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Run Child Run Albumcover

David Terranova

Adrenalin & Endorphin für die Ohren

Run Child Run aus Brooklyn hat sein Debütalbum „Vanishing Point“ veröffentlicht.

Von Natalie Brunner

Er war - wie er selbst sagt - ein Purist. Schlagzeuger, an Rhythmus interessiert, an den Knochen, dem Gerüst und nicht am Fleisch, das den Körper bildet.

Das hat sich geändert. In den letzten fünf Jahren hat er ein ausgeklügeltes Downtempo Meisterwerk fertiggestellt, bei dem er jeden einzelnen Klang selbst erzeugt hat.

Mit seiner Stimme, Instrumenten und elektronisch. Ein hypnotisches Meisterwerk, fragil und firm zugleich.

Ein Merkmal des Großartigen: Gegensätze überwinden und Prinzipien über Bord werfen, beides hat Ian Sims aka Run Child Run für „Vanishing Point“ getan.

Für mich ist es eine Erinnerung an die Kindheit: Du beginnst aus reiner Freude loszurennen, dein Körper wiegt nichts, du rennst und rennst und glaubst du bist der glücklichste Mensch der Welt. Es ist die reine Freude am Dasein. Adrenalin und Endorphin kicken rein wie nur was. Run Child Run!

Oder ist der Projektname, den Ian Sims gewählt hat, ein Indiz für eine Flucht, für einen Rückzug in den Elfenbeinturm, den der Multiinstrumentalist in fünf Jahren mit seinen selbst eingespielten Sounds gebaut hat?
„Beides“, meint er im Interview:“ In meiner Musik gibt es Schwere und Melancholie genauso wie Freude und Schwerelosigkeit. All das tanzt miteinander.“

„Vanishing Point“ ist mit seinen sechs Nummern ein überraschend kurzes Album. Dafür geht es in die Tiefe. Mensch wird sich an diesem Album nicht satt hören.

Wenn du einfach los läufst, ohne Ziel, ohne Grund, dann ist der Akt des Laufens das was dich befreit.

Marathon Läuferinnen erzählen davon und der japanische Schriftsteller Haruki Murakami hat ein Buch darüber geschrieben („Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“).
Auch in diesem Punkt ist der Name, den sich Ian Sims für seine Musik ausgesucht hat, stimmig. Es geht ihm um den Prozess des Machens auf seiner Seite und den des Hörens auf unserer Seite. Das Loslassenkönnen und das Versinken im Klang ist das was zählt.

Womit wir schon fast an der Sphäre kratzen, in die uns David Lynch hieven will, mit seinen Schwärmereien über transzendentale Meditation. Bodenhaftung verlieren und dennoch zu hundert Prozent im Jetzt sein. Ist das nicht das auch was sich einstellt in durchtanzten Nächten und Tagen?
Run Child Run mag Portishead genauso wie die große Jazzmusikerin Alice Coltrane. Er ist an der Essenz interessiert, an hypnotischer Trance und nicht an eindeutig zuordenbaren musikalischen Referenzen.

„Etwas nicht zu benennen eröffnet dir Chancen und befreit dich, und auf diese Art kann Neues entstehen.“

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