Auf Facebook kommt in Europa eine Lawine an Verfahren zu
Von Erich Möchel
Update 14 Februar 2018
Die Zeiten, in denen die Chefs von Facebook oder Google wie Stars abgefeiert wurden, sind vorbei. Auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos blies den Internetkonzernen ein rauer Wind entgegen. Die britische Premierministerin Theresa May hielt eine Brandrede gegen die Betreiber Sozialer Netzwerke und warb um Unterstützung für deren Regulation.
Titel Collage CC BY-SA 3.0 by Zacharie Grossen via Wikicommons und APA/AFP/LOIC VENANCE, Bearbeitung Radio FM4
Davor hatte Hedgefonds-Manager und Philantrop George Soros eine wahre Fastenpredigt gegen die Manipulation der Benutzer durch Soziale Netzwerke abgeliefert und ihren Untergang durch selbstverschuldete Regulation vorausgesagt. Dazu hat Facebook ein neues Verfahren von Max Schrems am Hals; die öffentliche Konsultation der EU-Kommisson zu „Onlinedesinformation“ läuft noch bis März. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Lawine an Verfahren, die auf Facebook zukommt.
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Sonderkommando „Fake News“
Ein EU-Richtlinienentwurf zur „Sicherung elektronischer Beweismittel in der Cloud“ („E-Evidence“), also zur Überwachung von Facebook und anderen Sozialen Netzwerken, steht unmittelbar vor dem Start.
In Großbritannien wird von der konservativen Regierung im Rahmen des Nationalen Sicherheitsrates eine eigene Einheit eingerichtet, die „Fake News und Desinformation“ bekämpfen soll. Diese Kommunikationseinheit soll die nationale Sicherheit gegen staatliche Desinformanten und andere Akteure verteidigen. Das Vorhaben wurde im Rahmen der Diskussionen über das Verteidigungsbudget am Dienstag in London bekanntgegeben. Es dürfte sich also tatsächlich um eine militärische Einheit handeln, die da in Zukunft rein zivilen Kommunikationsverkehr regeln soll.
May selbst benutzte Davos, um ihren Feldzug gegen Soziale Netzwerke fortzusetzen, den sie quasi fliegend von ihrem Vorgänger David Cameron übernommen hatte. In Davos ging es May darum, die dort versammelten Großinvestoren zum Abzug ihrer Beteiligungen aus dem Technologiesektor zu bringen. In der Runde der Industriebosse, die von US-Präsident Donald Trump zum Dinner eingeladen wurden, waren mit Siemens und SAP nur deutsche Technologiefirmen der alten Schule, aber kein US-Internetkonzern präsent.
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Max Schrems erreicht Etappenziel
Den Auftakt für diese Richtlinie oder auch Verordnung hatte Europol unter dem reißerischen Titel „Going Dark“ - „Wir werden blind“ - bereits im Jänner gesetzt.
Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH), der vom Obersten Gerichtshof (OGH) zur Klärung des Sachverhalts angerufen wurde, kann Schrems als Einzelperson Facebook vor einem österreichischen Gericht verklagen. Schrems muss also dafür nicht wieder über Irland gehen, wo Facebook sein Hauptquartier in Europa hat. Die Möglichkeit einer Sammelklage bleibt Schrems verwehrt, allerdings nur derzeit. Die neue Initiative des österreichischen Aktivisten Noyb.eu („None Of Your Business“) hat diese Woche bereits ihre erstes Crowdfunding-Ziel von 250.000 Euro erreicht.
Die Initiative richtet sich explizit gegen die Politik der totalen Datensammlung bei völlig intransparenter Nutzung der erhobenen Benutzerprofile durch den Facebook-Konzern. Noyb.eu wird daher pünktlich zum Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung Mitte Mai operativ starten können. Es ist also fix damit zu rechnen, dass sich Schrems nicht auf dieses eine Verfahren in Österreich beschränkt.
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Eva Glawischnig und die Webfilter
Die Europol-Forderungen zur Überwachung Sozialer Netzwerke wurde im März dieses Jahres dann zur offiziellen Position des EU-Ministerrats. WhatsApp, Facebook und Co. sollen Telekoms in punkto Überwachung gleichgestellt werden.
Zudem ist beim EuGH noch ein weiteres Verfahren anhängig, das ebenfalls auf eine Feststellungsklage des OGH zurückgeht und für Facebook mindestens ebenso gefährlich werden könnte. Geklagt hatte die ehemalige Spitzenfrau der Grünen, Eva Glawischnig, und sie hat den Prozess wegen übler nazistischer Beschimpfungen auf Facebook letztlich auch gewonnen. Der Betreffende wurde verurteilt, das Posting gelöscht, allerdings regional begrenzt, also für Benutzer rund um Österreich.
Die Anwälte Glawischnigs verlangen aber die weltweite Löschung sowie Maßnahmen gegen jede Wiederveröffentlichung der inkriminierten Passagen. Um das zu klären, war der EuGH angerufen worden. Sollte das oberste EU-Gericht der Forderung stattgeben, hätte das schwere Konsequenzen für den Facebook-Konzern. Aber nicht nur die Betreiber des Sozialen Netzwerks wären von einem solchen EuGH-Urteil betroffen, sondern es hätte auch gravierende Auswirkungen auf die Kommunikationsfreiheit der User. Das mahnt die europäische Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) an. Facebook müsste dann nämlich Upload-Filter installieren und scharfstellen, die jedes einzelne Benutzerposting vorab kontrollieren.
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Facebook hat ein Strukturproblem
Genau das versuchen vor allem Konservative, aber auch rechte europäische Sozialdemokraten seit Jahren durchzusetzen. Im Wesentlichen wettern jetzt dieselben Politiker am lautesten gegen Facebook, die den Beschluss der EU-Datenschutz-Grundverordnung jahrelang verzögert hatten. Die darin vorgesehenen Strafgelder für Verstöße - das Höchstmaß beläuft sich auf vier Prozent des Gesamtumsatzes - sei wirtschaftsfeindlich, war ihr Leitspruch. Seitdem die Internetkonzerne allerdings wegen Datenschutzverstößen und der Verbreitung von Falschnachrichten unter Druck geraten sind, singt derselbe Chor jetzt eine völlig andere Melodie.
Facebook übt sich derweil in Demut und praktiziert öffentliche Selbstkritik. Am Montag wurde eine ganze Serie von Postings im offiziellen Facebook-Blog veröffentlicht, in denen Fehler eingestanden werden. Sandberg kündigte die Schaffung eines „European Privacy Centers“ und die Einstellung von 10.000 neuen Mitarbeitern an, die gegen „Fake News“ vorgehen sollen. Wie das ausgehen wird, ist völlig ungewiss, denn das Geschäftsmodell von Facebook wie auch das Softwareframework samt den eingesetzten Algorithmen wurden für die Erfassung möglichst vieler personenbezogener Daten und die Verbreitung möglichst vieler Nachrichten erstellt. Der gesamte Internetkonzern ist genau gegenläufig zu Datenschutz und dem Kampf gegen Falschnachrichten aufgestellt.
Weiterführende Links
- Die Fastenpredigt des George Soros über die Zukunft der etablierten Sozialen Netzwerke
- Die Warnungen der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) vor möglichen Konsequenzen des EuGH-Urteils im Fall Glawischnig
Publiziert am 28.01.2018