to hate music, the thing I loved the most!“

Shamir

Father/Daugter Records

„Revelations“ ist am 3. November auf Father/Daughter Records erschienen.

Der Erwartungsdruck, als schwarze, schwule und nichtbinäre Über-Hoffnung des poppigen Electro eine Vorbildfunktion einzunehmen und die Karriereleiter zu erklimmen, wurde Shamir zu viel. Er zog sich zurück, sperrte sich mit einem 4-Spur Aufnahmegerät in sein Zimmer ein und nahm an einem Wochende „Hope“ auf. „I made this album this past weekend stuck in my room with just a 4 track, feeling hopeless about my love for music. I’m not gonna lie, this album is hard to listen to, but it was even harder for me to share. I love pop music, I love outsider music, and I love lofi music, this is my way of combining all 3. Anyway, I played, wrote, produced, and mixed everything…“



Nach dem Release von „Hope“ trennt sich Shamir von seinem Management, überlegt zum wiederholten Male, das mit der Musik sein zu lassen und erlebt eine psychotische Episode, die zur Diagnose einer Bipolaren Störung führt. Jetzt, wenige Monate später, ist Shamir mit dem „Revelations“ Album zurückgekehrt. Diesmal scheint alles tatsächlich so zu laufen, wie Shamir es sich vorstellt. Die Metamorphose vom dancigen Pop Kid hin zum ernsten Alt-Rock Lo-fier ist vollbracht.

„Revelations“ behandelt den Ernst des Lebens. Vergessen sind die bunten, tanzbaren „Ratchet“-Tage. Auf dem Album sudert Shamir musikalisch auf höchstem Niveau, fällt aber dennoch ab und zu in die Kitschfalle - oder wohl eher die Ninties-Falle. Denn Shamirs neuer Sound klingt nach dem Soundtrack eines über-hippen Films von 1997. Ein Film mit Drew Barrymore, Clea DuVall und Chloë Sevigny in einer kleinen Gastrolle. Ein Film, in dem die Protagonist/innen in einem Hot Topic arbeiten und die Teenage-Angst regiert.

Aber Shamir ist nun mal ein Punk im Herzen. Ein Musiker, der auf dem besten Wege war, ein Popstar zu werden, das aber nicht wollte und einlenkte. Jetzt macht Shamir eben traurigen, aber treibenden Schlafzimmer-Pop-Rock. Auch schön!



Und so ganz hat er sich dem Pop ja auch nicht abgewandt. Auf Rina Sawayamas frisch erschienenem Debütalbum ist Shamir beispielsweise in alter melodischer Frische als Featuregast zu hören.

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