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Tote Magie

Anna von Hausswolff ist der dunkle Star am Goth-Himmel. Auf dem neuen Album „Dead Magic“ orgelt sich die Schwedin aus der Schaffenskrise.

Von Christian Lehner

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Das ganze Interview mit Anna von Hausswolff gibt es ab sofort auch im FM4 Interviewpodcast!

Immer diese Symbolik! Die Interviewerin vor mir trägt komplett Schwarz. Die nach mir kommt im vollen Weiß reingeschneit. Draußen tobt der Schneesturm. Anna von Hausswolff hat es trotzdem nicht so mit Klischees. „Manche Menschen meinen, ich würde Blut zum Frühstück trinken, dabei tut es auch Tee“, sagt die zierliche Schwedin, ehe ich das Mikro eingeschaltet habe.

Aber auch so wird schnell klar, dass Hausswolff den Horror in der Musik konzentriert und ihren Tee nicht aus Menschenschädeln nimmt. Das ist keinesfalls selbstverständlich, eilt nordischen Todesmusikern doch ein gewisser Ruf voraus. Dass die Tochter des Avantgarde-Komponisten Carl Michael von Hausswolff einmal bei einem Interview ein Burzum T-Shirt trug, ist als einziger Skandal in ihrer Vita verbucht.

Moderner Moder-Pop

Hausswolffs Musik mag der Modergeruch von Northern Folk, Doom, Noise, Kirchenmusik und Psychedelik anhaften, doch die bereits über vier Alben ausgebreiteten Moritaten sind moderner, als sie zunächst anmuten. Hausswolffs Klangrepertoire ist so post-genre, wie man das in der Regel über zeitgenössische Dance- und Popmusik sagt. Sie vergärt dem Frohsinn abgewendete Genres zu einer Musik, die oft schwer greifbar ist und doch Pop-Appeal hat.

Am deutlichsten zeigte sich das bei ihrem letzten Album „The Miraculous“, dem bisher erfolgreichsten Werk der Schwedin. Zeitgenössische Leichentuchträgerinnen wie Zola Jesus und Chelsea Wolfe schwirrten ebenso als verwandte Geister durch die Songs, wie die Beuschel-Rocker Black Sabbath oder die Prog-Opis von King Crimson. Ein von Papa verabreichter Gyorgy Ligeti dürfte ebenso einflussgebend gewesen sein wie das Lichtwesen Kate Bush und der Satansonkel King Diamond. Wenn man jetzt noch einen schlimmen Fluch ernten will, ließe sich durchaus ein bisschen Folk der Neigungsgruppe First Aid Kit addieren. Aber so böse wollen wir heute nicht sein.

9.000 Pfeifen für kein Hallelujah

Im Zentrum des Schaffens Anna von Hausswolffs steht ein gewichtiges Instrument. „The Miracolous“ wurde auf der größten Orgel Skandinaviens eingespielt. 9.000 Pfeifen, 91 Register und 68 Extensionen. Standort: Piteå im Norden Schwedens. „Ich mag die Körperlichkeit von Pfeifenorgeln, man wird beim Spielen förmlich zum Raum“, erklärt die ehemalige Architekturstudentin. „Jedes Instrument ist einzigartig und klanglich mit dem Bauwerk abgestimmt“.

Und weil wir es bei Hausswolff mit Geschichten aus der Gruselecke zu tun haben, erzählt Anna noch Passendes zur Albumgenese: „Der Sohn des Orgelbauers überwachte die Aufnahmen. Er nahm seine Funktion ernst und schlief sogar in der Orgel. Er stimmte die Pfeifen und steckte dauernd irgendwo in dem Instrument. Sein Schatten tauchte immer und überall auf. Wir nannten ihn „Das Phantom der Orgel.“

Anna von Hausswolff Cover "Dead Magic"

City Slang

„Dead Magic“ von Anna von Hausswolff ist auf City Slang erschienen.

„Dead Magic“ lautet der programmatische Titel des neuen Anna von Hausswolff-Albums. Tote Magie als Synonym für „nichts geht mehr“. „Ich war völlig ausgebrannt, fand keinen Weg mehr zu mir selbst. Der auf „The Miraculous“ gefeierte Geist war verschwunden. Ich stieß das erste Mal auf eine Schreibblockade“, so Hausswolff. Das Resultat: Burn-Out und Angstzustände.

„Dead Magic“ ist das Resultat eines Kraftaktes. Hausswolff versuchte sich aus dem Künstlergrab hinauszuschreiben und konzipierte das Album zunächst als ein einziges Stück Musik. „Das ging sich aber emotional nicht aus. Der Song zerbrach in mehrere Fragmente und schlussendlich sind es fünf Kapitel einer größeren Erzählung geworden“, so die Schwedin.

Das Stück „The Mysterious Vanishing Of Electra“ steht stellvertretend für den Struggle (Annas voller Name lautet: Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff). Der Song stampft in Swans-Manier fest auf den Boden. Doch Hausswolff skandiert: „My feet are not enough to save me.” Die Stimme verformt sich ins Hexenhafte und überschlägt sich am Ende des Verses ins Nichts. Ein packenderes Stück Düster-Pop wird man derzeit nicht finden.

Anna von Hausswolff

Christian Lehner

Anna von Hausswolff beim FM4-Interview in Berlin

Blieb am Ende von „The Miracolous“ ein Zauber, der die Schwere nordischer Schauergeschichten und irdischer Seelenpain aufzuheben vermochte, sitzen wir nach „Dead Magic“ wieder im finsteren Wald. Der Teufel ist zwar vertrieben - sonst läge wohl kaum ein neues Album vor - doch die Ahnung, dass er wiederkehren könnte, überwiegt die Freude darüber. Und ewig röhrt die Pfeifenorgel.

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