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CC BY-SA 3.0 von Henning Schacht https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Peter_Ramsauer_-_Verkehrsminister.jpg

MARC CARNAL

Meine Pläne als Verkehrsminister

Parlamentarische Routine ist längst mehr Bürde als Kriterium für eine Express-Karriere als Minister. Kompetenzoriginelle Quereinsteiger aus der Mitte der Gesellschaft sind gefragter als graue Langzeit-Bonzen. In dieser kleinen Serie skizziere ich meine Vorhaben für verschiedene Ressorts, falls mir demnächst ein Ministerposten angeboten wird.

Von Marc Carnal

Die politischen Novizen Juliane Bogner-Strauß, Heinz Faßmann, Hartwig Löger und Margarete Schramböck haben sich noch unlängst ihre Sporen als Molekularbiologin, Universitätsprofessor, Vorstandsvorsitzender und Managerin verdient, bevor sie über Nacht in höchste politische Ämter gehievt wurden. Es ist also nicht völlig auszuschließen, dass auch mir diese Ehre eines Tages zuteil wird. Falls ich bald ein Ministerium leiten sollte, möchte ich die Bevölkerung fairerweise bereits im Vorfeld über meine radikalen Reformpläne informieren.

Wenn ich Verkehrsminister werde, müssen sich Autofahrer warm anziehen. Nicht im wörtlichen Sinn (Ich plane nicht, Standheizungen zu verbieten), sondern weil ich zahlreiche Einschränkungen verabschiede, die den motorisierten Individualverkehr derartig unbequem gestalten, dass auch überzeugte Lenker nur noch in dringlichen Fällen den Zündschlüssel zücken.

Auf Autobahnen herrscht durchgehend Tempo 100. Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ist nur noch die rechte Fahrspur zugänglich, Besitzer von Elektrofahrzeugen haben uneingeschränktes Überholrecht. In Ortsgebieten gilt Tempo 30, auf Landstraßen 70.

Unzählige gut versteckte Radarfallen machen unsanktionierte Geschwindigkeitsübertretungen beinahe unmöglich. Wer nur ein bisschen zu schnell fährt, hat mit vierstelligen Strafen zu rechnen. Mit den Einnahmen werden die Mehrkosten für die sechsmonatige und wesentlich strengere Fahrausbildung querfinanziert. Wer unbedingt ein Auto steuern will, muss unter meiner Ägide ausführlich beweisen, dass er dazu - vor allem psychisch - in der Lage ist. Die Anforderungen werden derartig rigoros gestaltet, dass nur noch rund ein Viertel der Bürger die Führerscheinprüfung besteht.

Mit saftigen Pönalen hat auch zu rechnen, wer alleine in einem Auto sitzt. Mittels einer verpflichtend zu installierenden App werden für jede Strecke passende Mitfahrer zugeteilt, die gegen eine geringe Gebühr mitgenommen werden müssen. Für Mitfahrer ist die Gebühr halbwegs moderat und Autobesitzer können damit in Summe die Versicherungskosten decken.

Der öffentliche Verkehr wird großflächig gefördert und attraktiviert. Um auf die bevorstehende Etablierung selbstfahrender Vehikel nicht mit Kündigungswellen reagieren zu müssen, werden zahlreiche neue Jobs geschaffen: Bürger müssen künftig eine Öffi-Benutzungsprüfung absolvieren, bei der sie das korrekte Verhalten in Zügen und Bussen erlernen. Kurse wie “Sitzplatz anbieten”, “Essensverbot als Chance” oder “Rücksichtsvolle Smartphonenutzung” werden von umgeschulten Fahrern geleitet, für die Prüfungskommissionen und die Aufsichtsorgane in den Öffis werden ausschließlich betagte Langzeitarbeitslose und Ex-Fiaker eingesetzt.

Fiakerkutschen werden nämlich aus Tierschutzgründen verboten. Ein Schwarzmarkt ist in diesem Sektor nicht zu erwarten und die traditionsbewusste Bevölkerung wird sich an das Fehlen der doofen Fuhrwerke rasch gewöhnen. Wesentlich größere Proteste dürften die generellen Verbote weiterer Fahrzeuge auslösen. Um die Bürger vor dem Verlust ihrer Würde zu bewahren, werden lächerliche Fortbewegungsmittel wie Tretroller, Segways, Rollschuhe oder Liegeräder von Straßen und Gehsteigen verbannt. Wer sich unbedingt originell fortbewegen will, kann seinen Neigungen ja auf Sportplätzen oder Privatgründen nachgehen. In Kooperation mit namhaften Influencern und Boulevardmedien wird im Gegenzug ausführliches Zufußgehen und Radfahren als Trend ausgerufen.

Den Flugverkehr lasse ich weitgehend unangetastet. Ich kann mich auch nicht um alles kümmern. Was ich aber revolutionieren will, ist das demütigende Prozedere an Flughäfen. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit lasse ich eine Arbeitsgruppe ein Konzept für unkomplizierteres Einchecken ausarbeiten. Ich kann leider noch nicht ins Detail gehen, mir schwebt aber vor, dass Fluggäste nicht mehr wie Terroristen behandelt werden, sondern nach einer oberflächlichen Taschenkontrolle Flugzeuge genauso unbürokratisch wie Züge betreten können, nachdem sie ihr Gepäck selbst in den Frachtraum geworfen haben. Wird schon gutgehen.

Keinerlei Änderungen gibt es im Schiffsverkehr. Der ist mir ehrlich gesagt völlig egal.

Soweit meine Pläne als Verkehrsminister.

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