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Erich Möchel

Österreichs EU-Ratspräsidentschaft: Facebook-Überwachung hat Priorität

Neben der Überwachung Sozialer Netze muss die EU-Ratspräsidentschaft die verfahrene Coypright-Novelle und die ebenso umstrittene E-Privacy-Verordnung vorantreiben. Womöglich kommt auch noch eine völlig neue „Fake News“-Regulation dazu.

Von Erich Möchel

Auf die österreichische EU-Ratspräsidentschaft kommen ab Juli gleich zwei Gesetzesvorhaben zur Regulation Sozialer Netzwerke zu. Der Kommissionsentwurf einer neuen Richtlinie zur „elektronischen Beweissicherung“ („E-Evidence“) wird für die nächsten Tage erwartet. Facebook und Co sollen nach dem Muster der Telekoms zum Einbau von Schnittstellen für polizeiliche Überwachung verpflichtet werden.

Die umstrittene Copyright-Richtlinie, die darauf abzielt, dass große Soziale Netzwerke Upload-Filter gegen Copyright-Verstöße einrichten müssen, wird während der Präsidentschaft Österreichs in ihre heiße Phase treten. Die neue österreichische Bundesregierung hat hier bereits ihre Zustimmung signalisiert und die Facebook-Überwachung zur Priorität der Ratspräsidentschaft erklärt.

Tabelle

Julia Reda

Diese Übersicht stammt von MEP Julia Reda (Piraten/Grüne), die bereits mehrere parlamentarische Berichte und Entwürfe zu diesem Thema verantwortet hat. Mit „Extra News Copyright“ ist der neu erfundene Leistungsschutz gemeint, „Censorship Machines“ bezeichnet Upload-Filter.

Deutsches „Leistungsschutzgesetz“ als Blaupause

Die österreichische Delegation beim EU-Ministerrat zur Überwachung Sozialer Netzwerke im Dezember

Nachdem ein versuchter „Kompromiss“ der estnischen Ratspräsidentschaft, die im Dezember zu Ende ging, keine Mehrheit im Ministerrat gefunden hatte, wurde die Richtlinie im Jänner an den neuen bulgarischen Ratsvorsitz weitergegeben. Dessen neuer „Kompromiss“ kam vor allem Beobachtern aus Deutschland seltsam vertraut vor. Dafür war einfach nur das bestehende, deutsche Leistungsschutzrecht mit leichten Modifikationen abgeschrieben worden. Dieses Gesetz wurde auf Betreiben der deutschen Printverleger durch eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes im August 2013 in Deutschland eingeführt.

Außer den Verlegern - angeführt von Burda, Springer und der FAZ - gab es keine weiteren Unterstützer. Auch der deutsche Journalistenverband lehnte die Gesetzesänderung ab, nachdem die Verlage eine Beteiligung der Autoren - also der Urheber der Texte und Überschriften - an den so lukrierten Geldern rundweg abgelehnt hatten. Um Google unter Druck zu setzen, starteten Springer & Co daraufhin eine ebenso hanebüchene wie faktenwidrige Kampagne über ihre Medienimperien.

Gratislizenz für Google, die anderen zahlen (nicht)

In Folge nahm Google die Angebote der betreffenden Verleger zwar nicht aus seinem Suchindex, zeigte sie aber in seinem Nachrichtenfeed „Google News“ nicht mehr an. Die Folge war, dass die Zugriffe für die betreffenden Websites um ein Drittel und mehr fielen. Noch bevor das Gesetz in Kraft trat, gaben die deutschen Verleger klein bei und räumten Google exklusive Gratislizenzen für Deutschland ein.

Illustration mit Logos vieler Online-Services

Edima

All diese Serviceanbieter müssten Upload-Filter einbauen, manche der kleineren würden das nicht überleben. Diese Grafik stammt von der Interessenvertretung der europäischen Internetwirtschaft, die in Bezug auf Internetregulation bei den politischen Führungsspitzen der EU aber bis jetzt weniger Gehör findet als Printverlage und Kommerz-TV.

Die qualitativ ähnlich grenzwertige, EU-weite Verlegerkampagne gegen die „E-Privacy-Novelle“ zur Weitergabe von Benutzerdaten an Werbenetzwerke im Herbst 2017 blieb dagegen fast völlig ohne Echo in ihren eigenen Medien.

Für deutsche Portale wie Web.de, GMX.de und T-Mobile galt dies nicht, folgerichtig stellten diese ihre Newsfeeds überhaupt ein. Bis 2017 kamen durch das neu erfundene Zusatzcopyright deutschlandweit insgesamt Einnahmen von höchstens einer Million Euro zusammen, was um ein Drittel unter den einschlägigen Anwalts- und Prozesskosten der Verlegerverbände lag. Dieses „Erfolgskonzept“ soll nun auf ganz Europa umgelegt werden.

Mark Zuckerberg rudert längst zurück

Am Donnerstag bekräftigte Mark Zuckerberg bei der Präsentation der Quartalsergebnisse Facebooks den neuen Kurs, benutzergenerierte Fotoserien und Videos werden nunmehr forciert. Die Produkte traditioneller Medien wurden hingegen durch Änderungen der Facebook-Algorithmen weit zurückgestuft. Inzwischen bringen diese Nachrichtenschnipsel Facebook offenbar mehr Ärger ein, als ihre Umsätze wert sind. Dieselben Algorithmen des Sozialen Netzwerks, denen in den Breitenmedien quasi magische Kräfte zugeschrieben werden, können offenkundige Falschnachrichten nämlich von echten News überhaupt nicht unterscheiden.

Alles andere als die Umsetzung der Facebook-Überwachung auf Basis der bestehenden Überwachungsschnittstellen bei den Telekoms wäre eine Überraschung. Die Polizeibehörden drängen darauf, weil sie technisch auf diese ETSI-Datenformate bereits eingestellt sind.

Dieser Service des Sozialen Netzwerks hat sich als nicht-automatisierbar erwiesen, deswegen hatte CEO Sheryl Sandberg erst Mitte Jänner die Einstellung von 10.000 Arbeitskräften in Europa erneut bekräftigt. Die werden nämlich gebraucht, um die unzähligen Desinformationskampagnen und den grassierenden Betrug mit Werbebannern einzudämmen. Diese Woche wurde die Bewerbung sämtlicher „Kryptowährungen“ von Bitcoin abwärts auf Facebook eingestellt.

Screenshot eines Dokuments

Public Domain

Der abgeschriebene Kompromissentwurf der bulgarischen Ratspräsidentschaft von Mitte Jänner im Volltext war - wie fast schon üblich - europaweit zuerst auf der Website des österreichischen Nationalrats verfügbar.

Was auf Österreichs Ratspräsidentschaft noch zukommt

Was die geplante Überwachung Sozialer Netzwerke betrifft, so ist bis jetzt noch nicht einmal geklärt, ob „nur“ Metadaten erfasst werden sollen und um welche Kommunikationsformen es dabei überhaupt geht. Die Frage, ob von Facebook nun Metadaten, etwa zu Chats, verlangt werden, oder nach dem Muster der Telekom-Überwachung auch Inhalte, war Anfang Dezember jedenfalls noch nicht beantwortet. Justizkommissarin Jourovas Kabinettsleiterin hatte davor schon eine „möglichst breite Datenerfassung“ verlangt.

Diese beiden, sowohl für das Vorankommen der europäischen Digitalwirtschaft wie auch für die Bürgerrechte von 500 Millionen EU-Bürgern absolut kritischen EU-Regulationen sind aber nicht die einzigen, die in den Ratsvorsitz von Juli bis Dezember fallen werden. Weil sich der Ministerrat nicht einig ist, liegt die fast fertige E-Privacy-Verordnung derzeit auf Eis, soll aber demnächst wieder aufgetaut werden. Die strittigste Frage dabei ist, ob Internetmedien die Daten sämtlicher Benutzer beliebig weitergeben dürfen, ohne dass es deren Zustimmung bedarf. Dagegen laufen Printverlage und alteingesessene Privatmedien sowie die Werbenetzwerke Sturm.

Als Draufgabe noch „Fake News“

Und noch ein viertes Regulationsvorhaben steht der Ratspräsidentschaft Österreich mit einiger Sicherheit ins Haus. Noch bis Anfang März läuft ein Konsultationsverfahren der EU-Kommission zu „Fake News und Desinformation im Internet“. Die Auswertung der Fragebögen wird bereits vor dem Antritt der österreichischen Delegation im Juli abgeschlossen sein. Üblicherweise starten dann die Regulationsvorhaben wenige Monate danach.

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