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Son Lux

Alix Spence

Brighter Wounds

“Brighter Wounds” von Son Lux ist ein hyperdramatisches Album. Ryan Lott hat uns die Gründe dafür genannt.

Von Christian Lehner

Es kommt eher selten vor, dass ein Interviewpartner fast in Tränen ausbricht. Ryan Lott von Son Lux besucht in unserem Gespräch in Berlin noch einmal die Stationen, die ihn zu seinem neuen Album „Brighter Wounds“ geführt haben. Es ist ein Passionsweg mit einem großen Wunder, dem größten für viele Menschen: „Ich bin erstmals Vater geworden“, sagt Lott, „das war erschreckend und wunderbar zugleich. Leider ist das in die Zeit gefallen, in der Trump zum Präsidenten gewählt wurde und dann ist noch einer meiner besten Freund an Krebs gestorben.“

Freude, Schmerz, Hoffnung, Wut und Trauer - das Album ist also unter verschärften Bedingungen entstanden. Komprimiert innerhalb von ein paar Wochen ist das eine große Packung. Dass Lott im Interview mehrmals die Stimme versagt und seine Augen glasig werden zeigt, dass er noch immer mit diesen gewaltigen Eindrücken kämpft. „Entgegen einer weit verbreiteten Behauptung hilft mir die Musik nicht dabei, das Geschehene zu verarbeiten, auch wenn ich diese Themen direkt anvisiere, denn die Musik fordert ihren eigenen Weg, zwingt mir ihren eigenen Willen auf. Eine Befreiung von der Last verspüre ich dadurch nicht.“

Brighter Wounds

Wer Kultur als Blase lebt, oder als Filter, wird spätestens mit Lebensereignissen wie der Geburt eines Kindes daran erinnert, dass die Verhältnisse nicht nur gefühlt fragil sind. Der Scheißhaufen, der diese Welt sein kann, lässt sich dann nicht mehr wegschreiben, niedersingen oder einfach ignorieren. Er stinkt ganz real zum Himmel. Es braucht dann einfach eine Windel oder einen anderen Präsidenten.

Cover Son Lux Brighter Wounds

City Slang

„Brighter Wounds“ von Son Lux ist auf City Slang erschienen.

„Is this the future, standing over me?“, fragt Lott mit banger Stimme im Eröffnungsstück des neuen Son Lux-Albums „Brighter Wounds“, den Blick in die Zukunft und mit Sorge auf den Nachwuchs gerichtet: „Will it bloom, will it burst, what can rise from such a seed?“ Unter der Gesangsspur kann sich eine retrofuturistische Synth-Spur der Neigungsgruppe „Stranger Things“ auch zu keiner Antwort durchringen.

So wie vielen jungen Männern mit Hang zum elektronisch verstärkten Pathos kaufte man Son Lux seine Befindlichkeitsdramatik in der Vergangenheit nicht immer ab. Von diesen First-World-Problems hat sich der ehemalige Werbemusiker auf seinem fünften Album nun emanzipiert. Und es ist schon erstaunlich, wie Lott die drei thematischen Tränen dieses Albums beinahe in jedem Stück auf „Brighter Wounds“ zusammenfließen lässt und zu allgemein gültigen Aussagen verdichten kann.

Mit dem Song „Dream State“ ist dem Wahlkalifornier erstmals ein richtiger Hit gelungen. Hier strahlt die orchestrale Pracht seiner Musik am hellsten. „Dream State“ ist eine Metapher, in der sich ein Albtraum-Staat ebenso einrichten lässt wie dessen utopische Überwindung, aber auch die Wahrnehmung eines Neugeborenen. „Awake awake, this is a dream state“, heißt es im Refrain. „Ich versuche, mich in meinen Sohn hineinzuversetzen: Wie nimmt er die Welt wahr? Ich habe mal gelesen, dass Babys die erste Zeit alles verschwommen und in leuchtenden Farben sehen. Das ist sicher sehr mysteriös und aufregend“, sagt Lott.

Son Lux in Berlin

Christian Lehner

Son Lux in Berlin - Ryan Lott, Ian Chang, Rafiq Bhatia (v.l.)

Drama, baby

Die Musik auf „Brighter Wounds“ ist an Dramatik kaum zu überbieten. Son Lux wirft seine zerbrechliche Stimme in einen Mix aus scharfkantigen Breakbeats und Synth-Sounds, die von zarten Melodiebögen und Klavierfolgen umgarnt werden. Der Sound bewegt sich zwischen Arca und Get Well Soon, Anohni und James Blake. Immer wieder setzt Son Lux Auslassungen und Bruchstellen, die wie Eisschluchten und Geysire anmuten.

Son Lux live
Am 1. März gastieren Son Lux in der Wiener Arena

Es ist die Magie der Kontraste von einem, der als Kind klassische Musik eingetrichtert bekommen hat, dann als Profimusiker für die Werbebranche arbeitete und schließlich bei der Popmusik gelandet ist. „Brighter Wounds“ ist ein Album, das sehr tief unter die Haut geht.

Musikalisch unterstützt wird Ryan Lott seit dem letzten Album „Bones“ live und im Studio von den Avantgarde-Musikern Rafiq Bhatia an der Gitarre und Ian Chang am Schlagzeug. Pop-Superstar Lorde, die 2013 gemeinsam mit Lott den Song “Easy” aufgenommen hat, ist jedenfalls Fan. Spätestens, wenn man Son Lux live auf der Bühne sieht, weiß man dann, warum.

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