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Panzer des Österreichischen Bundesheeres

APA/GEORG HOCHMUTH

Die Folgen des PESCO-Beitritts sind weitreichend

Aufrüstung, Kampfeinsätze und Erhöhung des Militärbudgets. Das neue EU-Militärbündnis PESCO bedeutet weitreichende Verpflichtungen für seine Mitgliedstaaten. Auch Österreich ist beigetreten.

Von Michael Bonvalot

Mitte Dezember 2017 wurde das neue EU-Militärbündnis PESCO, englisch für Permanent Structured Cooperation (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit), aus der Taufe gehoben. Für die Mitgliedstaaten bedeutet der Beitritt umfangreiche Verpflichtungen. Unter anderem festgelegt sind in der Gründungsakte die laufende Anhebung des Militärbudgets, die Verpflichtung zur Aufrüstung, die Teilnahme an Rüstungsprojekten sowie die Beteiligung an künftigen Auslandsoperationen.

Militärbudget verdreifacht

Österreich ist dem neuen Militärbündnis der EU-Staaten sofort bei der Gründung beigetreten, vorbereitet hatte das noch die rot-schwarze Koalitionsregierung. Auf Österreich kommen nun umfangreiche Veränderungen zu. Denn explizit wird in den PESCO-Gründungsdokumenten immer wieder die neue Verbindlichkeit erwähnt. „Der Unterschied zwischen PESCO und anderen Formen der Kooperation ist die bindende Natur der Vereinbarungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten“, heißt es etwa im Factsheet zu PESCO.

Europas unbekanntes Militärbündnis

Mehr über Vorgeschichte, Verpflichtungen und die künftige globale Rolle von PESCO könnt ihr hier lesen

Das österreichische Militärbudget etwa könnte fast verdreifacht werden. PESCO enthält die Verpflichtung zur laufenden Aufrüstung, konkrete Zahlen gibt es offiziell keine. Doch in Brüsseler Kreisen wird als Ziel immer wieder ein Militärbudget von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts genannt. Das würde auch der Vorgabe der NATO entsprechen. Zum Vergleich: Aktuell hat Österreich ein Militärbudget von rund 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Bereits das sind laut Kurier im Jahr 2018 voraussichtlich über 2,3 Milliarden Euro. Eine Zwei-Prozent-Vorgabe würde gegenüber diesen Aufwendungen nochmals mehr als dreimal so hohe Kosten für das Bundesheer bedeuten. Solche Summen würden naturgemäß bei anderen Budgetposten fehlen, etwa im Bereich Soziales.

Panzer Pandur

APA/HERBERT NEUBAUER

Neuanschaffung des Bundesheeres 2017

Schlachtgruppen der EU

Österreichische SoldatInnen sollen künftig auch an Kriegseinsätzen der EU beteiligen werden. Auch das ist in den Gründungsdokumenten von PESCO festgeschrieben.

Die Aufstellung einer schnellen Eingreiftruppe hatte die EU bereits 1999 mit ihren sogenannten Headline Goals beschlossen. 50.000-60.000 SoldatInnen sollten innerhalb von 60 Tagen für ein Jahr mobilisiert werden können, hieß es damals. In dieser Form kam das nie zu Stande, doch als Folgeprojekt wurden die sogenannten EU-Battlegroups (Schlachtgruppen) entwickelt.

Schnelle Eingreiftruppe

Diese Schlachtgruppen bestehen aus rund 1.500 bis 3.000 SoldatInnen, die innerhalb von fünf Tagen für bis zu 120 Tage bei Kampfhandlungen eingesetzt werden können. Zwei solcher Schlachtgruppen sollen permanent in Bereitschaft stehen. Das Konzept wurde weitgehend umgesetzt, Österreich beteiligt sich bereits seit 2010 an diesen EU-Truppen. Im Rahmen von PESCO wird die Teilnahme an Auslandsoperationen nun aber ausgeweitet und sogar verpflichtend.

Das mögliche Einsatzgebiet der EU-Einsatztruppe erstreckt sich laut Vorgaben auf einen Radius von 6.000 Kilometer rund um Brüssel. Der Einsatzradius umfasst damit weite Teile von Nord- und Zentralafrika, die arabische Halbinsel sowie den Nahen und Mittleren Osten bis nach Afghanistan. Die Schlachtgruppen sollen es der EU ermöglichen, „unabhängig und schnell“ zu reagieren und die „strategische Autonomie“ der EU stärken, wie es in einem EU-Strategiepapier heißt.

Panzerverbände aus Österreich

Seit Anfang Jänner dieses Jahres sind erstmals auch Panzerverbände aus Österreich für sechs Monate Teil einer EU-Schlachtgruppe. „Wir sind bereit“, erklärt Oberst Alfred Steingreß, Kommandant des Panzergrenadierbataillons 13 aus Ried, gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten. Die SoldatInnen seien „combat ready“, also kampfbereit für internationale Einsätze.

Zuvor wurde ab Oktober 2017 im Norden Deutschlands nochmals geübt. Das österreichische Kontingent umfasste dabei 381 SoldatInnen, 110 Fahrzeuge, darunter 22 Panzer sowie drei Hubschrauber. Beteiligt waren hauptsächlich Panzerverbände aus Oberösterreich sowie aus dem Wiener Becken. „Wir können locker mithalten“, berichtete Oberst Steingreß danach stolz. Nun sind die österreichischen Truppen unter dem Kommando der Niederlande für ein halbes Jahr in permanenter Bereitschaft.

Verteidigungsminister Mario Kunasek und Außenministerin Karin Kneissl am Freitag, 12. Jänner 2018, anl. der Verabschiedung des Mali-Kontingents des österreichischen Bundesheers in Wien.

APA/HBF/PUSCH

Verteidigungsminister Mario Kunasek und Außenministerin Karin Kneissl verabschieden am Freitag, 12. Jänner 2018 das Mali-Kontingent des Bundesheers.

Einsatz in Zentralafrika

Zum Einsatz kommen könnten diese SoldatInnen im ersten Halbjahr 2018 etwa in Zentral- und Westafrika. Kleinere österreichische Kontingente sind bereits heute in Zentralafrika und auch in Afghanistan stationiert. Mit dem erstmaligen Einsatz einer österreichischen Panzerkompanie für die EU-Schlachtgruppen könnte sich das Ausmaß aber drastisch erhöhen. Laut Oberösterreichischen Nachrichten wurden die Schützenpanzer für den Einsatz sogar extra mit Klimaanlagen nachgerüstet – der Ernstfall wird also vorbereitet.

Bereits jetzt stehen Tausende EU-SoldatInnen vor allem in Mali und dem Senegal im Kampfeinsatz, die Führung dabei hat Frankreich. Der offizielle Auftrag ist der Kampf gegen islamischen Fundamentalismus. Doch gleichzeitig hat die ehemalige Kolonialmacht Frankreich bis heute enorme wirtschaftliche Interessen im sogenannten frankophonen Afrika.

Laut Zeit sind gegenwärtig allein im Rahmen der „Einsatztruppe Barkhane“ 4.000 französische SoldatInnen in Westafrika stationiert. Dazu kommen vermutlich weitere französische Verbände, sowie SoldatInnen aus anderen EU-Staaten, darunter allein über 1.100 aus Deutschland.

Musterschüler Österreich

Für das Bundesheer sind Auslandseinsätze keineswegs neu. Insbesondere am Westbalkan, also im Kosovo und in Bosnien, übernehmen österreichische Truppen bereits seit Jahren eine zentrale Rolle. Gegenwärtig sind dort laut Bundesheer rund 640 SoldatInnen stationiert.

Österreichische Truppen übernehmen dabei eine wesentliche Aufgabe im militärischen Gefüge von EU und NATO. Denn durch die Stationierung österreichischer Truppen am Westbalkan werden die Truppen anderer EU- und NATO-Staaten freigespielt und können verstärkt zu Kampfeinsätzen abkommandiert werden. Das betrifft vor allem Zentralafrika und Afghanistan, wo sich unter anderem die deutsche Bundeswehr stark engagiert.

Österreich gilt bei Auslandseinsätzen sogar als Musterschüler innerhalb der EU. So sind gegenwärtig insgesamt rund 850 österreichische Soldaten im Auslandseinsatz. Die deutsche Bundeswehr stellt laut ihrer Darstellung aktuell rund 3.900 Soldaten. Bei einer zehn Mal größeren Bevölkerung stellt Deutschland also gerade einmal knapp fünfmal so viele SoldatInnen für Auslandseinsätze wie Österreich.

Mehrwert Afrika-Missionen

Ob die österreichischen Panzertruppen im ersten Halbjahr 2018 tatsächlich bei Kampfeinsätzen in Afrika zum Einsatz kommen, ist heute noch unbekannt. Für die Zukunft aber ist mit solchen Einsätzen zu rechnen. Schließlich bedeutet PESCO eben auch die Verpflichtung zur Teilnahme an den Schlachtgruppen der EU.

Bei einer Pressekonferenz in Brüssel im Juni 2017 erklärte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sogar explizit, dass PESCO „ein echter Mehrwert“ sei, weil er die EU „in die Lage versetzt, Missionen durchzuführen zum Beispiel in Afrika.“ Die EU-kritische Solidarwerkstatt, die das recherchiert hat, kritisiert, dass dadurch künftig „junge Menschen aufs Töten und Getötet-Werden“ vorbereitet werden.

Einsatz im Inneren

Gleichzeitig verschwimmen in den Bedrohungsszenarien der EU immer öfter die Grenzen zwischen inneren und äußeren Einsätzen. Die deutsche Zeitschrift CILIPbeschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Fragen der Sicherheitspolitik. CILIP-Redakteur Matthias Monroy erzählt gegenüber FM4: „Das betrifft vor allem den Cyber-Bereich, wo mittlerweile das Militär ganz selbstverständlich im Inneren eingesetzt wird. Angeblich geht es da um die Abwehr von Bedrohungen, aber wer sich im Netz verteidigen kann, kann auch angreifen.“

Das Sterben im Mittelmeer geht weiter

Noch immer versuchen Menschen aus der Türkei mit Booten nach Griechenland zu gelangen.

Monroy erwähnt auch die EU-Mission zur Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer. „Diese Einsätze werden auch dazu benutzt, neue Techniken auszuprobieren." Eine Übungsannahme sei kürzlich sogar gewesen, dass EU-Truppen im Mittelmeer von FlüchtlingshelferInnen per Cyberattacke angegriffen würden“, berichtet der Sicherheitsexperte gegenüber FM4.

Übung für Demo-Einsätze

Auch das Bundesheer wird bereits seit Längerem im Inneren eingesetzt. An den Grenzen sind SoldatInnen bereits seit 1990 stationiert, seit 2016 bewachen Militärs auch Botschaften in Wien. Immer wieder gibt es auch Übungen zum Einsatz des Bundesheers gegen Demonstrationen.

Bundesheer Übung vor dem ORF-Funkhaus

APA/ROBERT JAEGER

Das Bundesheer bei einer Übung vor dem ORF-Funkhaus im November 2017

Eine solche Übung fand etwa im November 2017 mitten in Wien statt. Dabei wurde der Einsatz von Soldaten gegen Demos und bei Betriebsbesetzungen geübt. Als möglichen Grund für ein solches Einschreiten im Inneren nennt Brigadier Harald Pöcher in der Zeitschrift Der Offizier, dem Zentralorgan der Offiziersgesellschaft, für die Zukunft unter anderem „gegen Österreich gerichtete Großdemonstrationen“. Titel des Artikels: „Rüsten wir jetzt!“ Es passt gut zur PESCO-Verpflichtung zur regelmäßigen Aufrüstung.

Alle Parlamentsparteien an Bord

Sowohl die Regierungsparteien wie der Großteil der Opposition sind bei PESCO mit an Bord. Die Mitwirkung am EU-Militärbündnis wurde sogar im Regierungsprogramm von Schwarz und Blau explizit verankert. Das bedeutet natürlich auch die Zustimmung zur Aufrüstung. Bereits während der Regierungsverhandlungen forderte FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch substantiell mehr Geld für das Militär.

Auch von der Sozialdemokratie gibt es Zustimmung für PESCO . Das ist kaum verwunderlich, wurden doch die langjährigen Vorarbeiten zum Beitritt von der SPÖ-ÖVP-Koalition durchgeführt. Aufrüstungsbestrebungen sind bei der SPÖ ebenfalls zu finden, immerhin hatte der ehemalige SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil in seiner Amtszeit sogar ein Sonderbudget von 1,3 Milliarden Euro für das Bundesheer präsentiert.

Beifall für PESCO kommt auch von den NEOS. Die Liste Pilz findet PESCO ebenfalls positiv. „Wir begrüßen den Beitritt und die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“, sagt Alma Zadić, Europa- und Außenpolitik-Sprecherin der Liste, gegenüber FM4. Schriftliche Positionierung gibt es keine. Einzig von den Grünen sowie aus der internationalen Linken kommt Kritik.

„Politische Waschmaschine“

PESCO bedeutet für Österreich mit der Verpflichtung zu Kampfeinsatz-Beteiligung und Aufrüstung eine komplette Neuausrichtung der Militärpolitik. Dass so etwas im nationalen Rahmen ohne größeren Widerstand durchzusetzen gewesen wäre, ist schwer vorstellbar. Doch nun kann der Verweis auf die Verpflichtung im Rahmen internationaler Abkommen erfolgen – dass Österreich freiwillig beigetreten ist, könnte dabei oft unter den Tisch fallen.

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Gegenüber FM4 kritisiert CILIP-Redakteur Matthias Monroy, dass PESCO dazu verwendet würde, um „durch internationale Verträge Fakten für den nationalen Rahmen“ zu schaffen. „Das ist eine politische Waschmaschine“, so der Sicherheitsexperte. „Dinge die auf nationaler Ebene schwer durchsetzbar sind, etwa Aufrüstungsprojekte, werden dann eben über die EU gespielt.“

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