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Frau vor Wikipedia-Plakat

John MACDOUGALL / AFP

Wikipedia hat zu wenig Autorinnen und das schon lange

Nach 17 Jahren Wikipedia gibt es noch immer ein Gender-Missverhätnis unter den Wikipedia-Autor_innen. Was kann man dagegen tun?

Von Irmi Wutscher

Heute hat Wikipedia Geburtstag: am 15 Jänner 2001 wurde die englischsprachige Version gegründet. Seit 17 Jahren gibt es das Online-Nachschlagewerk, das so manchen von uns die Hausübung gerettet und inzwischen auch klassische Nachschlagewerken wie den Brockhaus auf dem Gewissen hat.

Im Gegensatz zu früheren Nachschlagewerken basiert Wikipedia auf Schwarmintelligenz. Theoretisch kann dort jeder und jede Artikel einstellen oder editieren und damit mit seinem_ihrem Wissen zum großen Wissen der Welt beitragen. Doch die Realität entspricht nicht ganz diesem Idealbild.

„Wikipedia ist gleich wie die Welt da draußen. Nicht alle haben die gleiche Stimme und nicht alle werden gehört!“

So Katharina Brandl, die vergangenen Herbst einen Wikipedia edit-a-thon für Frauen in St. Pölten veranstaltet hat.

9 von 10 sind Männer

Tatsächlich sind die Autorinnen und Autoren der Wikipedia nicht so durchmischt, wie die Bevölkerung. Im deutschsprachigen Raum sind zum Beispiel 90 Prozent der Wikipedia-Autor_innen männlich. „Das sehen wir sowohl bei Offline-Treffen beziehungsweise besagen das internationale Studien über Wikipedia“, sagt Claudia Garád vom Verein Wikimedia Österreich. Nur jedeR zehnte Schreiber_in ist eine Frau oder definiert sich abseits der beiden Kategorien „männlich und weiblich“. Auch am Output kann man das ablesen: So sind nur 16 Prozent der biografischen Einträge der Wikipedia über Frauen.

Die Wikimedia Foundation, die hinter Wikipedia steht, weiß um das Missverhältnis zwischen Männern und Frauen - nur eines unter mehreren in der Community. Schon seit vielen Jahren wird Wikipedia vorgeworfen, tendenziös zu sein - auch wegen der Zusammensetzung seiner Community: „Wir als Wikimedia-Organisation haben keinen Einfluss auf die Wikipedia“, sagt Garád, „wir können die Regeln und den Umgangston, der dort herrscht, nur mittelbar beeinflussen.“

2012 ist das Thema Wikipedia-Community und Sexismus schon einmal hochgekocht, seitdem gab es paar Bemühungen, etwas zu verbessern.

Seit Frühjahr 2016 gibt es etwa den Visual Editor. Musste man früher Code-Schreiben können, um einen Eintrag zu erstellen, gibt es jetzt „eine Bedienoberfläche, die intuitiver ist. So wie es die meisten kennen von anderen Anwendungen wie Word und dergleichen“, sagt Garád. Das soll den Einstieg erleichtern – für alle die sich damit nicht auskennen, nicht nur für Frauen. Und um mehr Inhalte über Frauen zu haben, wurden so genannte edit-a-thons ins Leben gerufen.

Wikipedia Edit-A-Thon

Katharina Brandl ist Mitbegründerin des Frauennetzwerks Sorority und des Business-Riot Festivals. Als Teil der Initiative Art & Feminism hat sie letzten Herbst in St. Pölten einen Wikipedia edit-a-thon für Frauen veranstaltet. „Man kennt das vielleicht aus der eigenen Erfahrung mit Wikipedia, dass manche Artikel biased sind. Aber noch viel mehr fällt auf, dass gerade im Bereich Kunst Artikel über Frauen, besonders über ältere Frauen, fehlen.“

Der Wikipedia edit-a-thon wurde veranstaltet von und der Schweizer Editier-Gruppe who writes his_story? gemeinsam mit dem Business Riot Festival, am LAMES Gelände in St. Pölten

Dem wird ganz praktisch etwas entgegen gesetzt: Auf dem österreichischen edit-a-thon haben die Teilnehmerinnen einen Artikel über die Künstlerin Margot Pilz erstellt oder Einträge über die feministische Theoretikerin Sara Ahmed oder die US-amerikanische Publizistin Andi Zeisler übersetzt und andere Artikel ausgebessert.

„Die Frage ist nicht nur, wie schreibe ich so einen Artikel, wie gehe ich mit der Oberfläche um, sondern auch: wie begegne ich dem manchmal etwas raueren Ton, der mir da entgegenschlägt.“ - Katharina Brandl

Denn hat man einen Artikel geschrieben, wird er von der Community diskutiert und freigeschalten. Da geht es oft rau zu bzw. werden als Frauenthemen wahrgenommene Themen oft wenig wertgeschätzt und Autorinnen müssen um ihre Themen kämpfen. Das ist oft ein Hauptgrund, warum es manche Themen, die nicht dem Wikipedia-Mainstream entsprechen, schwerer haben. Auf so einem edit-a-thon kann man dem in der Gruppe oft leichter begegnen, als alleine als Schreib-Neuling und es gibt schnell Erfolgserlebnisse.

„Wenn dein Artikel, oder die Änderungen, die du in einem Artikel machst, online gehen, das ist ein tolles Gefühl!“, sagt Katharina Brandl. „Deswegen ist das eine so großartige politische Arbeit: weil sie im besten Fall sofort sichtbar ist! Und man merkt, dass man die Oberfläche des Internets verändert!“

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