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Brennender Öltanker Sanchi

TRANSPORT MINISTRY OF CHINA / AFP

„Das ist nicht vergleichbar mit anderen Ökatastrophen.“

Das Tankerunglück im Ostchinesischen Meer sei weniger schlimm als frühere Unglücke, sagt der Meeresbiologe Gerhard Hendl im Interview.

Von Lukas Lottersberger

Am 14. Jänner ist im Ostchinesischen Meer zwischen China und Japan ein Öl-Tanker gesunken, der davor mit einem anderen Schiff kollidiert und dann abgebrannt ist - die Besatzung des Öl-Tankers „Sanchi“ ist dabei gestorben.

Die „Sanchi“ war mit tausenden Tonnen Kondensat beladen - einem Leichtöl, das zwar zum Teil verbrannt ist, aber auch ins Meer geströmt ist. Mit einer Ölpest, wo Rohöl austritt, sei dieses Unglück nicht zu vergleichen, sagt der Wiener Meeresbiologe Prof. Gerhard Herndl. Wir wollten von ihm mehr über die Auswirkungen des Unglücks auf die Umwelt wissen.

Lukas Lottersberger: Es sind jetzt immer wieder Vergleiche gezogen worden mit dem Unglück der „Exxon Valdez“ in den 80er Jahren oder mit der 2010 gesunkenen Borhplattform „Deepwater Horizon“. Sind diese Vergleiche zutreffend?

GERHARD HERNDL in einem Labor

APA/GEORG HOCHMUTH

Prof. Dr. Gerhard Herndl

ist Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften an der Uni Wien und stellvertretender Leiter des Departments für Limnologie und Bio-Ozeanographie

Gerhard Herndl: Diese Unglücksfälle kann man nur sehr schwer miteinander vergleichen, weil die Substanzen, die ausgeflossen sind, sehr unterschiedlich sind. Jetzt im Ostchinesischen Meer sind das Substanzen, die sehr flüchtig sind, die rasch verdampfen. Diese Kohlenwasserstoffe, die da ausgetreten sind, sind relativ leicht abbaubar.

Bei der „Exxon Valdez“ war das zwar weniger Öl insgesamt, aber das war Schweröl, das hat einen dicken Schlick gebildet. Was da aber ganz entscheidend war, ist, dass das Unglück der „Exxon Valdez“ bei Alaska passiert ist, da herrschen permanent tiefere Temperaturen, das heißt, der mikrobielle Abbau passiert dementsprechend langsamer: Je kälter das Wasser ist, desto langsamer ist der Stoffwechsel der Mikroorganismen, die dieses Öl abbauen.

Es gibt eben Mikroorganismen, die Öl abbauen können. Öl tritt ja auch ganz natürlicherweise zum Beispiel im Golf von Mexiko aus, diffundiert durch die Meeressedimente in die Wassersäule. Diese Mikroorganismen verwenden das Öl als Energiequelle und leben davon. Aber in Alaska war das so, dass eben diese tiefen Temperaturen den Ölabbau sehr erschwert haben. Das Schweröl bildet außerdem einen dicken Schlick, das heißt, wir haben relativ wenig Oberfläche und ein relativ großes Volumen von diesem Klumpen an Öl, während bei Leichtöl ein richtig dünner Film mit einer relativ guten Angriffsfläche für Mikroorganismen entsteht.

Heißt das, das ist alles halb so schlimm?

Generell ist es so, dass solche Unglücke die Natur in einem kurzen Zeitraum schädigen, teilweise gewaltig. Das hat man auch im Golf von Mexiko gesehen im Fall der „Deepwater Horizon“, dass kurzzeitig Organismen absterben, dass es zu Fehlbildungen kommt von tierischem Plankton und von Fischen, aber es ist im Prinzip doch ein sporadischer Unfall und keine kontinuierliche Belastung des Meeres.

Das Öl, das jetzt ausgetreten ist, ist sehr unterschiedlich von dem, was man sonst von Tankerunglücken kennt. Normalerweise ist das eben Schweröl, das bildet einen wirklich dicken Teppich am Meer. In diesem Fall handelt es sich um ein sehr flüchtiges Kondensatöl und der Großteil ist wahrscheinlich schon verbrannt, bis das Schiff versunken ist. Oder es ist an der Oberfläche verdampft und verdünnt sich in der Atmosphäre. Dort ist es ja auch relativ warm, das Wasser ist relativ warm, die Sonneneinstrahlung ist relativ hoch.

Ein Teil ist wahrscheinlich noch in den Tanks, das weiß man nicht, wie viel davon noch übrig ist. Was nun wirklich an Schadstoffen in das Wasser gelangt, hängt davon ab, wie viel aus dem gesunkenen Tanker noch austritt. Ein großer Teil dieser flüchtigen Substanzen wird sich ins Wasser lösen, auch das ist der große Unterschied zum Schweröl, bei dem das viel weniger passiert. Das kann durchaus einige Auswirkungen haben auf die Fauna dort im Ostchinesischen Meer. Zudem wird das Schiff noch betrieben mit dem normalen Diesel, der sehr, sehr viel schmutziger ist als das, was da ausgetreten ist.

Brennender Tanker

APA/AFP/Transport Ministry of China

Der iranische Öltanker „Sanchi“ stand tagelang in Flammen, bevor er sank.

Besteht auch eine Gefahr für die Menschen, dass sie diese Substanzen über die Nahrungskette aufnehmen?

Ja, wenn dort gefischt wird, wird es sicher notwendig sein, diese Fische auf diese toxischen Substanzen hin zu untersuchen. Die Unglücksstelle ist aber nicht sehr weit weg vom sogenannten Kuroshio-Strom, der da vorbeizieht in den Pazifik hinein. Dieses ultraleichte Öl und diese Substanzen werden dann in diesem Strom sehr rasch ausverdünnt werden. Der Einfluss dieses Unglücks auf die Umwelt ist wahrscheinlich relativ begrenzt.

Aber generell muss man sich Gedanken machen, wie man langfristig eine dauerhafte Ökonomie zusammenbringt abseits von Öl, weil Öl haben wir nicht unendlich lange zur Verfügung. Da muss es ein generelles Umdenken geben. Da gibt es gegenwärtig alle möglichen Initiativen, von der Ölförderung und dann auch dem Öltransport wegzukommen.

Es ist nicht unbedingt Ihr Metier, aber: Kann man bei solchen Ölkatastrophen, die Sie beobachtet haben, sagen, wer da die Verantwortung übernehmen muss? Sind das die jeweiligen Anrainerstaaten oder das Land, unter dessen Flagge das Schiff gefahren ist, oder die Betreiber, wer ist das?

Bei diesem Unglück wird eine Säuberungsaktion wahrscheinlich nicht notwendig sein, weil wahrscheinlich keine Küstenabschnitte von Öl überzogen werden. Aber normalerweise ist das so, dass die Aufräumarbeit zuerst einmal von den jeweiligen betroffenen Ländern getätigt wird und es dann Schadenersatzforderungen an die Schiffsbetreiber gibt.

Das ist ohnehin sehr erstaunlich, dass es mit den modernen Navigationsmitteln, die die Schifffahrt zur Verfügung hat, zu solchen Kollisionen überhaupt kommen kann. Da muss ein massives Fehlverhalten von den beiden Kapitänen und Steuermännern vorliegen, sonst ist das eigentlich nicht möglich, mit Radar, mit den automatischen Navigationssystemen, die man hat. Das Ostchinesische Meer ist ein sehr viel befahrenes Meer, das fast zu vergleichen ist mit dem Ärmelkanal, das auch ein sehr dicht befahrenes Meer ist, oder mit Gibraltar. Trotzdem ist es unerklärlich, wie das sein kann, dass im doch offenen Meer zwei Schiffe von dieser Größe kollidieren.

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