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Buchcover Vier Schwestern

mareverlag GmbH

Joanna King hat viele Schwestern

Bei FM4 schreibt und liest sie die News. Nebenbei schreibt sie einen Roman. „Vier Schwestern“ heißt die deutsche Übersetzung. Natürlich was über Schwestern, schließlich ist sie mit zehn Schwestern aufgewachsen.

Von Zita Bereuter

Joanna King erkennt man als die Stimme in den FM4 News mit dem ganz leichten Neuseeländischen Akzent. Dort ist sie aufgewachsen. Mit zehn Schwestern und einem Bruder. „Für andere Leute klingt das extrem komisch, aber es war fantastisch!“
Mit vier Schwestern hat sie vor einigen Jahren Urlaub in Italien gemacht. Eines Abends erscheint ihre Schwester Sandra nicht zum Essen. Joanna macht sich auf den Weg zum Strand, um nach ihr zu suchen. „Und auf dem Weg zum Strand ist dieses Buch in meinem Kopf so klar geworden. Es hat sich während des Schreibens sehr geändert, aber die Grundidee war der Familienurlaub mit vier Geschwistern.“

Buchcover Vier Schwestern

mare Verlag

Joanna King: Vier Schwestern. Übersetzt von Juliane Zaubitzer. Mare Verlag 2018

Vier Schwestern

Vier Schwestern aus Neuseeland machen in dem kleinen italienischen Dorf Urlaub. Sie haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Die jüngste Tochter ist die Erzählerin der Geschichte. Sie ist Tänzerin in London. Auch Rose, die zweitjüngste Schwester, ist aus Neuseeland weggezogen und lebt jetzt in Italien. Sie hat die Familienzusammenkunft organisiert.
Eines Abends taucht Rose nicht beim Essen auf. Je länger sie weg bleibt, umso unklarer ist der Grund – von Unfall bis Suizid ist alles denkbar.
Während des Wartens und Bangens und der Suche brechen die alten Muster auf, die in dieser Familie tiefe Risse gezogen haben. Die Eltern haben sich vor 18 Jahren scheiden lassen und die Schwestern streiten jetzt noch darüber, ob die Mutter oder der Vater diese Familie zerstört hat, wer von den Eltern mehr Opfer oder Täter der Scheidung war.
Zeitgleich ist die Erzählerin schwer in einen Mann verliebt, der eine kleine Tochter und eigentlich auch eine Partnerin hat. Dennoch wünscht sich die Erzählerin nichts mehr, als dass dieser Mann Frau und Kind verlässt und sich zu ihr bekennt.

In diesem Spannungsfeld zeigt sich die Vielfalt und Problematik von Beziehungen und Liebe. Und auch die Auswirkungen von Rollen und Vorbildern, die man als Kind miterlebt und die einen auch prägen. Eine Art Psychogramm der Schwestern in einem italienischen Postkartendorf.

„Wir hatten eine gemeinsame Geschichte, obwohl wir sie unterschiedlich betrachteten, gingen davon aus, zusammenzugehören, wie es in der Kindheit natürlich ist. Jeder von uns war unersetzlich, kompliziert vielleicht, aber unersetzlich. Doch heute Nacht, da wir alle wehrlos waren, hatte Jess versucht, mich auszugrenzen, mich als Schuldige zu identifizieren und in die Wüste zu schicken, die Sünden der Sippe auf meinem Haupt, denn so dachte sie. Finde heraus, wer schuldig ist, wer versagt hat, wer ausgeschlossen werden muss.
Doch wir alle versagen, immer und immer wieder.“

Die Erzählerin versucht eine Definition von Liebe zu finden. „Zwischen Anziehungskraft und Gefühlen und dem Verlangen nach Stabilität,“ erklärt Joanna King. „Ihre Eltern haben sich gefunden, haben eine Familie gegründet und es ist alles kaputt gegangen. Mit viel Leiden.“

Hinzu kommt die subjektive Wahrnehmung, ein Filter, der alle Wahrnehmungen, Erlebnisse und Erinnerungen beeinflusst. Mit diesem Filter spielt Joanna King. „Es gibt keinen Rand von dem man diesen Filter zur Seite schieben kann und irgendwie objektiv auf die Welt schauen kann. Man ist hinter diesem Gitter.“
Ein Gitter, das folglich auch die Schwestern einengt. Denn natürlich gibt es auch dunkle Begebenheiten und Geheimnisse in dieser Familie. Viel gemeinsam haben die Schwestern nicht. Alle sind sie eigene Charaktere, die einem aber schnell bekannt vorkommen. Reale Vorbilder gibt es allerdings nicht. Das wäre vielmehr ein Hindernis für Joanna King. Dass die Figuren so geworden sind, wundere sie auch. „Keine meiner Schwestern ist so dominant wie Jess (Anm: Die Älteste im Buch), keine hat dieses Selbstvertrauen in die eigene Schönheit wie Ngaio (Anm.: die Zweitälteste). Im Gegenteil, in unserer Familie war es verpönt, sich als schöne Frau zu bezeichnen – das wurde als dumm angesehen.“

Portrait Joanna King

© Paul Brennan

Joanna King ist in Neuseeland aufgewachsen. Sie hat englische Literaturwissenschaften studiert und Drehbücher für das neuseeländische Fernsehen geschrieben. „Vier Schwestern“ ist ihr erster Roman.

Absence

„Absence“ heißt die Originalausgabe, die 2016 bei Penguin erschienen ist. Der deutsche Titel „Vier Schwestern“ trifft den Inhalt besser, meint Joanna King. Für sie ist es ein großer Unterschied, das Original oder die Übersetzung zu lesen. „Wenn ich es auf Englisch lese, dann fließen alle durchgearbeiteten Varianten, die ganze Arbeit mit. Wenn ich es auf Deutsch lese, ist es großartig! Es ist fast wie ein neues Werk. Es hat mich irrsinnig gefreut, das auf Deutsch zu lesen. Es war eine Befreiung vom Originaltext. Ich bin irrsinnig dankbar, dass das so passiert ist.“

Joanna King schreibt eigentlich immer. Es sei eine Sucht, erklärt sie fast entschuldigend und zählt ihre Schreibzeiten auf: „Am Abend, am Wochenende, an Feiertagen oder im Urlaub.“ Und werktags die News für FM4. Nachrichten zu schreiben ist für sie das Gegenteil von Fiktion. „Wenn man News schreibt, versucht man so genau, so trocken, so sachlich zu sein, wie nur möglich. Man muss das so klar sagen wie möglich, man will keinen Raum für Interpretationen geben. Wenn man einen Roman schreibt, ist das eher der Versuch, etwas aufzusetzen, wo der Leser sich selbst einbringen kann und Bilder und eine imaginäre Welt entstehen kann.“
Eines ist ihr auch klar: „Ein Roman zu schreiben ist viel schwerer als die Nachrichten zu schreiben.“
Wie gut, dass Joanna King beides kann.

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