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Cover "Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein"

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Comic

Seufz

Mit Anfang Zwanzig liebt Autorin Ulli Lust zwei Männer. In „Wie ich versuchte ein guter Mensch zu sein“ zeichnet und beschreibt sie diese offene Dreierbeziehung.

Von Zita Bereuter

Sie sei Autorin und könne sich eine gute Geschichte einfach nicht entgehen lassen. Sie müsse sie zeichnen. Also erzählt Ulli Lust eine sehr gute Geschichte. Ihre Geschichte.

Ulli Lust ist Anfang zwanzig und mit dem um 18 Jahre älteren Künstler Georg zusammen. Weil ihr Sexualleben nicht zur Zufriedenheit beider verläuft, einigen sie sich darauf, dass jeder auch Affären haben darf. Ulli lernt Kimata kennen. Er ist der perfekte Liebhaber für guten Sex und Georg der perfekte Gefährte für alles Andere.
Natürlich sei ihr damals schon die Klischeefalle bewusst gewesen. Aber sie habe eben Kimata kennen und lieben gelernt.
Die offene Dreierbeziehung funktioniert lange gut. Aber irgendwann dominieren Vorwürfe, Eifersucht, Besitzansprüche und Gewalt.

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copy Ulli Lust/Suhrkamp Verlag

Es gibt nur wenige Arbeiten, in denen die weibliche Seite der Sexualität so gut, so sinnlich, so voller Lust und Leidenschaft beschrieben bzw. gezeichnet ist.

Bild mit Aufschrift Seufz

Ulli Lust/Suhrkamp

Ulli Lust

Ulli Lust ist in Wien geboren und in Niederösterreich aufgewachsen. Mittlerweile lebt sie in Berlin und lehrt an der Hochschule Hannover Comiczeichnen. Als 17jähriger Punk trampt sie Mitte der 80er nach Italien. Nach ganz unten. In „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“ beschreibt sie 2009 die Reise. Die Graphic Novel wird in 13 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
2013 adaptiert sie „Flughunde“ von Marcel Beyer.
Nach dieser notwendigen Pause widmet sie sich jetzt wieder ihrer Autobiographie.

Hier ist eine junge Frau, die exakt weiß, was sie will und wie sie es will.
Für Ulli Lust ist es einfacher, das autobiographisch zu erzählen. Denn so würde sie selbst entscheiden, wie viel sie von sich preisgibt. Sie könnte diese Geschichte nicht in der Intimität über andere Menschen erzählen, da sie sonst deren Privatsphäre verletzten würde. „Es ist ein bisschen schwieriger, andere Menschen bloß zu stellen als sich selbst.“

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copy Ulli Lust/Suhrkamp Verlag

Ulli Lust erzählt radikal und schonungslos - inspiriert und begeistert von den „alternative“ Comiczeichnern aus Amerika. Ehrlichkeit und Offenheit steht da über allem, peinlich ist ihr nichts. „Wenn ich merke, dass ich etwas nicht erzählen würde, weil es mir peinlich ist, das ist kein Argument.“

Natürlich gibt es auch Dinge, die sie bereut. Dass sie ihren Eltern Sorgen bereitet habe und lange habe sie an Schuldgefühlen gegenüber ihrem Sohn gelitten.

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Ulli Lust/Surhkamp

Andererseits sei ja alles wahnsinnig gut ausgegangen und „Dennoch profitiere ich heute von dem Übermut, den ich als Jugendliche an den Tag gelegt habe.“

Cover "Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein"

suhrkamp

Ursprünglich war da hinter dem Tier noch ein kopulierendes Paar gezeichnet, erklärt Ulli Lust. „Also ich hab ein Pärchen beim Sex gezeigt, aber nur so ganz verdeckt von hinten. Man sieht nicht wirklich was, aber man sieht die beiden im Bett“ Das ging für den Verlag nicht „Sex auf dem Titelblatt ist verboten.“ Das würden die Buchhändler nicht bestellen. Letztlich ist Ulli Lust aber froh, dass das Pärchen weg ist, denn in Kombination mit ihrem Namen wäre das „echt ein bisschen platt“. Ulli Lust: „Wie ich versuchte ein guter Mensch zu sein“ ist bei Suhrkamp erschienen, eine Leseprobe gibt es hier.

Ulli Lust erzählt und zeichnet direkt und mit einer beeindruckenden Leichtigkeit. Gerade in dieser Selbstverständlichkeit liegt ihre besondere Größe. „Wie ich versuchte ein guter Mensch zu sein“ wirkt nach und hat das Zeug für vielfache Auszeichnungen. Das ist große Kunst.

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