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Terror als Vorwand der EU-Kommission für Copyrightfilter

Zur Stimmungsmache vor der Rückkehr der umstrittenen Copyright-Richtlinie aus dem Ministerrat in Richtung Parlament bereitet die EU-Kommission gerade „Empfehlungen“ vor zum Einsatz von Filtersystemen gegen Terrorismus, Kindesmissbrauch und Copyright-Verletzungen.

Von Erich Möchel

Die EU-Kommission ist dabei, ihre Pläne für verpflichtende Uploadfilter gegen Copyrightverstöße nun unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung voranzutreiben. Das geht aus einem geleakten Dokument hervor, das ORF.at vorliegt. Dabei handelt es sich um den Entwurf einer „Empfehlung für Maßnahmen gegen illegale Inhalte im Netz“, die noch im Februar präsentiert werden soll.

Vor einem Jahr ist die EU-Richtlinie gegen Terrorismuspropraganda in Kraft getreten. Eine ursprünglich enthaltene Filterpflicht für Inhalte beim Upload wurde vom EU-Parlament abgelehnt. Dass sie gerade jetzt und eben als nicht verbindliche Empfehlung wiederkehrt, hat gute Gründe.

Screenshots aus Dateien

EU Kommission

Dieses Dokument wurde der interessierten Öffentlickeit von European Digital Rights (EDRi) zur Verfügung gestellt. EDRi ist der Dachverband der europäischen Bürgerrechtsorganisationen, die 35 Mitglieder stammen aus 18 EU-Staaten.

Stimmungsmache, Zaunpfähle und Selbstregulation

Vor einem Jahr wurde eine EU-Richtlinie gegen Terror verabschiedet. Sie ist so breit gefasst, dass populistische Regierungen eingeladen werden, noch breitere nationale Gesetze zu erlassen.

Da die EU-Kommission seit Jahren bei allen möglichen Gelegenheiten auf Betreiben des EU-Ministerrats auf Upload-Filter drängt, können Entscheidungen des Parlaments natürlich nicht rückgängig machen. Daher versucht man im Halbjahrestakt, die bisherigen Beschlüsse des Parlaments zu umgehen. Dabei ist nie von gesetzlichen Maßnahmen die Rede, sondern ausschließlich von „Selbstregulation“ der Internetwirtschaft. Grund dafür sind die rechtliche Gegegebenheiten in der Union.

Jeder EU-Beschluss für eine umfassene Filterpflicht aller Betreiber für alle Uploads würde genau aus diesem Grund vom EU-Gerichtshof (EuGH) verworfen werden. Entschließen sich jedoch gerade die größten Anbieter wie Facebook und Google, derlei in ihre Geschäftsbedingungen aufzunehmen, dann ist ein Ziel der Kommission bereits erreicht. Das zweite Ziel dieser Empfehlungen ist reine Stimmungsmache - Terror und Kindesmissbrauch als Zaunpfähle mit denen gewunken wird - für die Rückkehr der Coyprightnovelle in die Diskussion.

Edima & andere Logos

Edima

Die Europäischen Internetprovider EuroISPA und eine ganze Reihe von Interessensverbänden der europäischen Digitalwirtschaft sowie die Bürgerrechtler von EDRi haben hier gleichlaufende Interessen. Die Digitalwirtschaft in der EU muss befürchten, dass sie durch aufwändige und entsprechend teure Filterpflichten von den finanzstarken US-Internetriesen völlig an die Wand gedrängt wird.

Was der Entwurf noch verrät

Diese Novelle liegt momentan im Ministerrat, von wo sie ursprünglich auch ausgegangen war - der mögliche Zeitpunkt ihrer Wiederkehr ist jetzt schon abzusehen, nämlich zeitnah nach der Präsentation für diese Empfehlungen, die sozusagen den Boden aufbereiten sollen. Ihre Grundlage sind Uploadfilter, ohne das Wort auch nur zu erwähnen. Der noch unter Ex-Digitalkommissar Günter Oettinger vorgelegte Entwurf ist aber so konstruiert, dass keine der möglichen Umsetzungen ohne Uploadfilter funktionieren kann. Wie auch in der Copyrightnovelle ist in den Empfehlungen nicht von „Upload-Filtern“ sondern nur von möglichen „automatisierten Maßnahmen“ die Rede.

Die umstrittene Copyright-Richtlinie wird während der Präsidentschaft Österreichs in ihre heiße Phase treten

Der geleakte Entwurf mit dem Titel „Empfehlung der Kommission für effiziente Maßnahmen gegen illegale Inhalte im Netz“ steht offensichtlich noch ein, zwei Revisionen vor seiner Fertigstellung. Die ersten paar Seiten des Texts sind voll von durch- und unterstrichenen Passagen und haben im Hintergrund noch das ursprünglichen „Draft“. Gleich im ersten Rezital - das sind die einleitenden Begründungen und Referenzen - werden die Delikte aufgezählt: "Terrorismus, sexueller Missbrauch von Kindern, Verhetzung oder Copyrightverletzung. Letzteres wurde hier wieder aus dem Text gestrichen, um nur zwei Zeilen später als „Copyright-geschützte Inhalte“ wiederzukehren, worauf der Text hier unvermittelt abbricht.

Screenshots aus Dateien

EU Kommission

In Rezital 34 wird mit der Begründung, dass terroristische Inhalte während der ersten Stunden besonders gefährlich seien, eine Löschzeit innerhalb von einer Stunde (!) nach ihrer Meldung/Entdeckung beantragt..

Terror, Verhetzung, Produktfälschungen

Kernelement des „sauberen Internets“ im Iran sind allumfassende Filtersysteme. Dasselbe trifft auf alle Diktaturen weltweit zu.

Im nächsten Rezital (2) geht es dann in der Reihenfolge „Terror“, „Verhetzung“ und „Produktfälschungen“ weiter, in Rezital sechs wird dann schon der Ministerrat zitiert, der die Internetfirmen aufgefordert hatte, „neue Technologien und Werkzeuge zu entwickeln, um Terrorpropaganda automatisch zu identifizieren und zu löschen“. Hier ist also bereits von automatisch arbeitenden Algorithmen die Rede, ab Rezital 9 wird den Providern bereits ziemlich offen damit gedroht, dass ohne Filterei Sanktionen drohen könnten.

Konkret geht es um die E-Kommerz-Richtlinie von 2000, die Serviceanbieter von der Haftbarkeit für potenziell illegale Inhalte ihrer Kunden ausnimmt, solange diese dem Provider nicht bekannt sind. Hier wird mit der Streichung dieser Haftungsfreistellung gedroht, falls die Serviceanbieter eben nicht filtern. Ab hier ist der Text der Erläuterungen bereits weitgehend stabil, für die eigentlichen Empfehlungen danach gilt dies erst recht. Der eigentliche Text der Empfehlung wurde also noch vor den einleitenden Begründungen geschrieben.

Was sind „illegale Inhalte“?

Spätestens seit Sommer 2017 war die umfassende Filterstrategie der Kommission bereits offensichtlich.

An dieser Stelle wird auch der Kernbegriff „illegale Inhalte“ erstmals definiert, sofern man eine solch gefährlich schwammige Formulierung überhaupt als „Definition“ gelten lassen will: „Illegale Inhalte bezeichnet sämtliche Informationen, die entweder dem Unionsrecht oder dem Recht des Mitgliedstaats widersprechen, in dem der Provider entweder niedergelassen ist, oder seine Services anbietet, egal welche welcher Art und Zielrichtung diese Gesetze sind“.

Am aktuellen Beispiel der Zensur in Polen

Das heißt, die Regierung Polens, die sich laut Kommission immer weiter von den demokratischen Prinzipien der EU entfernt, kann damit eine EU-weite Sperre von nicht genehmen Inhalten bewirken. Am konkreten Fall des EU-weit heftig kritiserten neuen Gesetzes in Polen, das jede Erwähnung von polnischen Nazi-Kollaborateuren während des Zweiten Weltkriegs unter Strafen stellt, kann dadurch in völliger Konformität mit EU-Recht zensuriert werden, so die obige Definition beibehalten wird.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. können hier verschlüsselt und anonym beim Autor eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.

Dabei ist die Kollaboration polnischer Antisemiten in wissenschaftlichen Werken und Artikeln zum Thema erschöpfend nachgewiesen. Die Empfehlungen der Komm,ission laufen also in diesem Fall auf nichts anderes als die Förderung von Falschnachrichten hinaus. Das allerdings verkehrt herum, nämlich indem die Regierung eines EU-Mitgliedstaats Geschichtsfälschungen als legal und die Kritik daran als „illegale Inhalte“ definiert.

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