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Dirk von Lowtzow

Claus Diwisch / FM4

Geschichten aus der Subkultur

Thees Uhlmann schimpft, Dirk von Lowtzow drückt mir Lilien in die Hand:
Und das sind nur zwei Geschichten von tausenden, die in diesen Archiven schlummern und von Subkultur erzählen, von Gesprächen statt Unterhaltungen und Menschen statt Leuten. Eine Liebeserklärung an das FM4 Archiv.

Von Claus Diwisch

Ich sitze 2008 im großen Sendesaal im Funkhaus bei der FM4 Radio Session mit Tomte. Vor lauter Ehrfurcht und Begeisterung merke ich nicht, dass meine Kamera bei jedem Foto einen nervigen Piepston von sich gibt. Thees Uhlmann aber schon und er macht mich in einer seiner charmanten, aber endlos langen Ansagen darauf Aufmerksam. Es ist peinlich. Ich versinke im Sessel und werde rot.

Thees Uhlmann

Claus Diwisch / FM4

Der Moment in dem Thees Uhlmann mich entdeckt hat.

10 Jahre später stolpere ich im FM4 Archiv genau über diese Ansage. Ich werde noch einmal rot. Es ist für immer festgehalten, wie ich mit 16 Jahren das Tomte Konzert gestört habe. Es dauert dann aber nur kurz, bis sich ein bisschen Stolz in mir breit macht. Oder besser: Ehrfurcht. Vor all den Momenten, die in diesem Archiv schlummern, vor der Freude, den Partys und der Melancholie in diesen vielen Songs.

“Ich sehe aus wie ein Idiot, aber fühl’ mich wie ein Millionär. Wegen euch.”
Und dann die Hymne der melancholischen guten Laune - “Die Schönheit der Chance”.

Diese Dramatik hat Thees Uhlmann schon immer gut drauf gehabt. Die Jahre darauf musste ich dutzende WG-Diskussionen führen, ob Tomte deswegen eine peinliche Band ist oder nicht. (Ist sie übrigens nicht). Dann erinnere ich mich an die FM4 Radio Session mit Tocotronic - ich wieder tief pubertierend in der ersten Reihe sitzend bekomme von Dirk von Lowtzow vor der ersten Zugabe die weißen Lilien in die Hand gedrückt, die als Dekoration auf der Bühne standen. Mehr hab’ ich nicht gebraucht, die Welt hätte auch stehen bleiben können - mir egal, Dirk von Lowtzow hat mir gerade Blumen geschenkt.

Und irgendwann habe ich dann die Radio Session mit The Notwist hier auf der FM4 Website entdeckt. Die ist unglaublich! “And all of a sudden, you are one with the freaks” heißt es da im ersten Song, den ich nie wieder hergeben wollte und deshalb beschlossen habe die Sessions ab sofort mit ein paar Tricksereien im Quelltext herunterzuladen und auf der Festplatte zu speichern. Mein privates Archiv, diese Momente geb’ ich nicht mehr her.

Und das sind nur drei Geschichten von tausenden, die in diesen Archiven schlummern und von Subkultur erzählen, von Gesprächen statt Unterhaltungen und Menschen statt Leuten. Und diese Uhlmann’sche Dramatik in meiner Formulierung ist kein emotionales Clickbait, sondern doch eher Anlass und Ursprung für ein wenig mehr Lebensbegleitung als nur ein Facebooklike. Flashbacks als Selbstwahrnehmungkorrektiv.

Und ganz nebenbei, übrigens, habe ich das Archiv jetzt zurecht mal entstaubt und wir spielen, (aus rechtlichen Gründen leider nur einmalig) bis Samstag 24/7 unsere Videoarchivschätze noch einmal in einem Livestream raus. Keine Sorge, der tut nichts, der will nur staunen.

Es fällt mir schwer, nicht zu schwärmen, so viele Weirdos gegen den Rest der Welt. Und alles nur Mittel zu Zweck, jenem, der erst noch verborgen liegt und im Nachhinein für Staunen und Wundern sorgt.

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