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Leyya

Ella Kronberger

Artist of the Week

From Disco to Sauna

Leyya lassen auf ihrem zweiten Album „Sauna“ die Sonne rein. Sie sind der FM4 Artist of the Week.

Von Daniela Derntl

Der Regenbogen ist ein atmosphärisches Phänomen, das entsteht, wenn die Sonne auf eine Regenwand fällt, und das ist auch beim oberösterreichischen Electro-Pop-Duo Leyya der Fall. Die Zeiten der trübsinnigen Trip-Hop-Melancholie sind weitgehend vorbei. Die Wolken lichten sich, die Sonne scheint.

Plattencover von Leyyas "Sauna"

LasVegasRecords

Hell, bunt und kontrastreich wie der Regenbogen, der vom Cover leuchtet, klingt das neue Leyya-Album. Unter der perfekten, stets organisch klingenden Oberfläche lauert experimenteller Tiefgang, ein unaufdringliches, aber komplexes Spektrum vertrackter Rhythmen, verspielter Melodien und innerer Reflexion. Durch die Wechselwirkung verschiedener Genres, Samples und Sounds sollen Erwartungshaltungen brechen wie Licht, denn Leyya wollten keine zweite „Spanish Disco“ wie im Jahr 2016 veranstalten.

From Disco to Sauna

Deshalb haben sich Sophie Lindinger und Marco Kleebauer in langwieriger Kleinarbeit eine „Sauna“ gezimmert, obwohl die beiden selbst noch nie in einer geschwitzt haben. Aber dafür in einer anderen Holzhütte, wie sie im Interview erzählt haben:

„Wir waren beide tatsächlich noch nie in einer Sauna. Wir haben Sauna als Bild im Kopf nett gefunden, weil die Sauna ja so ein Ort ist, wo Menschen zusammen kommen. Alle sind nackt, keiner kann sich durch Kleidungsstücke oder irgendwelche materialistischen Dinge darstellen und jeder ist irgendwo gleich. Und das war ein Gedanke, der uns gefallen hat und der sich auch wie ein Konzept durch das Album zieht, was unsere Sounds und Einflüsse betrifft. Das Lustige ist, dass der Anstoß an den Titel „Sauna“ eigentlich von unserer Agentur gekommen ist, weil wir vor zwei Jahren mal in einer alten Holzhütte in Oberösterreich aufgenommen haben. Es war Hochsommer und sehr, sehr heiß. Wir haben ein Foto auf Instagram gepostet und unsere Agentur hat dann „Sauna“ als Albumtitel vorgeschlagen. Das war der erste Denkanstoß und mit der Produktion und Weiterentwicklung des Albums hat sich der Name dann verfestigt."

Instagram-Posting von Leyya

Instagram-Screenshot

Marco Kleebauer ergänzt: „Wir haben auch viel gesampelt, quer durch das Internet sozusagen. Unter anderem auch aus – unter Anführungszeichen – anderen Kulturen. Wir haben sehr viel darüber nachgedacht, ob das moralisch vertretbar ist, Dinge aus dem Kontext zu nehmen und aus dem Schnipsel etwas Eigenes zu machen. Wir sind auf eine einfache Antwort gekommen, nämlich dass jeder Sound für uns gleich ist. Das klingt zwar banal und naiv, aber ob ich jetzt an die Türklinke schlage und das aufnehme und einen Song daraus mache, oder ob ich jetzt eine Sitar sample, ist für uns dasselbe. Es ist einfach ein Sound, der zur Verfügung steht. Und das hat dann auch mit der Sauna-Metapher zusammen gepasst, weil dort die Menschen zusammen kommen und gleich sind.“

Keine Saunaregeln

Schweißtreibend war die Arbeit am Album nicht nur in der Holzhütte, auch zahlreiche Schreibblockaden mussten mühevoll aus dem Weg geräumt werden. Aber wie? Am besten mit Blödeleien. Die Sache nur nicht zu Ernst nehmen. Abstand gewinnen, mit Humor. „Bloß keine Saunaregeln“, meint Sophie Lindinger und Marco Kleebauer erzählt:

„Wie wir das erste Album gemacht haben, war so eine gewisse Naivität im Raum. Ein fast kindischer Approach. Da ist es uns am leichtesten gefallen, unsere Emotionen in etwas zu konvertieren, was für die Zuhörer greifbar war. Im Zuge des vielen Spielens und des vielen Nachdenkens darüber, was wir machen können, ist es uns irgendwie abhanden gekommen, so naiv Musik zu machen.

Drums for the Win

Lisa Schneider war mit Leyya im Proberaum für das Liveset zu „Sauna“.

Es schwingt jetzt halt immer mehr mit. Man denkt an andere Faktoren. Nicht nur, wie mach ich den Song cool, sondern wie setze ich den live um? Ist der für etwas brauchbar, mit dem ich meinen Lebensunterhalt finanzieren kann? Das sind jetzt schon so reelle Probleme, die jetzt mitschwingen. Und deshalb haben wir verschiedenste Sachen probiert, wie wir wieder naiv Musik machen können.“

Freispielen

Deshalb haben die beiden beispielsweise auch Hip-Hop-Instrumentals gebastelt. Sie haben zum Spaß der Vocal-Spur eines Rappers neue instrumental-Spuren verpasst. Einfach so – und auch, weil sie ihre Street-Credibility erhöhen wollten, wie Marco Kleebauer augenzwinkernd betont. Aus einem der drei Instrumentals ist dann das sacht groovende „Never Never“ entstanden, das mit einem cineastischen Twist eine ganz andere Seite der beiden zeigt.

Der experimentierfreudige Zugang ist auch für die Reggae-Beats in „Oh Wow“ verantwortlich, und ihre persönliche Reifeprüfung haben die beiden bei „Drumsolo“ abgelegt, dass gerade wegen der Schwierigkeit des Unterfangens nun Kleebauers liebste Komposition darstellt.

Ausgangsbasis war auch hier eine unorthodoxe Idee, nämlich die Produktion des Songs mit einem Drumsolo zu beginnen. Daraus haben sie ein kniffliges Rhythmusgerüst abgeleitet und mit Gitarre, Bass, Keyboards und Lindingers sanfter Stimme, zu einer funkigen Doppelhelix verstrebt, die sich trotz eines musiktheoretischen Fehlers direkt in die Gehörgänge windet.

Selbstfindung

Der Ansatz, bereits betretene Wege zu verlassen um Neuland zu erschließen, zieht sich durch das gesamte Album, das trotz verschiedener Zugänge sehr homogen klingt. Verantwortlich dafür ist natürlich Sophie Lindingers nobel zurückhaltender, aber dennoch präsenter Gesangsstil. Auch textlich merkt man die Erfahrung, die sie sich in den letzten Jahren erspielt und ersungen hat. Lindinger ist nun selbstbewusster und lässt sich weniger einreden. Einige Songs handeln auch von dieser Selbstfindung und Veränderung, wie zum Beispiel „Heat“ („And even though I know I am small, I’m not too short to reach it all“) oder „Zoo“, bei dem sich der namensgebende Zoo vor allem durch die abwechslungsreiche und zum Teil exotische Instrumentenwahl (Sitar, Bläser, Percussions,…) und meditativ blubbernde Elektronik bemerkbar macht.

I’m trying to fit in
but it won’t change a thing
oh, don’t believe what they say about me
oh don’t believe word
don’t give a sh*t that they talk about me

Die Texte sind das Einzige, das Sophie Lindinger alleine macht, während sich Marco Kleebauer alleine um das finale Mixing der Songs kümmert. Der Rest entsteht gemeinsam im Studio, wie Sophie erzählt: „Musik und Text entsteht gleichzeitig während der Produktion. Ich schreibe die Texte auf diese Melodien, denn für mich muss das Gefühl eines Songs einen Text auslösen. Bei der Musik reden wir beide gleich viel mit. Da gibt es, Gott sei Dank - und interessanter Weise - gar nicht so viele Diskussionen. Wir haben beide eine Wellenlänge gefunden, die funktioniert und wir haben beide einen sehr ähnlichen Musikgeschmack.“

Diese Harmonie und positive Grundstimmung schwingt auf dem gesamten, sehr poppigen Album mit, einzig bei „In Your Head“ ziehen kurzfristig wieder düstere Gewitterwolken auf. Im Text bietet Lindinger einer anderen Person Trost und einen Platz an ihrer Seite an. Ein Aufruf, dem viele folgen werden!

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